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■ Israelische Ingenieure passen Technik Religionsgesetzen anDer Sabbat-Kühlschrank

Jerusalem (AFP) – Die orthodoxen Juden haben es schwer in der hochtechnisierten Welt des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Viele wollen trotz der rigorosen Verhaltensvorschriften von Tradition und Theologie die Errungenschaften der modernen Technik nicht missen. Ingenieure in Israel widmen sich deshalb in ständiger kreativer Kraftanstrengung der Aufgabe, die Maschinen- und Gerätewelt so gut es nur geht den Religionsgesetzen anzupassen. Heraus kommen dabei überaus originelle Produkte, wie etwa der „Kühlschrank für den Sabbat“, der nur dann läuft, wenn er geschlossen bleibt.

Am heiligen Wochentag der Juden sind die Verhaltensvorschriften besonders streng. Das Verbot aller Arbeit, das innerhalb dieser 24 Stunden vom Freitagabend bis zum Samstagabend gilt, schließt alle möglichen Arten tagtäglicher Verrichtungen ein. Weil der religiöse Jude am Sabbat keine Maschinen betätigen darf, gilt beispielsweise selbst das Abnehmen des Telefonhörers oder der Druck auf den Fahrstuhlknopf als Verstoß gegen die Religionsgesetze. In israelischen Häusern ist deshalb inzwischen der „Sabbat-Lift“, der automatisch ohne Knopfdruck auf jeder Etage hält, eine geläufige Erscheinung. Auch das Schreiben am Sabbat ist ein Problem, da es dem Gläubigen an diesem Tag untersagt ist, eine „ständige Schrift“ zu Papier zu bringen: Als Lösung wurde der „Sabbat-Füllfederhalter“ präsentiert, dessen Tintenschrift nach zwei Tagen erlischt.

Im Institut für die Wissenschaft und die „Halascha“ (Richtlinien des orthodoxen Judentums) mit Sitz in einem Außenbezirk von Jerusalem tüfteln Ingenieure in ständiger Absprache mit Rabbinern an zahlreichen Spezialkonstruktionen, die Theologie und Technik versöhnen sollen. Die Bibliothek des Hauses ist gefüllt mit unzähligen Bänden von theologischen Interpretationen der Anwendung moderner Techniken. Charles Marcus, leitender Ingenieur des Instituts, ist fest überzeugt: „Keine Vorschrift sagt, wir sollen an mangelndem Komfort leiden.“

Das Institut entwickelte einen speziellen Kühlschrank, aus dem sich der orthodoxe Gläubige am Sabbat getrost bedienen kann – da das Gerät sich in geöffnetem Zustand abstellt, also zum Zeitpunkt des direkten Kontakts nicht in Betrieb ist. An anderen technisch-theologischen Problemfällen, wie etwa denen des heißen Leitungswassers oder des Telefonierens am Sabbat, arbeitet das Institut noch.

Nicht nur bei der Technik für den Haushalt, sondern auch wenn es beispielsweise um die moderne Medizin geht, stehen die orthodoxen Juden vor schwierigen Problemen. Die Methode der künstlichen Befruchtung beispielsweise ist in ihrer Gemeinde inzwischen kein Tabu mehr, und auch die Verwendung von Samen nicht-jüdischer Spender ist erlaubt.

Damit stellt sich jedoch das Problem des Inzests, wie die Tageszeitung Jediot Aharonot kürzlich berichtete: „Wenn mit dem Sperma ein und desselben Spenders mehrere Frauen befruchtet werden, könnten sich ihre Kinder in der Zukunft begegnen und Gefahr laufen, inzestuöse Beziehungen einzugehen“, zitierte das Blatt den Direktor der Entbindungsstation des Tel-Hashomer-Krankenhauses bei Tel Aviv, Schlomo Meschiah. Orthodoxe Juden beziehen deshalb neuerdings für künstliche Befruchtungen Sperma nicht-jüdischer Samenspender von einer Samenbank in den USA.

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