■ Israel: Die Arbeitspartei wählt einen neuen Vorsitzenden: Der General
Höchstwahrscheinlich wird heute Ehud Barak von den Mitgliedern der Arbeitspartei als Nachfolger des unglückseligen Schimon Peres zum Vorsitzenden und Ministerpräsidentenkandidaten gewählt. Das ist ziemlich sicher. Nicht sicher ist, wer er eigentlich ist.
Seine Gegner nennen ihn „Netanjahus Zwilling“. Und gewiß, es besteht eine Ähnlichkeit. Wie Netanjahu in den Likud kam auch Barak von außen in seine Partei. Wie seinerzeit Netanjahu hat er nur eine Parole: „Ich bin der einzige, der siegen kann!“ Wie Netanjahu ist er ein sogenannter Pragmatiker, das heißt Opportunist. Und ein Machtmensch. Wie für Netanjahu ist „Sicherheit“ sein Stichwort. Und wie Netanjahu (und Tony Blair) ist er bereit, Teile des Programms der Gegenpartei zu klauen. Statt Netanjahus „Sicherer Frieden“ Baraks „Frieden mit Sicherheit“.
Damit hört aber die Ähnlichkeit auf. Netanjahu war Hauptmann der Kommandotruppe, Barak deren Befehlshaber. Er war Generalstabschef und damit jahrelang im Kabinett anwesend. Er ist so reich an Führungserfahrung wie Netanjahu daran arm war.
Wenn Barak mit mehr als 50 Prozent siegt, wird er praktisch Diktator seiner Partei sein, so wie Netanjahu in der seinen. Wahrscheinlich wird er seinen Konkurrenten die Hand geben, um die Partei hinter sich zu vereinigen. Er mußte auch Wege finden, Schimon Peres auf die sanfteste Art abzusägen.
Erst dann beginnt der wirkliche Job: die nächsten Wahlen zu gewinnen. Da es so gut wie unmöglich ist, einen direkt gewählten Ministerpräsidenten loszuwerden, wird wohl erst im Jahr 2000 gewählt werden.
Barak hat ein Problem, das weder Blair noch Jospin hatte. Anderswo genügt ein kleiner Ruck nach links oder rechts, um einen Umschwung zu bewirken. Barak glaubt anscheinend auch, daß er mit Sicherheitsparolen einen Bruchteil der Wähler in der Mitte überzeugen kann, überzuspringen. Das ist ein Irrtum.
Israelische Wahlen stehen im Schatten eines Risses, der quer durch die Gesellschaft geht. „Rechts“ – orientalische, religiöse, ärmere und weniger gebildete Juden, „links“ – europäische, wohlhabendere, nicht- religiöse und gebildetere Juden und arabische Staatsbürger. Das hat mit europäischen Begriffen von links und rechts nichts zu tun. Die Wahl ist ethnisch bedingt. Die „Linke“ kann nur gewinnen, wenn diese Fronten von Grund auf verändert werden. Dazu ist in der Arbeitspartei kaum jemand imstande. Auf sozialem und wirtschaftlichem Gebiet besteht nicht der geringste Unterschied zwischen den beiden großen Parteien. Barak hat sich damit ohnehin kaum befaßt. Wie Rabin und Peres interessieren ihn nur außenpolitische und militärische Probleme – Frieden und Sicherheit. Es ist fraglich, ob das genügt, um die Wahlen zu gewinnen. Uri Avnery
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen