Iren stimmen für Oberhaus: Doch nicht sparen
Laut Umfragen wollten zwei Drittel der Iren den Senat abschaffen. In einem Referendum entschieden sie sich jedoch knapp für den Erhalt der machtlosen Kammer.
DUBLIN afp | Die Iren haben in einem Referendum mit knapper Mehrheit gegen die von der Regierung befürwortete Abschaffung des Senats gestimmt. Laut dem am Samstag bekanntgegebenen amtlichen Ergebnis sprachen sich 51,7 Prozent der Wähler dafür aus, das weitgehend machtlose Oberhaus beizubehalten, 48,3 Prozent stimmten für die Abschaffung. Der konservative Premierminister Enda Kenny hatte das Aus der Seanad Éireann genannten Institution im Wahlkampf versprochen.
Für die Koalitionsregierung bedeutet das überraschende Abstimmungsergebnis eine herbe Niederlage. "Das ist ein schwerer Rückschlag", sagte Verkehrsminister Leo Varadkar dem Fernsehsender RTE. Die Umfragen hatten in den vergangenen Wochen einen Erfolg für den Vorstoß des Regierungschefs vermuten lassen. Die Beteiligung an dem Referendum, das am Freitag abgehalten wurde, lag bei knapp 40 Prozent.
Kenny hatte die geplante Abschaffung des Seanad Éireann damit begründet, dass dieses das überschuldete Irland jährlich 20 Millionen Euro koste. Außerdem sei das Oberhaus machtlos und nicht demokratisch. Es habe sich nie in die irische Politik eingeschaltet, wie es seine Pflicht gewesen wäre.
Anhänger des Senats warfen Kennys Partei Fine Gael hingegen vor, unter dem Deckmantel des Sparens ihre Macht festigen zu wollen. Die Abschaffung der Kammer würde das Land auf unbekanntes Terrain führen, ohne dass die Konsequenzen abzusehen wären, sagte die unabhängige Senatorin Katherine Zappone. Der Seanad Éireann war erstmals 1936 abgeschafft, nur ein Jahr später mit einer neuen Verfassung aber wieder eingerichtet worden. Die meisten der 60 Mitglieder werden von örtlichen Kollegien aus Politikern und Wissenschaftlern gewählt. Das wichtigste Machtmittel besteht darin, ein vom Unterhaus verabschiedetes Gesetz für 90 Tage aufhalten zu können. In den vergangenen 75 Jahren wurde davon nur zwei Mal Gebrauch gemacht.
Um eine schwere Wirtschaftskrise zu überwinden, hatte die irische Regierung im Herbst 2010 ein 85 Milliarden Euro umfassendes Hilfspaket mit EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) vereinbart. Im Gegenzug verpflichtete sich das Land zu einem strikten Sparkurs. Bis zum Ende des Jahres will Irland den Euro-Rettungsschirm verlassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
NGO über den Machtwechsel in Syrien
„Wir wissen nicht, was nach dem Diktator kommt“
Sturz des Syrien-Regimes
Dank an Netanjahu?
Unterstützerin von Gisèle Pelicot
„Für mich sind diese Männer keine Menschen mehr“
Schwarz-Grün als Option nach der Wahl
Söder, sei still!
Abschiebungen syrischer Geflüchteter
Autokorsos und Abschiebefantasien
Trump und Selenskyj zu Gast bei Macron
Wo ist Olaf?