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Isolde CharimKnapp überm BoulevardRené Benko, der ominöse Immobilien-Tycoon – oder: Raubtierkapitalismus mit sanftem Antlitz

Zur Klarstellung: Weder bin ich ihm je begegnet, noch habe ich einen Wissensvorsprung, was ihn anlangt. Und das, obwohl er, wie ich, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Die Rede ist von René Benko, dem Mann, der derzeit wieder im Gerede ist. Diesmal wegen seines Bieterkampfs um die Krone, dem österreichischen Pendant zur Bildzeitung. Man kennt Benko auch wegen eines ominösen Kaufhaus-Deals, einer dramatischen Nacht-und-Nebel-Aktion, die Kaufhausketten Karstadt und Kaufhof betreffend. Wegen der Postsparkasse, dem Otto Wagner Gebäude und dem Goldenen Quartier in Wien.

Ich muss vorausschicken: Mein Blick geht nicht hinter die Kulissen. Nichts Investigatives. Kein Enthüllen von Verborgenem. Ganz im Gegenteil – es ist ein Blick auf die Fassade. Es geht nicht um die Privatperson. Es geht um den Typus, den Benko darstellt. Es geht um unseren Blick auf solche Art Unternehmer, um die Weise, wie wir uns diesen Sozialtypus erzählen. Dazu reicht ein x-beliebiger Artikel über ihn – einer in der Art: Wer ist René Benko wirklich?

Die Legendenbildung beginnt immer in der Jugend – mit einem doppelten Erzählstrang. Der eine lautet: „Als er noch zur Schule ging“, baute er bereits staubige Dachböden gewinnbringend aus – finanziert von einem Innsbrucker Baumeister. Der andere Strang lautet: „Das Abitur ging sich nicht mehr aus.“ Der Schulabbruch trägt genauso viel wie die frühe Investitionstätigkeit zur Mythenbildung bei: Hier setzte sich ein außergewöhnliches Individuum durch – jenseits aller Institutionen und Bildungschancen. Da geht eine herausragende Persönlichkeit von Anfang an ihren eigenen Weg – und dieser Weg heißt: die vorgegebenen Pfade von Beginn zu verlassen.

Ebenso fehlt nirgendwo der Hinweis auf das Arbeitspensum: „18 Stunden täglich, sogar Sonntagnachmittag“ oder „täglich von 5 bis 24 Uhr“. Darauf folgt dann der Hinweis, Benko habe sich „nach oben gearbeitet“. Es scheint also wichtig festzuhalten, dass er arbeitet und nicht sein Geld. Dieser Rest an Meritokratie, also der Entsprechung von Leistung und Verdienst, soll unseren Gerechtigkeitssinn beruhigen. Auch wenn klar ist, dass man so ein Vermögen nicht durch „Arbeit“ erwirtschaftet – so soll das Obszöne, das in der Akkumulation von Milliarden liegt, dadurch austariert werden. Zugleich suggeriert es alte Kaufmannsqualitäten wie Redlichkeit. Selbst eine Verurteilung wegen „verbotener Intervention“ – wie schön man doch Bestechung buchstabieren kann – hat seinen Aufstieg nicht verhindert. Warum eigentlich?

Ob als Raubritter denunziert oder als Glücksritter bewundert (etwa von Manager-Magazinen aller Art) – Benkos Geheimnis ist, dass er Gewinn verkörpert. Wie sonst hätte er als 17-Jähriger Leute überzeugen können zu investieren – in Dachböden, aber damit auch in ihn. Je besser es einer Person gelingt, „Unabhängigkeit, Eigennutz, Leistungswillen und Konkurrenzstärke zu leben, desto mehr Geld wird ihr zufließen“, so der Ökonom Stephan Schulmeister. Gerade in Zeiten, in denen bei niedrigen Zinssätzen so viel Kapital frei zirkuliert, wo „Geld zum Medium seiner eigenen Vermehrung wird“. Es paart sich der hart Arbeitende mit dem Leichtfüßigen, dem das Gold zuströmt.

Und noch ein Widerspruch: Der diskrete Unternehmer, der „Society-Events meidet“ wird zugleich konterkariert durch eine offensive Selbstinszenierung als Tycoon, der „seinen aufwendigen Lebensstil gerne ausstellt“ – und dabei auch wirksames Netzwerken mit Prominenten betreibt (etwa mit dem österreichischen Bundeskanzler), das dem Scheuen verwehrt bliebe. Während das eine den Rest an protestantischer Kaufmannsethik unterstreicht – liefert das andere das Gegenteil: Das öffentlichkeitswirksame Bild des Gewinners. Raubtierkapitalismus mit sanftem Antlitz.

Eine kontroverse Figur, die uns zeigen soll, dass soziale Mobilität möglich ist. Vom Tellerwäscher zum Millionär kann noch geträumt werden.

Isolde Charim ist freie Publizistin in Wien.

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