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■ Israel: Beginn der Feiern zur Staatsgründung vor 50 JahrenDer Riß ist tiefer denn je

Der Riß, der am 50. Jahrestag der Staatsgründung durch die israelische Gesellschaft geht, ist tief. Der religiöse Fundamentalismus, der sich ursprünglich gegen den palästinensischen Anspruch auf Land und Selbstbestimmung richtete, hat heute längst die „eigene“ Gesellschaft und das „eigene“ Land ins Visier genommen. „Zivilgesellschaft“ oder „Gottesstaat“ lauten deklamatorisch die alternativen Schlagwörter. Heute ziehen die religiösen Eiferer mit dem Talmud und der Halacha in die Schlacht, um die irdische Demokratie durch eine „gottgefällige“ Ordnung zu ersetzen. Schon jetzt verweigern 43 Prozent der Israelis dem Konzept einer „liberalen Demokratie“ mit gleichen Rechten für alle ihre Zustimmung. Unter Ultraorthodoxen ist die Bereitschaft, das Gesetz in die eigene Hand zu nehmen, besonders ausgeprägt. Die Ablehnung des Rechtsstaats und der Hang zu illegalen Mitteln sind integraler Bestandteil der politischen Kultur Israels, sagt das Israelische Institut für ökonomische und soziale Forschung.

Nirgendwo in Israel ist der religiöse Zwang spürbarer als in Jerusalem. Säkulare und liberale Juden fliehen in die Vorstädte oder direkt ins Sündenbabel Tel Aviv. Wer am Shabbat mit dem Auto fährt, wird von Orthodoxen zum Anhalten gezwungen. Das Steinewerfen auf die „Shabbatschänder“ aber scheint den Orthodoxen am Ruhetag nicht verboten zu sein.

Vom Schmelztiegel Israel mag heute niemand mehr sprechen. Die Interessen der ethnischen und religiösen Gruppierungen werden längst von eigenen Parteien vertreten. Die israelischen Araber haben ihre Arabische Demokratische Partei, die Einwanderer aus der früheren Sowjetunion die Israel Ba' Aliya- Partei des Ex-Dissidenten Nathan Sharansky, die Sepharden aus Nordafrika die Shas-Partei unter dem ehemaligen Außenminister David Levy, die Arbeitspartei und Meretz vertreten die einstmalige Elite der ashkenasischen Juden, der Likud traditionell die Sepharden jedweder Couleur. Die Nationalreligiöse Partei sammelt mehr denn je die religiösen und nationalistischen Eiferer, in Konkurrenz zu verschiedenen extremistischen Splitterparteien. An der geistigen Spitze vieler Parteien steht zumeist noch ein gelehrter Rabbiner, der die aktuelle Tagespolitik in Einklang bringt mit der Auslegung der göttlichen Gesetze. Der Kampf um Staatspfründe, um Macht und Einfluß wird auf der politischen Bühne längst unter Einsatz von Intrigen, Korruption, Erpressung und anderen illegalen Methoden ausgefochten. Auch wenn man dies noch als „Normalisierung“ des politischen Lebens interpretieren will: Der Wandel der israelischen Gesellschaft von einer säkularen zu einer religiös orientierten hat im Vergleich zur Gründerzeit dramatische Ausmaße angenommen. Und neue Konflikte geschaffen.

Konservative und Reformjuden auf der einen und Orthodoxe und Ultraorthodoxe auf der anderen Seite fechten ihre Differenzen sogar handgreiflich aus, und das vor der Klagemauer. Die Orthodoxen schimpfen ihre „Brüder und Schwestern“ Ungläubige oder Häretiker, die gar keine Juden seien. Das religiöse Schisma ist nicht weniger tief als das politische, auch wenn es in Israel nur eine verschwindende Minderheit betrifft. Der Streit um das „Konvertierungsgesetz“ ist immer noch nicht beigelegt. Nach wie vor will das orthodoxe Rabbinat allein entscheiden, wer in Israel als Jude anerkannt wird und wer nicht. Die Gefahr einer Entfremdung der „jüdischen Diaspora“ in den USA droht deshalb weiter.

Die religiöse Rechtfertigung der Ermordung von Jitzhak Rabin bewies, daß der religiöse Extremismus sich nicht mehr nur gegen Palästinenser, sondern gegen Juden selbst richtet, zumal im Verbund mit politischer Hetze der nationalistischen Rechten. Radikalisierung und Intoleranz konnten trotz Gegensteuerung nicht eingedämmt werden.

50 Jahre nach der Gründung des Staates spaltet die religiöse Fundamentalisierung des staatlichen und öffentlichen Lebens die israelische Gesellschaft. Dabei bietet die Geschichte Warnung genug. Vor knapp 3.000 Jahren zerbrach das hebräische Königreich und zerfiel in die Staaten Israel und Juda. Ganze 73 Jahre hat die Einheit der israelitischen Stämme unter den Königen David und Salomon gehalten. Georg Baltissen

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