piwik no script img

Irlands neuer Premier HarrisJung und mit wenig neuen Ideen

Irland hat einen neuen Regierungschef: Simon Harris folgt auf Leo Varadkar. Mit 37 ist er der jüngste – und könnte schon bald wieder Geschichte sein.

Regiert nun die grüne Insel: Irlands neuer Taoiseach Simon Harris Foto: Eamon Ward/dpa

Dublin taz | Irland hat einen neuen Regierungschef: Simon Harris wurde am Dienstag vom Dubliner Parlament zum Taoiseach, wie das Amt auf Irisch heißt, gewählt. Es gab keine Gegenkandidaten. Nachdem sein Vorgänger Leo Varadkar im März überraschend seinen Rücktritt verkündet hatte, bemühte sich Harris umgehend um die Unterstützung der Abgeordneten seiner konservativen Partei Fine Gael – mit Erfolg.

Der Neue steht vor großen Herausforderungen. Die Wohnungskrise und die Probleme im öffentlichen Dienst trüben die Hoffnungen seiner Mitte-rechts-Koalition auf einen Sieg bei den Wahlen, die spätestens im März 2025 stattfinden. Die Landwirte stören sich an zu strengen Umweltvorschriften, während Klimaaktivisten diese als zu lasch beklagen. Das Verhältnis zu London ist nach dem Brexit angespannt, die Lage in Nordirland ist instabil. Rund ein Drittel der Fine-Gael-Abgeordneten tritt lieber zurück, als sich den Wählern zu stellen.

Mit 37 Jahren ist Harris der jüngste irische Premier aller Zeiten, aber neue Ideen sind nicht von ihm zu erwarten. Schon mit 22 vertrat er auf dem Parteitag die orthodoxe Fine-Gael-­Linie zur Förderung von Unternehmen. Und von der Parteilinie zur Körperschaftssteuer, zu ausländischen Direktinvestitionen und zu Steuererleichterungen für die Mittelschicht ist er nie abgewichen. 2011 erklärte er, dass er strikt gegen eine Lockerung des konstitutionellen Abtreibungsverbots sei. Binnen zwei Jahren änderte er seine Meinung. Ein Parteifreund sagte der Irish Times, dass Harris gerne sein Fähnchen in den Wind hänge.

Wirre Sätze in der Pandemie

Lediglich zum Krieg in Gaza hat er eine klare Haltung. Auf dem Parteitag am Wochenende, auf dem Varadkar verabschiedet wurde, erhielt Harris stehende Ovationen, als er sagte, das irische Volk sei „angewidert“ von den Aktionen des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu. „Wer vorsätzlich Menschen verhungern lässt, hat seine Menschlichkeit verloren“, sagte er. Israels Botschafterin war auf dem Parteitag nicht willkommen.

Harris wuchs in Greystones, einem Küstenort südlich von Dublin, als Sohn eines Taxifahrers und einer Sonderschullehrerin auf. Er schrieb mit 13 ein Theaterstück. Nach seinem Schulabschluss studierte er Französisch und Journalismus am Dublin Institute of Technology, brach sein Studium aber 2008 ab. Ein Jahr später wurde er in den Grafschaftsrat von Wicklow und 2011 als jüngstes Mitglied ins Parlament gewählt. Fünf Jahre später wurde er Gesundheitsminister.

In diese Funktion scheiterte er nicht nur dabei, das dysfunktionale Gesundheitssystem zu reformieren, sondern blamierte sich während der Coronapandemie gründlich, als er die Aussicht auf einen Impfstoff mit wirren Sätzen kommentierte. Kurz danach verlor er den Posten und wurde Minister für Forschung und Wissenschaft.

2017 heiratete er die Krankenschwester Caoimhe Wade. Beide haben eine Tochter und einen Sohn. Harris lebt mit der Darmerkrankung Morbus Crohn, betont aber, dass das kaum Auswirkungen auf sein tägliches Leben habe.

Neben den Abgeordneten seiner eigenen Partei wählten ihn am Dienstag auch die Koalitionspartner Fianna Fáil und die Grünen. Die hätten allerdings auch für einen Schimpansen gestimmt, um Neuwahlen zu verhindern, denn alle drei Parteien liegen in Umfragen meilenweit hinter Sinn Féin, dem einstigen politischen Flügel der inzwischen aufgelösten Irisch-Republikanischen Armee (IRA). So dürfte Harris, Stand jetzt, wohl nicht nur als jüngster Taoiseach, sondern auch als derjenige mit der kürzesten Amtszeit in die Geschichte eingehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!