piwik no script img

Islam-Unterricht in Bremen „nicht nötig“

■ Unterricht in „biblischer Geschichte“ schließt den Koran ein – aber er findet kaum statt

Islam-Unterricht für die muslimische Kinder als Alternative zum christlichen Religionsunterricht, wie ihn der nordrheinwestfälische Kulturminister Schwier jetzt auch für die 6. und 7. Klasse einführen will, ist in Bremen „nicht nötig“, sagt die Sprecherin der Bildungsbehörde, Birgitt Rambalski. Der Grund: In Bremen wird Religionskunde anders als in allen anderen Bundesländern nicht konfessionell gebunden erteilt.

Dank der „Bremer Klausel“ im Grundgesetz liegt der „biblische Geschichtsunterricht“ allein in der Verantwortung des Staates, da geht es um Erziehung zur Toleranz mit stark ökumenischer und religionskundlicher Orientierung, und der Koran ist auch Thema.

Fachleiter Wrieden hat im vergangenen Jahr vier Weiterbildungen für LerhrerInnen zum Thema Koran angeboten und Unterrichtsmaterial „Begegnung mit dem Islam“ erarbeitet. Seinem Überblick nach melden nur zehn Prozent der muslimischen Eltern ihre Kinder von der „biblischen Geschichtskunde“ ab. Viel radikaler sind da freichristliche Kirchen wie die Pfingstler oder die Zeugen Jehovas.

Schulleiter Struckmeyer von der Grundschule am Pfälzer Weg bestätigt das. An seiner Schule haben nur 40 Prozent der Kinder Deutsch als Muttersprache, 30 Prozent sind Auswanderer-Kinder, 30 Prozent Muslime. Da geht es im „biblischen Geschichts-Unterricht“ auch viel um sozialkundliche Aspekte anhand der konkreten Probleme, die sich aus der eigenen Schulgemeinschaft ergeben. Gegen einen muttersprachlichen Sonderunterricht für muslimische Kinder wäre Struckmeyer, weil damit die Schule doch wieder konfessionellen Unterricht einführen würde, den das „Bremer Modell“ überwunden hatte.

Schulleiter Bloch vom Ellenerbrokweg hat die „Konsulatsschule“ im eigenen Haus. Da wurden schon mehr muslimische Kinder abgemeldet, nur „eine Reihe“ nehmen teil. Der „Konsulats-Unterricht“ in bremischen Grundschulen wird von Lehrkräften erteilt, die das türkische Konsulat bestimmt. Fundamentalistische Propaganda soll ausgeschlossen sein, lautet die Abmachung. Aber „da haben wir keinen Einblick“, räumt Schulleiter Bloch ein.

Für Bloch gibt es aber noch ein ganz anderes Problem: Nur für 50 Prozent der Klassen wird überhaupt „biblische Geschichte“ angeboten. Das Thema, daß Kinder abgemeldet werden, ist also nur ein zweitrangiges – in den ersten Klassen sind es nur 20 Prozent, in der vierten Klasse vielleicht 40 Prozent, die abgemeldet werden.

Bei der Evangelischen Kirche gibt es einen Überblick: 34 Prozent der Grundschule-Klassen haben danach kein Religions-Angebot, 46 Prozent der OS-Klassen keines. Ab dem 8. Schuljahr ist „biblische Geschichte“ überhaupt nicht mehr in der Stundentafel vorgesehen, 90 Prozent der gymnasialen Klassen haben schon im Jahrgang sieben kein Religion-Angebot mehr. Das bedeutet für den Schriftführer der Evangelischen Kirche, Ernst Uhl: Das Modell des konfessionsübergreifenden Religionsunterrichtes in Bremen ist einmalig und gut, „aber er wird einfach nicht erteilt“. Seit Jahren schlage die Kirche Krach – „aber es passiert nichts“. Die neuen Bundesländer hätten sich interessiert nach dem Bremer Modell erkundigt, sagt Uhl, sich aber mit Grausen abgewandt, als sie erfuhren, wie mager die Realität aussieht.

Unterricht in „biblischer Geschichte“ auch programmatisch auf allgemeine Religionskunde auszuweiten und damit den Islam nicht nur als Ausnahme-Thema zu erfassen, das würde die Evangelische Kirche nicht mitmachen. „Multikultureller Unterricht“ wäre „neben der Verfassung“, sagt Uhl. Daß es „biblische Geschichte“ sein muß, ist in der Landesverfassung festgelegt, und nur christliche Religion erlaubt das Grundgesetz mit der „Bremer Klausel“ als konfessionslosen Unterricht.

Für die Bremer Moscheen ist in erster Linie ihr eigenes Islam-Angebot wichtig. „Wir geben Unterricht am Wochenende“, sagt Herr Nanik von der Nevlala-Moschee in Gröpelingen. Wenn in der Schule Islam-Unterricht in der Muttersprache angeboten würde, sei das „auch gut“, aber darüber sei in der Moschee noch nicht gesprochen worden. K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen