Irland in der Krise: 53 Tonnen Cheddar fürs Volk
Die Märkte haben Irland aufgeben. Und 70 Milliarden Euro wird die Bankenrettung kosten - die sind mit Sparen nicht reinzuholen. Deshalb verteilt die Regierung jetzt Käse.
Irland ist nicht bankrott. Noch nicht. Die Finanzreserven reichen bis Juni 2011, betonte die Regierung am Wochenende. Auf den EU-Rettungsfonds müsse man noch lange nicht zurückgreifen. Auch Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker sagte, die Grüne Insel habe bisher nicht um Hilfe gebeten.
Doch es rumort. Seit September haben Beobachter der Europäischen Zentralbank ein Büro im Dubliner Finanzministerium bezogen. Sie sind dort als "die Deutschen" verschrien, obwohl der Gruppe verschiedene Nationalitäten angehören. Und es gibt längst informelle Gespräche zwischen Brüssel und den europäischen Regierungen über Hilfen. Auf einer Sondersitzung der Finanzminister aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien soll über die EU-Rettungskasse von 750 Milliarden Euro diskutiert werden. Der Notgroschen für Irland könnte rund 80 Milliarden betragen.
Die Märkte haben die Insel aufgegeben und sie in dieselbe Risikogruppe wie die Ukraine und Pakistan eingestuft. Am Donnerstag waren die Zinsen für zehnjährige irische Staatsanleihen auf die Rekordhöhe von neun Prozent gestiegen. Schuld daran, meint die Regierung, sei nicht zuletzt die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Die hatte gefordert, dass private Gläubiger wie Banken und Fonds die Kosten einer Schuldenkrise mittragen müssen. Zwar erklärte sie am Freitag, dass die bisherigen Staatsanleihen nicht betroffen seien - doch diese Klarstellung drückte die Rekordzinsen nur um 0,7 Prozentpunkte.
Schuld an der Krise ist die Verstrickung von Politik, Banken und Bauindustrie. Die Regierung heizte den Bauboom durch Steuervergünstigungen an, die Banken drängten den Immobilienunternehmen billige Kredite auf, die Spekulanten griffen zu. 2008 platzte die Blase. Die Regierung musste den Banken beispringen.
Gemessen an der Einwohnerzahl hat kein Land der Welt zuletzt mehr Geld in seinen Finanzsektor gepumpt als Irland. Gleichzeitig verabschiedete die Regierung Sparpaket auf Sparpaket. Bis 2014 will man das Haushaltsdefizit auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts drücken. Das ist wohl aussichtslos: Zurzeit liegt es bei 32 Prozent.
"Die Ausgabenkürzungen von 15 Milliarden Euro, über die nun beraten wird, sind eine vergebliche Übung", meint Wirtschaftsprofessor Morgan Kelly vom University College Dublin. "Nicht die Staatsverschuldung hat die Zinsen für die Staatsanleihen auf Rekordhöhe getrieben, sondern die Bankenrettung." Diese werde mindestens 70 Milliarden Euro kosten.
Zur Finanzkrise kommt die politische. Wenn Irlands Regierung ihren Sparhaushalt für 2011 am 7. Dezember nicht durch das Parlament bekommt, werden Neuwahlen fällig. Aber auch bei einer Verabschiedung wird die Koalition aus der konservativen Fianna Fáil und den Grünen die Legislaturperiode nicht überstehen. Spätestens im Frühjahr ist die Parlamentsmehrheit verloren, denn in mehreren Wahlkreisen finden Nachwahlen statt - und die sind nicht zu gewinnen.
Daran wird auch der Käse nichts ändern: Nun lässt die Regierung am Montag 53 Tonnen irischen Cheddar ans Volk verteilen, den sie mit EU-Agrarmitteln gekauft hat. Man wolle "den am meisten benachteiligten Bürgern" helfen, sagte Agrarminister Brendan Smith. So mancher fragt sich, ob die Regierenden endgültig den Verstand verloren haben.
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