: Israel ohne Regierung
■ Labour-Minister treten zurück / USA rücken von Schamir ab
Jerusalem (dpa/taz) - Die israelische Regierungskoalition ist endgültig zusammengebrochen. Ministerpräsident Izchak Schamir vom rechtskonservativen Likud-Block entließ am Vormittag bei einer mit Spannung erwarteten Kabinettssitzung seinen Stellvertreter, den Labour-Vorsitzenden Shimon Peres. Daraufhin erklärten die übrigen neun Labour-Minister ihren Rücktritt.
Der Sprecher Schamirs erklärte darauf, der Ministerpräsident wolle jetzt mit aller Kraft die für Donnerstag angekündigten acht Mißtrauensvoten im Parlament scheitern lassen. Er gab gleichzeitig ein Bekenntnis zum „großen, unteilbaren Israel“ ab.
Peres bezeichnete den Ministerpräsidenten nach dem Zusammenbruch der Regierung als „einen Mann, der niemals Wort gehalten hat“. Labour-Verteidigungsminister Rabin betonte, daß Schamir die Schuld an dem Zusammenbruch trage. Als die Nachricht im Parlament bekannt wurde, kam es unter den Labour-Abgeordneten zu Freudenkundgebungen.
Bei dem Koalitionsstreit geht es vor allem um den Plan des US-Außenministers Baker, Verhandlungen mit Palästinensern (aber nicht mit der PLO, welche von mindestens 75 Prozent der Palästinenser unterstützt wird) über eine Lösung des Palästina-Problems zu führen. Schamir will die Bewohner des israelisch besetzten Ost-Jerusalems von den Verhandlungen ausschließen und sie auch nicht an eventuellen Wahlen in den besetzten Gebieten teilnehmen lassen. Die Labour-Partei sieht darin eine Torpedierung der Friedensbemühungen und hofft darin auf amerikanische Unterstützung. Labour wird jetzt versuchen, mit den religiösen und links-zionistischen Parteien eine neue Koalition zu bilden.
Schamir war in seiner Ablehnung der PLO so weit gegangen, zu fordern, daß bei zukünftigen Verhandlungen die Vertreter Israels sofort die Runde verlassen müßten, falls einer der Palästinenser sich als PLO-Mitglied zu erkennen gäbe. Dabei ist die PLO seit 1988 zu Verhandlungen ohne Vorbedingungen bereit. Dies erklärt auch die wachsende Ungeduld der USA mit Schamir.
Der Koalitionskrach spielt sich vor dem Hintergrund wieder wachsender Gewalt der israelischen Truppen in den besetzten Gebieten ab. Am Wochenende wurden vier Palästinenser von Soldaten umgebracht, davon zwei in Ost-Jerusalem. Die Unruhen richten sich jetzt auch gegen die geplante Ansiedlung sowjetischer Emigranten in den besetzten Gebieten. Gegen diese Pläne hat sich die US-Regierung gewandt.
Die EG beschloß letzte Woche, die Hilfe für die Palästinenser in den besetzten gebieten aufzustocken. Sie soll von 6,6 Millionen Dollar im Jahre 1990 auf 13,2 Millionen Dollar im Jahre 1991 verdoppelt werden.
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