Israel und die Sicherheit: Der Schin Bet gesteht
Israels Inlandsgeheimdienst hat Angehörige von inhaftierten Palästinensern zum Schein verhaftet. Kritiker sprechen von "Missbrauch" und "erniedrigenden Behandlungen".
JERUSALEM taz Israels Inlandsnachrichtendienst Schin Bet missbraucht Familienangehörige inhaftierter Palästinenser, um Informationen zu erpressen. Das hält das Anti-Folter-Kommittee "Public Committe Against Torture in Israel" (PCATI) in seinem diese Woche veröffentlichten Bericht fest. Im Verlauf einer Debatte des parlamentarischen Rechtsausschusses räumten Vertreter des Schin Bet "Fehler" bei Verhören ein. Grundsätzlich gelte, so Menachem Ben Sasson, Vorsitzender des Knesset-Ausschusses, dass Familienangehörige von Verdächtigen nicht verhaftet werden dürfen. Vom Schin Bet forderte er eine Aufklärung der in dem Bericht geschilderten sechs Fälle.
Ende Januar letzten Jahres wurde Machmud Sweiti unter dem Verdacht verhaftet, dem militärischen Flügel der Hamas anzugehören. Drei Wochen später, so der Bericht, kamen die Soldaten erneut mitten in der Nacht zum Haus der Familie. Sein Vater und seine Ehefrau Maissun sollten sich am Morgen im Gefängnis einfinden, auch um ihm frische Kleidung zu bringen. Erst nach über drei Stunden Wartezeit, so berichtet Machmuds Vater, habe man die beiden in verschiedene Zimmer geführt. "Sie zogen mir einen braunen, zerrissenen und schmutzigen Mantel an und knöpften ihn so zu, dass man den Mantel, den ich darunter trug, nicht mehr sehen konnte." Beide seien nacheinander verhört und anschließend von Gefängniswärtern in den Hof geführt worden, wo sie Machmud von einem Fenster aus sehen konnte. Kurz darauf durften sie nach Hause gehen. Erst Ende März, als Machmud dem Richter vorgeführt wurde, sei ihm erklärt worden, dass ihm die Verhaftung seines Vaters und seiner Frau nur vorgetäuscht worden war. In der Zwischenzeit hatte er einen Selbstmordversuch unternommen und war in den Hungerstreik getreten.
Der Missbrauch von Familienangehörigen, die selbst unter keinem Verdacht stehen, "hat in vielen Fällen zu schwerem psychologischen Leid" der Inhaftierten geführt, hält die PCATI fest. Ungeachtet des Urteils des Obersten Gerichtshofs von 1999 gegen Folter seien Inhaftierte weiter "erniedrigenden und gewaltvollen Behandlungen ausgesetzt", darunter das Festhalten in Zellen, in denen man kaum aufrecht stehen kann, und Schlafentzug. Der Abgeordnete Sasson erinnerte im Verlauf der Debatte in der Knesset daran, dass "wir noch immer einen Kampf gegen den Terror führen", trotzdem sei das Zufügen von "physischem Schaden nicht zu autorisieren".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!