Irland gegen Deutschland: Achtung! Schweinehund!
Eine ersatzgeschwächte deutsche Mannschaft quält sich in Irland zum 0:0. Dass die EM-Qualifikation nun gesichert ist, verdankt sie dem Versagen der gegnerischen Stürmer.
"Der Kreis hat sich heute geschlossen", stellte der Trainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, Joachim Löw, am Samstag fest. "Im September 2006 sind wir im ersten Spiel gegen Irland mit einem Sieg in die EM-Qualifikation gestartet, und heute haben wir in Dublin alles klargemacht." Nach dem 0:0-Unentschieden gegen Irland im Dubliner Croke Park sind die Deutschen das erste Team, das sich - neben den beiden Gastgebern Österreich und Schweiz - für die Europameisterschaft im nächsten Jahr qualifizieren konnte.
Es war allerdings knapper als erwartet. Deutschland trat - wie von den letzten Spielen bereits gewohnt - wieder einmal mit einer ersatzgeschwächten Mannschaft an, die Iren waren noch stärker von Verletzungen geplagt. Aber sie legten energisch los, weil es um ihre letzte, wenn auch nur mehr sehr theoretische Chance für die Qualifikation ging. Sie dominierten das Spiel - bis auf die letzten zehn Minuten der ersten Halbzeit, als Steve Finnan einen Kopfball von Christoph Metzelder auf der Linie stoppte. Die größeren Chancen aber hatten die Iren. Nur: Arsenals Ersatztorwart Jens Lehmann, der laut Löw eine "tadellose Leistung" bot, machte sie alle zunichte.
Irland: Given (Newcastle United/31 Jahre/83 Länderspiele) - Finnan (FC Liverpool/31/48), O'Brien (Bolton Wanderers/21/2), Dunne (Manchester City/28/39), Kelly (Birmingham City/24/9) - Keogh (Wolverhampton Wanderers/21/4 - 80. McGeady/Celtic Glasgow/21/14), Reid (Charlton Athletic/25/25), Carsley (FC Everton/33/37), Kilbane (Wigan Athletic/30/84 - 90. Murphy/FC Sunderland/24/5) - Doyle (FC Reading/24/13 - 70. Long/FC Reading/20/7), Keane (Tottenham Hotspur/27/76)
Deutschland: Lehmann (FC Arsenal/37/49) - Arne Friedrich (Hertha BSC/28/53), Mertesacker (Werder Bremen/23/36), Metzelder (Real Madrid/26/36), Jansen (Bayern München/21/19) - Fritz (Werder Bremen/26/8), Schweinsteiger (Bayern München/23/46 - 18. Rolfes/Bayer Leverkusen/25/5), Frings (Werder Bremen/30/69), Trochowski (Hamburger SV/23/8 - 90. Castro/Bayer Leverkusen/20/4) - Kuranyi (FC Schalke 04/25/43), Gomez (VfB Stuttgart/22/4 - 64. Podolski/Bayern München/22/41)
Schiedsrichter: Hansson (Schweden) - Zuschauer: 67.500
Gelbe Karten: Carsley, Dunne / Arne Friedrich, Frings, Lehmann
Am Mittwoch beim Spiel gegen Tschechien in München wird Lehmann allerdings fehlen, weil er ohne zwingenden Grund weit aus seinem Tor herausgelaufen war, einen Einwurf für die Iren verursachte und dann in Anbetracht seines leeren Tores den Ball nicht herausrückte. Dafür bekam er die gelbe Karte, und weil es seine zweite im Turnier war, ist er nun gesperrt. Löw, der für Mittwoch flugs Robert Enke von Hannover 96 nachnominierte, befand, die Sperre von Lehmann sei schade, denn der sei am Samstag ein großer Rückhalt gewesen.
Die irischen Stürmer hatten es ihm aber auch ziemlich leicht gemacht. Als es ihnen einmal gelang, die Abseitsfalle zu überlisten, stand Mittelstürmer Robbie Keane allein vor Lehmann. Selten hat ein Stürmer eine solche Chance dermaßen kläglich vergeben: Er lupfte den Ball in Lehmanns Arme. Keane habe einen Abseitspfiff erwartet, erklärte Irlands Trainer Steve Staunton nach dem Spiel: "Das war eine Todsünde." Die Boulevardpresse höhnte gestern, Keane solle statt der "number ten" lieber die "number nein" auf dem Trikot tragen. Vor fünf Jahren bei der Weltmeisterschaft in Japan und Korea hatte er in der Nachspielzeit noch den 1:1-Ausgleich gegen Deutschland erzielt.
Am Samstag lautete die Quizfrage im Croke Park, wer damals sein 100. Länderspiel für Irland absolvierte. In der Halbzeitpause gab es die Auflösung: Es war Steve Staunton, sagte der Stadionsprecher, und die Zuschauer pfiffen den Trainer aus. Er steht erheblich in der Kritik, weil sich seine Mannschaft schon wieder einmal nicht für ein großes Turnier qualifizieren konnte, auch wenn sie gegen die deutsche Mannschaft ihr bestes Spiel seit langem ablieferte.
Staunton hatte bereits vor dem Spiel für einige Verblüffung gesorgt, als er den deutschen Funktionären unterstellte, sie hätten sich über das Dubliner Stadion lustig gemacht: Die Zuschauer seien viel zu weit weg, als dass sie dem Team Auftrieb geben könnten. Die Deutschen bestritten, irgendetwas zu dem Thema gesagt zu haben, und es wäre auch Unsinn. Neben Torwart Shay Given, der am Samstag eher unterbeschäftigt war, gehören lediglich die Zuschauer international zur Spitzenklasse. Sie sorgten für eine großartige Atmosphäre im Croke Park und hätten eigentlich ein erfolgreicheres Team verdient. Das Stadion, das sonst den traditionellen irischen Sportarten vorbehalten ist, verfügt jetzt über 67.500 Sitzplätze, und die waren am Samstag auch gefüllt.
Bei den Stadionsprechern ließe sich allerdings einiges verbessern. Als Sebastian Schweinsteiger nach einem Zusammenprall mit Kevin Kilbane gleich zu Beginn den Platz verlassen musste, tönte es aus dem Lautsprecher: "Westdeutschland wechselt aus " Und kurz vor Schluss wurde der Busfahrer der deutschen Mannschaft auf Deutsch mit dem bellenden Befehl zu seinem Arbeitsgerät gerufen: "Achtung!" Die irischen Zuschauer konnten es kaum glauben, klang der Sprecher doch wie die deutschen Offiziere in englischen Spielfilmen über den Zweiten Weltkrieg. Es fehlte lediglich der Zusatz: "Schweinehund!" Aber der saß nach Meinung der Zuschauer ja auf der irischen Trainerbank.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“