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Islamistischer Angriff in SarajevoMit dem Bus zum Anschlagsziel

Mit dem stümperhaften Angriff auf die US-Botschaft in Sarajevo bringt sich die islamistische Strömung der saudischen Wahhabiten in ungute Erinnerung.

Islamistischer Angreifer: Mit seiner Kalaschnikow feuerte Mevlit Jasarevic auf die US-Botschaft in Sarajewo. Später wurde er überwältigt. Bild: dpa

SARAJEWO taz | 104 Schüsse hat der aus dem serbischen Sandzak stammende Mevlit Jasarevic während seines 40-minütigen Schusswechsels abgegeben. Er verletzte einen Polizisten, wurde dann selbst getroffen und verhaftet. Sein Angriffsziel war die US-amerikanische Botschaft in Sarajevo.

Mit dem Bus war er zum Tatort aufgebrochen und mit Kalaschnikow und Armeemantel auf die Straße getreten. Passanten bat er zur Seite zu treten, als er am Freitagabend die Beschießung der Botschaft eröffnete. Am Samstag durchsuchten Polizisten in Bosnien und in Serbien Wohnungen und Häuser aus dem Umfeld des Terroristen.

In Serbien wurden 17 Personen festgenommen, in Bosnien wurde das Dorf islamischer Extremisten Gornja Maoca von der Polizei abgeriegelt. In der Öffentlichkeit hat die Diskussion über die Motive Jasarevic und die Präsenz des islamischen Extremismus in der Region begonnen. Einige Spuren führen auch nach Wien.

Der 23-jährige Mann wurde in der südserbischen, von Muslimen bewohnten Stadt Novi Pazar in der Region Sandzak geboren. Seine Mutter brachte ihn, als er sieben Jahre alt war, nach Wien, wo er aufgewachsen ist. 2005 wurde der damals 17-jährige in Wien verhaftet, weil er 100.000 Euro gestohlen haben sollte.

Nach Angaben seines Großvaters geriet er danach unter den Einfluss extremistischer Kreise. Andere Quellen sprechen davon, Jasarevic sei von dem in Wien lebenden und aus Maoca stammenden Extremisten Nedzad Balkan angeworben worden. Der ehemalige Boxer und Türsteher hat in Wien eine islamistische Gemeinde gegründet.

Diese Gruppe gehört einer Strömung des aus Saudi-Arabien stammenden wahhabitischen Islams an, die sich als "Tekfir" bezeichnet. Die Anhänger dieser Glaubensrichtung sehen sich als die einzig wahren Muslime an. Deshalb sind für sie nicht nur die Anhänger anderer Religionen, sondern auch die Anhänger des traditionellen Islams in Bosnien "Ungläubige".

Wahhabiten sehen tolerante Muslime als Feinde an

Bei einem Besuch vor Jahren in dem damals vollständig von Wahhabiten kontrollierten ostbosnischen Dorf Gornja Maoca erklärten die Islamisten gegenüber unserer Zeitung, zu ihren Hauptfeinden gehörten die bosnischen Imame, weil sie Toleranz im Umgang mit Christen predigten. Jasarevic lebte zeitweilig in Gornja Maoca, dessen Gemeinde von den Gesinnungsfreunden in Wien auch finanzielle Unterstützung erhielt.

Als die bosnische Polizei im Februar 2010 Gornja Maoca gewaltsam besetzte und im Zuge einer Aktion gegen die Wahhabiten in ganz Bosnien deren Anführer festnahm, wurde dort auch Jasarevic aufgegriffen. Offenbar kehrte er danach in seinen Heimatort Novi Pazar zurück.

In der Region Sandzak haben wahhabitische Islamisten schon seit Jahren Fuß gefasst. Die serbische Polizei nahm am Samstag 17 dieser Leute in Novi Pazar fest, ließ sie aber nach einigen Stunden wieder laufen. Bosnische Polizisten führten in Gornja Maoca erneut eine Razzia durch.

In Sarajevo mehren sich jetzt die Stimmen, die von der islamischen Gemeinschaft Bosniens eine klare Distanzierung von den Wahhabiten fordern. Dem Oberhaupt der bosnischen Muslime, dem Reisu-l-Ulema Mustafa Ceric, wird von Professoren an der islamischen Fakultät der Universität Sarajevo vorgeworfen, die Bildung islamistischer Strömungen in der islamischen Gemeinschaft Bosniens nicht energisch genug bekämpft zu haben.

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5 Kommentare

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  • B
    brubacker

    Sarajevo war vor dem Krieg eine Multikulti Stadt, jetzt ist die Stadt zu 99% von Moslems bewohnt und davon weiß Gott wieviel Gotteskrieger aus Saudiarabien, Afganistan und den ganzen Länder die 1992 anseite der Bosnischen Muslime gekämpft und sich dannach auch in Bosnien angesiedelt haben und die jetzt so wie es aussieht ein grosses Problem für die Bosnier und ich glaube auch für den Westen darstellen.

     

     

    Tja,

     

    man erntet was man sät

  • P
    PeterPan

    Was wollt Ihr? Das ist die Ernte, die der "Westen" nach Srebenica eingefahren hat. Der ach so tolle "Westen" hat es eben in seiner engstirnigen, verlogenen Bigotterie niemals zur Kenntnis nehmen wollen, dass es da in Bosnien einen okkzidentalen, weltoffenen und aufgeklärten Islam gab. Nicht umsonst kämpften in der bosnischen Armee im Krieg auch Frauen. Tja, nun hat die Lücke eben das wahabitische Haus Al Saud geschlossen. Herzlichen Glückwunsch!!!

  • RD
    Rainer David W. Früh

    Wieso wundert es Sie, dass man in einem, na, sagen wir mal friedensbewegten Land wie Bosnien nicht mit einer deutlich sichbaren Kalaschnikow rumlaufen kann?

    In der Region, bei dem die meisten Forumsteilnehmer/Leser hier vor lauter Solidarität feuchte Augen bekommen. nämlich Gaza geht´s doch auch. Und jeder, der´s nicht halten kann, ballert rum. Die meisten in die Luft, andere eben auf Menschen.....

  • T
    @Thomas

    Wieso? Etwas weiter südlich, in Griechenland, sind Schiessereien mit Kalaschnikow doch auch fast schon Alltag und das stört niemand, solange das nicht Touristen passiert. Bald jeder zweite Kiosk wird damit überfallen und gegen Polizei abgesichert; selbst konkurrierenden Fußballfans wurden die allseits beliebten Camping-Gaskartuschen-Bömbchen zu langweilig und hatten Spaß daran.

  • T
    Thomas

    Bitte liebe taz mal das Waffenrecht in Bosnien und Herzegowina unter die Lupe nehmen. Es kann doch nicht sein das man da einfach mit ner Kalaschnikow rumläuft!