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„Irish Folk“ forever and ever

■ Mehr als tausend BremerInnen strömten am Donnerstag in die Glocke, um das bundesdeutsche Revival des „Irish Folk“ mitzuerleben / Am meisten dem Wiedererkennen des Bekannten applaudiert

Die anfänglichen Befürchtungen wegen des schleppenden Vorverkaufs bestätigten sich nicht: Mehr als tausend Menschen waren am Donnerstag abend in die „Glocke“ gekommen, um sich nach zehnjähriger Unterbrechung anzuhören, was die irische Folk-Szene anno 1988 zu bieten hat. Und da der Publikumszuspruch die Erwartungen übertroffen hatte (in Süddeutschland sollen machmal mehr als 2.000 Besucher gekommen sein), konnten die Veranstalter bereits drei Tage vor Beendigung der Tour zufriedene Mienen aufsetzen.

Wie aber stehts nun um den Irish Folk von heute? Und wie kommen die mit ihm zurecht, deren Bild von dieser Musik wohl eindeutig aus dem 70er Jahren stammt? Schwierig zu beantworten, denn so uneinheitlich wie die gebotene Musik waren auch die Reaktionen im Auditorium.

Im insgesamt dreistündigen Programm prallten Gegensätze aufeinander, wie sie deutlicher nicht sein können: Am Anfang der 73jährige Bauer Micho Russel als Archetyp des irischen Dorfmusikers, der sich auf einer Konzertbühne ungefähr so wohl fühlt wie ein Fisch auf dem Lande. Am Ende die Pipes eines Davy Spillane im Kontext einer Rockband

-für einen nicht geringen Teil im Bremer Publikum wohl unvereinbar mit den Erwartungen und deshalb auch Grund genug, das Konzert vorzeitig zu verlassen. Dazwischen die schmalztriefenden Songs eines Manus Lunny, virtuos gespielte Instrumentals vom Duo Martin & Gerry O'Connor und die Lieder von Dolores Keane & John Faulkner.

Aber bleiben wir bei den Gegensätzen: Am meisten Sympathie empfand ich mit Unikum Micho, vielleicht gerade weil er mit mancherlei Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. „Sometimes the flute doesn't play to well with me!“ bemerkte er trocken nach seinem Eingangsstück. Aber ob mit seiner rauhen, urwüchsigen Stimme, mit Tin Whistle oder Flöte: Er verkörpert eben die reale, will heißen: nicht artifizielle Seite einer Musik, die eine lebendige Tradition des Volkes ist. Sein Vortrag hatte etwas Menschliches an sich, eine Qualität, die hinter den professionell-virtuosen Vorträgen seiner Kollegen oft verlorenzugehen droht.

Die Davy Spillane Band lieferte das andere Extrem: Folkloristische Muster im Gewand der Neuzeit, eingebunden in Rockmusik und schon allein dadurch für viele überfordernd. Vor allem aber im

Rahmen der „Glocke“ steril: Weil man wohl die Mehrheit des Publikums nicht über Gebühr strapazieren wollte, hatte man die Lautstärke deutlich gedrosselt. Mit dem Effekt, daß genau das verloren ging, was diese Fusion spannend machen kann: Druck, Drive, Power.

Die Reaktionen des Publikum gerieten immer dann emphatisch, wenn das Wiedererkennen des Bekannten gelang. Und sie waren immer dann zurückhaltend, wenn das eigene Bild ins Wanken geriet. Dabei wurde nichts wirklich Aufregendes geboten: der „Irish Folk“ von heute klingt nicht grundsätzlich anders als eh und jeh. Noch poinierter: Fast all das, was man am Donnerstag abend zu hören bekam, war ein Aufguß dessen, was seit nunmehr fast zwanzig Jahren auf Platten oder Konzertbühnen angeboten wird - das Extrem, das schon fast an Unverschämtheit grenzte, bot die hochgelobte Dolores Keane, deren Repertoire fast ausschließlich aus den alten Stücken bestand.

Keine Offenbarung also, diese Neuauflage des „Irish Folk Festivals“. Aber die Musiker wollen ja schließlich leben. Und das deutsche Publikum scheint nach wie vor zu den treuesten Kunden zu gehören.

JüS

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