Islamistinnen in Indonesien: Emanzipation mit Bombe
Sie arbeitete als Putzfrau und plante, sich in die Luft zu sprengen. Die nun Festgenommene ist nur ein Beispiel für ein neues Problem Indonesiens.
Im Dezember war sie in Jakarta im Besitz einer aus einem Kochtopf gefertigten Bombe verhaftet worden. Ein Mitglied der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) habe sie beauftragt, sich während der zeremoniellen Wachablösung am Präsidentenpalast in Jakarta in die Luft zu sprengen. Seit 2016 ist die Parade der Leibwächter von Präsident Joko Widodo auch für die Öffentlichkeit zugänglich.
Novi ist kein Einzelfall. Ebenfalls im Dezember wurde auf der Ferieninsel Bali eine Frau festgenommen, die ähnliche Absichten gehabt haben soll. Beide mutmaßlichen Terroristinnen arbeiteten als Reinigungskräfte und seien über eine IS-freundliche Frauenhilfsorganisation in Kontakt mit der Terrorgruppe gebracht worden.
„Das ist der Beginn einer neuen Entwicklung, nicht nur in Indonesien, sondern der Region“, sagt Sidney Jones, Direktorin des Instituts für Konfliktanalyse (Ipac) in Jakarta. Das Institut hat die wachsende Bedeutung von Frauen im islamistisch motivierten Terrorismus in Südostasien analysiert. Frauen, die als Mütter oder Gattinnen von Dschihadisten den IS bisher aus dem Hintergrund unterstützt hätten, wollten jetzt eine aktivere Rolle. „Sie drängen die Männer dazu, ihnen eine zu geben.“ Emanzipation mit der Bombe.
Frauengruppen fordern häufig den „Gottesstaat“
Während im Nahen Osten Frauen schon länger im terroristischen Kampf aktiv sind und auch in Europa dabei zunehmend Frauen in Erscheinung treten, ist dies in Indonesien neu. Fast 90 Prozent der 250 Millionen Bewohner des Inselstaates sind Muslime. Der weitaus größte Teil von ihnen folgt einer moderaten Auslegung des Glaubens. Die wachsende Rolle von Frauen im islamistischen Terrorismus würde von einer stärker werdenden Präsenz islamistischer Gruppen in Indonesiens Politik begleitet, so Jones.
Auch in der seit Monaten schwelenden Opposition von Islamisten gegen die Wiederwahl des christlichen Gouverneurs von Jakarta, Basuki „Ahok“ Tjahaja Purnama, nehmen Frauen eine immer prominentere Rolle ein. Bei Protesten gegen den Politiker, dem radikale Muslime „Gotteslästerung“ vorwerfen, vertreten häufig Frauengruppen fundamentalistische Koran-Interpretationen und fordern die Schaffung eines „Gottesstaates“.
Bei einer Protestaktion der konservativen islamischen Organisation Hizb ut-Tahrir in Jakarta machte die Aktivistin Ismah Cholil vor 3.000 Zuschauern klar, wie das Leben in einem „Kalifat“ aussehen würde. „Männer und Frauen, die vorehelichen Sex haben, müssen mit 100 Peitschenhieben bestraft werden“, habe Cholil ins Mikrofon gebrüllt, berichtete ein australischer Reporter. Homosexuelle sollten demnach wie Vergewaltiger und andere Kriminelle behandelt werden: „Tötet sie! Damit wird ihre üble Tat im Boden vergraben, vermischt mit den Bakterien und Würmern, und sie werden keine Zeit haben, die Lebenden anzustecken.“
Von politischem und religiösem Engagement bis zur Ausführung eines Terroranschlags sei zwar ein langer Weg, sagen Experten. Dabei spiele aber der Kontakt mit Gruppen, die eine fundamentalistische Religionsauslegung verfolge, eine wichtige Rolle.
Mordauftrag per Sofortnachricht
Soziale Medien seien für Frauen heute das Instrument der Wahl, so das Fazit von Ipac. „Frauen können an radikalen Chaträumen teilnehmen, Männer treffen, IS-Propaganda lesen, ihre Wünsche ausdrücken und gleichgesinnte Freunde finden – alles in der relativen Sicherheit verschlüsselter Nachrichten“. Die Beinahe-Attentäterin Novi hatte den Mordauftrag über den Sofortnachrichtendienst Messenger erhalten.
Indoktrinierte Begleiterinnen getöteter indonesischer IS-Dschihadisten, die aus Syrien und Irak zurückkehren, könnten sich am ehesten dem Terrorismus zuwenden. Laut Jones sind aber auch indonesische Arbeitsmigrantinnen im Ausland potenziell anfällig.
„Sie haben ein größeres Selbstbewusstsein, eine bessere internationale Perspektive, sprechen besser Englisch oder Arabisch und haben mehr Erfahrung mit Computern als daheim gebliebene Frauen.“ Außerdem hätten sie im Ausland ein starkes Bedürfnis gehabt, zu einer „Gemeinschaft“ zu gehören. Das mache sie zum „attraktiven Ziel für die Anwerbung“ durch männliche IS-Kämpfer.
Laut Jones sind Indonesiens Sicherheitskräfte schlecht auf die Gefahr weiblicher Terroristinnen vorbereitet. Ein Hindernis sei die kulturell und religiös motivierte Zurückhaltung der Sicherheitskräfte, Frauen auf versteckte Waffen oder Sprengstoff hin zu kontrollieren.
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