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Irritationen der Geschlechter

■ In der Heinrich-Heine-Buchhandlung wird heute eine Buchreihe zum Gender-Diskurs vorgestellt. Zum Auftakt: Johanna Meyer-Lenz' „Die Ordnung des Paare ist unbehaglich

„Ich war nicht zufrieden, was ich aber noch nicht wusste.“, „Und keiner wusste genau, was es war, nee, nee ... nicht erklärbar.“ Sätze wie diese wird es viele zu hören geben, wenn die Herausgeberin Johanna Meyer-Lenz heute Abend in der Heine Buchhandlung zusammen mit zwei Mitautorinnen ihr Buch Die Ordnung des Paares ist unbehaglich. Irritationen am und im Geschlechterdiskurs nach 1945 vorstellen wird. Anhand von Interviews mit sieben Frauen und Männern über ihr Leben nach 1945, ihre Familiengeschichten, Träume und Erfahrungen mit Sexualität und Partnerschaft versuchen die Autorinnen den Geschlechterkonstruktionen aus den Anfängen der Bundesrepublik auf die Spur zu kommen.

Herausgekommen ist eine erstaunliche, zum Teil beklemmende und oft überraschende Reise in den Alltag der Nachkriegszeit. Über die Methode der Oral History hinaus gelingt Meyer-Lenz eine wie sie es formuliert „Dekonstruktion der biographischen Erzählungen“, mit der die Widersprüche der damaligen Geschlechterordnung freigelegt und sichtbar gemacht werden sollen. Ihr Ziel ist es, den herrschenden Diskurs gegen die tatsächlichen Erfahrungen der Interviewten abzusetzen und seine Lücken zu beleuchten. So berichten die Befragten von einer Realität beispielsweise alleinstehender Frauen in den 50er Jahren, die oft weit entfernt vom verordneten Eheglück lag und mit diesem im Konflikt stand, ohne dass es von ihnen jedoch als normatives Konzept in Frage gestellt worden wäre – eine Verwirrung, die die Brüchigkeit des damals herrschenden Gender Diskurses ansichtig macht.

Mit diesem Buch trat im letzten Jahr auch der Hamburger Arbeitskreis zur Geschlechterordnung erstmals in Erscheinung. Zusammen mit einem wissenschaftlichen Beirat, der sich aus ProfessorInnen der Hamburger Universität zusammensetzt, konnte der Arbeitskreis beim Hamburger Wissenschaftsverlag LIT die Reihe „Geschlecht – Kultur – Gesellschaft“ gründen. Mit ihr sollte ein für Hamburg längst überfälliger Rahmen geschaffen werden, innerhalb dessen verschiedene Forschungen zum Thema Gender veröffentlicht und die Diskussion interdisziplinär vernetzt werden kann. Damit gibt es nun auch hier eine Verlagsinitiative, die versucht, der anglo-amerikanischen Diskussion um den Begriff Gender gerecht zu werden und sie mit eigenen Beiträgen anzureichern.

Pino D'Amato

heute, 20 Uhr, Heine-Buchhandlung, Schlüterstraße 1

bisher erschienen: Massimo Perinelli: Liebe '47 - Gesellschaft '49. Geschlechterverhältnisse in der deutschen Nachkriegszeit (eine Analyse des Films Liebe 47), Jens Schmidt: „Sich hart machen, wenn es gilt.“ Männlichkeitskonzeptionen in Illustrierten der Weimarer Republik; in Kürze erscheinen: Julia Schmidt-Häuer: Menschenrechte – Männerrechte – Frauenrechte. Gewalt gegen Frauen als Menschenrechtsproblem, Judith Ketelsen: Das unaussprechliche Verbrechen. Die Kriminalisierung der Opfer im Diskurs um Lynching und Vergewaltigung in den Südstaaten der USA nach dem Bürgerkrieg, Stanislawa Paulus: Identität außer Kontrolle

Kontakt zum Hamburger Arbeitskeris ist über die E-Mail-Adresse g.k.g@gmx.net möglich

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