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Islamkonferenz des InnenministersZentralrat der Muslime steigt aus

Seit Wochen schwelt der Streit um die Fortsetzung der Islamkonferenz. Nun hat einer der vier großen Verbände seine Teilnahme abgesagt. Und ein Prestigeprojekt der CDU droht zu scheitern.

Manchmal gelingt die Annäherung: Tag der offenen Moschee in Gelsenkirchen. Bild: ap

BERLIN dpa/afp/taz | Der Zentralrat der Muslime steigt nun doch überraschend aus der Islamkonferenz aus. Die am Montag beginnende Konferenz formuliere keine konkreten Ziele, ihre Zusammensetzung sei falsch, das drängende Thema Islamfeindlichkeit werde nicht angemessen behandelt, kritisierte der Zentralrat am Mittwoch in Berlin.

Die Islamkonferenz bleibe „eine von der Bundesregierung verordnete Konferenz", kritisierte der Zentralratsvorsitzende Ayyub Axel Köhler. In ihrer jetzigen Form sei sie ein "unverbindlicher Debattier-Club". Das Innenministerium sei dem Zentralrat in mehreren Verhandlungen bis zuletzt in keinem Punkt entgegengekommen.

Der Zentralrat der Muslime saß bei der ersten Deutschen Islamkonferenz 2006 bis 2008, die von vielen als Meilenstein in der deutschen Integrationspolitik angesehen wurde, mit am Berliner Konferenztisch. Für eine weitere Teilnahme hatte der Zentralrat der Muslime aber deutliche Reformen der Islamkonferenz verlangt.

Seit Wochen schwelte zudem ein Streit um die personelle und inhaltliche Neuausrichtung der Islam-Konferenz. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte den Islamrat von der Teilnahme an der Islam-Konferenz ausgeladen, weil gegen die vom Verfassungsschutz beobachteten Organisation Milli Görüs als größtes Einzelmitglied des Islamrats Ermittlungen laufen.

Bei den anderen muslimischen Verbänden war dieser Schritt auf Ablehnung gestoßen. Mehrere Treffen der im Koordinierungsrat der Muslime zusammengeschlossenen vier großen Verbände hatten keine Einigung auf eine gemeinsame Linie gebracht.

De Maizière hatte versucht, den Verbänden entgegenzukommen und angekündigt, in der Islamkonferenz auch über die "gesellschaftliche Polarisierung" sprechen zu wollen. Gemeint war damit das Thema Islamfeindlichkeit, über das die Verbände unbedingt reden wollten. Außerdem kündigte er an, zwei weitere Verbände nachzunominieren, darunter die Islamische Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland.

Von den vier großen muslimischen Verbänden in Deutschland sind nun nach der Absage des Zentralrats beim Plenumstreffen der Islam-Konferenz nur noch die türkisch-islamische Union DITIB und der Verband der islamischen Kulturzentren vertreten – und das Vorzeigeprojekt des ehemaligen Innenministers Wolfgang Schäuble (CDU) droht nun seinem Nachfolger de Maizière auf die Füße zu fallen.

Das Fehlen des Zentralrats der Muslime sei "bedauerlich", sagte Innenminister de Maizière am Mittwoch in Berlin. Die Islamkonferenz werde nun ohne den Verband ihre Arbeit aufnehmen. "Die Mitglieder der Islamkonferenz haben in den letzten Wochen ein Arbeitsprogramm erarbeitet", teilte er mit. Dieses solle nach wie vor am Montag verabschiedet werden.

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8 Kommentare

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  • S
    Stefan

    Könnte in den TAZ-Berichten nicht einfach mal klargestellt werden, dass der "Zentralrat der Muslime" NICHT ein Zentralrat der Muslime ist, sondern nur eine Organisation, die sich selbst so benannt hat um sich aufzuwerten. Die TAZ unterstützt mit jedem Bericht diese Aufwertung. Die Namensparallelität zum Zentralrat der Juden in Deutschland, der 95% der in Deutschland organisierten Juden vertritt, ist durchaus gewollt.

     

    Wenn ihr nur wollt, dann findet ihr sicher eine Lösung.

    Die Frage ist, ob ihr wollt...

     

    ...oder übernehmt ihr jede Bezeichnung, die sich jemand selber gibt?

  • U
    uwe

    "Islam, Migration generell, Linkspartei, Ostasien um nur ein paar zu nennen, versinkt die taz in Vorurteilen von Rechts."

     

    Junge, die taz bringt die Wahrheit, anderst als die meisten Zeitungen, links zu sein heißt nicht mit geschlossenen Augen durchs Leben zu laufen oder Stalin anzubeten.

  • O
    otto

    Ressentiments?

    Die Regierung ist vom Volk gewählt und hat dessen Interessen zu vertreten. Wenn die Moslemverbände nur Forderungen stellen und sonst bewegungslos bleiben, haben sie etwas nicht verstanden und halten die Volksvertreter nicht für adäquate Verhandlungspartner.

    Wieviel Arroganz darf`s denn, jenseits aller Ressentiments, noch sein?

  • M
    Munster

    Tja, wenn man immer nur fordert und wenig kompromissbereit ist, weiß man sich halt nicht anders zu helfen, als sich trotzig zurückzuziehen so bald nicht alle angemessen nach der eigenen Pfeife tanzen. Über eine angeblich Islamfeindlichkeit will der ZDM diskutieren. Wie wäre es gleichzeitig mit einer Diskussion über die "Deutschfeindlichkeit" vieler junger Muslime? Wäre wahrscheinlich nur ein weiterer Grund für den ZDM der Islamkonferenz fern zu bleiben, weil wir ja dann alle wieder so islamfeindlich sind.

  • E
    @end.the.occupation

    Ganz ehrlich, das hat mich wirklich überrascht. Das ist zwar unheimlich traruig, aber die taz ist nah dran in manchen Punkten nach Rechts abzudriften. Das merkt keiner, weil sie im Grunde eine linke Zeitung bleibt und ihr das keiner zutraut. Aber in manchen Punkten, dazu gehören die Themen Islam, Migration generell, Linkspartei, Ostasien um nur ein paar zu nennen, versinkt die taz in Vorurteilen von Rechts.

  • A
    Adelheid

    Ob sog. Kirchentag oder sog. Islamkonferenz:

     

    Soviel teures Tam-Tam um ein metaphysisches Konstrukt, dessen Erfinder Probleme und Sorgen schaffen, die es von Natur aus gar nicht gibt!

  • E
    end.the.occupation

    Schön, dass die Bildauswahl nicht die üblichen Ressentiments bedient - egal was man von dieser Konferenz überhaupt so hält.

  • EW
    ein Witz

    Das Ganze ist doch wohl eher ein Witz, und Aussagen wie, "die von vielen als Meilenstein in der deutschen Integrationspolitik angesehen wurde" kann nur jemand tätigen, der keine Ahnung hat. Für die Muslime in Deutschland hat diese Konferenz NICHTS bewegt und hat auch keine Bedeutung, höchstens noch auf politischer Ebene/für Machtkämpfe und als Profilierung der einzelnen Verbände. Solche Augenwischerei ist aber typisch für Politik(er)und Vertreter/Verbände, große Klappe und am Ende kommt nur heiße Luft heraus.