Islamisten schleifen Timbuktus Kulturerbe: Gotteskrieger im Siegesrausch
Zuerst haben sie die Tuareg-Rebellen verjagt. Nun zerstören muslimischen Fundamentalisten im Norden Malis das Weltkulturerbe der Wüstenstadt Timbuktu.
KIGALI taz | Trotz weltweiter Empörung sind die Islamisten in Timbuktu unbeirrt. „Wir handeln im Namen Gottes“, sagte der Sprecher der radikalislamistischen Gruppe Ansar Dine, Sanda Ould Boumana, gegenüber AFP. Seit Samstag früh sind islamistische Eiferer in der berühmtesten Stadt Malis dabei, systematisch alle 16 Mausoleen und Grabstätten zu zerstören, in denen die Heiligen Timbuktus begraben sind und verehrt werden.
Nachdem am Samstag die Mausoleen Sidi Mahmoud, Sidi Moctar und Alpha Moya dem Erdboden gleichgemacht worden sind, machten sich die Islamisten am Sonntag an das Gelände der größten Moschee der Stadt, Djingareyber. Vier Mausoleen dort sollten noch am gleichen Tag zerstört werden.
„Wir werden die Mausoleen alle zerstören, ausnahmslos“, sagte Sanda Ould Boumana weiter. „Es gibt nur einen Gott. Dieses ganze Zeug ist verboten.“
Die Republik Mali erhielt 1960 ihre Unabhängigkeit. Der riesige Binnenstaat im Inneren Westafrikas zählt zu den ärmsten Ländern der Erde. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung von etwa 15 Millionen Einwohnern hat keinen sicheren Zugang zu sauberem Trinkwasser. Nur 47 Prozent der Kinder besuchten 2003 eine Schule. Das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner lag 2009 bei nur 691 US-Dollar im Jahr.
Der Azawad bildet den nördlichen Teil Malis. Ein großer Teil des Gebiets besteht aus Wüsten. Die dort lebenden Tuareg erklärten im April 2012 die Unabhängigkeit von Mali. International gilt der Azawad aber weiter als Teil Malis. Die Bevölkerungszahl wird auf über eine Million geschätzt. (taz)
Berichten zufolge weigert sich die lokale Bevölkerung, den Islamisten bei ihrem Wüten zu helfen. Die berühmten Mausoleen sind aber ebenso wie alle anderen alten Gebäude der Wüstenstadt Timbuktu aus Lehm gebaut und können mit Spitzhacken relativ einfach zu Staub gelegt werden.
„Die Verrückten sind bewaffnet“
„Sie machen alles kaputt“, berichtete ein lokaler Journalist. „Es tut weh, aber man kann nichts machen. Die Verrückten sind bewaffnet.“ Mit der Zerstörungsaktion markieren die nordmalischen Islamisten ihren Sieg über die Tuareg-Rebellen der MNLA (Nationalbewegung zur Befreiung von Azawad), mit der sie ab Ende März bis vor Kurzem noch Malis Nordhälfte gemeinsam beherrschten.
Im Zuge wachsenden politischen Streits zwischen Tuareg-Separatisten und Islamisten kam es zum Bruch zwischen den Waffenbrüdern. Im Verlauf der vergangenen Woche verjagten die islamistischen Gruppen die MNLA aus ihrem Hauptquartier in der Stadt Gao und eroberten auch die beiden anderen wichtigen Städte komplett, Kidal und Timbuktu. Allein in Gao forderten die Kämpfe angeblich über 35 Tote. Die Islamisten sind jetzt im Siegesrausch.
Die Regierung in Malis ferner Hauptstadt Bamako ist machtlos. Auf einem Unesco-Gipfel im russischen St. Petersburg rief Malis Kulturministerin Diallo Fadima Touré die UNO auf, gegen die „Verbrechen am kulturellen Erbe meines Volkes“ einzugreifen. Auf Anregung der deutschen Delegation gab es eine Schweigeminute. Die Unesco verurteilte die „wahllosen“ Zerstörungen.
In Afrika mehren sich Stimmen, die ein militärisches Eingreifen in Mali fordern. Bereits am Freitag erneuerte die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ihren Beschluss, auf ein UN-Mandat zur Entsendung von Eingreiftruppen nach Mali zu drängen. Marokko forderte ein gemeinsames Handeln der islamischen Länder.
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