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Irans Wahl-Proteste nicht von Ausland gesteuertChamenei vollzieht Wende

Irans oberster geistlicher Führer Chamenei gesteht plötzlich ein, dass er nicht beweisen kann, dass das Ausland die Proteste gesteuert habe und will die die brutalen Basidschi-Milizen bestrafen.

Was die Kehrtwende für Konsequenzen haben wird ist ungewiss. Bild: dpa

Irans Revolutionsführer Ali Chamenei hat am Mittwoch bei einem Treffen mit Studenten in Teheran eine Kehrtwende vollzogen, die nicht nur im Iran, sondern auch im Ausland mit Erstaunen registriert wurde. Die Proteste der vergangenen Wochen gegen die umstrittene Präsidentenwahl von 12. Juni seien nicht vom Ausland gesteuert gewesen und die Führer der Opposition hätten nicht mit ausländischen Geheimdiensten zusammengearbeitet. Dafür habe er keinerlei Beweise, sagte Chamenei.

Diese neue Position des Revolutionsführers ist umso erstaunlicher, als er es selbst war, der in seinen bisherigen Reden die Wahlen als völlig korrekt und die Proteste danach als Verschwörung des Auslands, insbesondere des britischen und amerikanischen Geheimdienstes, bezeichnet hatte. Zudem sind die derzeit laufenden Schauprozesse einzig darauf ausgerichtet, den Nachweis zu erbringen, dass das Ausland bei den Unruhen die Hand mit Spiel hatte.

Sämtliche Geständnisse, die offensichtlich durch Folter erzwungen wurden, bekunden eine enge Zusammenarbeit der Hauptakteure bei den Unruhen mit ausländischen Geheimdiensten. Prominente Politiker, die Jahrzehnt lang den Staat gelenkt haben, treten im Gericht auf, und bezichtigen sich selbst des Verrats nationaler Interesse. Die gesamte rechte Presse ruft verstärkt nach harter Bestrafung der angeblichen Kollaborateure und fragt, warum die Oppositionsführer Mir Hossein Mussavi, Mehdi Karrubi und Mohammad Chatami nicht längst festgenommen worden seien.

Und nun diese Position Chameneis, die diese gesamte koordinierte Kampagne in Frage stellt. Damit nicht genug. Der Revolutionsführer wagte noch einen großen Schritt nach vorn. Er forderte sogar die harte Bestrafung der Basidschi-Milizen und Ordnungskräfte, die Demonstranten brutal behandelt hätten.

Er schätze die Arbeit der Milizen bei den Protesten, sagte Chamenei. Das bedeute aber nicht, dass "bestimmte Verbrechen" nicht untersucht und geahndet würden. Dabei verwies er ausdrücklich auf die Überfälle auf Studentenheime und auf die Vorgänge in dem berüchtigten Kahrisak-Gefängnis in Teheran. Auch dürfe man die wegen der Proteste Angeklagten nicht aufgrund von Gerüchten und Vermutungen aburteilen. "Die Justiz kann Urteile ausschließlich auf der Basis von soliden Beweisen sprechen", erklärte der Revolutionsführer.

Für die unerwartete Kehrtwende gibt es zwei Erklärungen. Zunächst ist es anzunehmen, dass auch Chamenei sich darüber bewusst ist, wie sehr die Nachrichten über Folterungen und Morde in den Gefängnissen, die Schauprozesse, bei denen prominente Politiker vom Folter gezeichnet Geständnisse ablegen und das brutale Vorgehen der Polizei und Milizen gegen Demonstranten im In- und Ausland dem Ansehen des Regimes geschadet haben. Selbst die treuesten Anhänger des Revolutionsführers und des Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad werden sich fragen, wie ein so menschenverachtenden Gebaren gegen das eigene Volk mit dem Anspruch des Regimes auf den Islam, auf Moral und Humanität in Einklang zu bringen sei.

Zweitens scheint Chamenei endlich eingesehen zu haben, dass er mit der uneingeschränkten Parteinahme für Ahmadinedschad seine eigene Macht und Position als über alle Parteien erhabene Instanz zunehmend untergräbt. Er verliert die Unterstützung des Klerus und eines großen Teil des staatlichen Establishments. Auch Millionen Gläubige, die ihn bislang zugejubelt haben, werden sich von ihm abwenden.

Dabei ist der Weg, den Ahmadinedschad und seine militärischen Anhänger bei den Revolutionswächtern seit geraumer Zeit eingeschlagen haben, ohnehin nicht zu Chameneis Gunsten. Denn Ahmadinedschad strebt einen islamischen Staat ohne den Klerus an, was bedeutet, dass er sich eines Tages auch gegen Chamenei stellen wird. Was die nun erfolgte Kehrtwende für Konsequenzen haben wird, werden die nächsten Wochen zeigen.

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7 Kommentare

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  • MB
    mehrdad beiramzadeh

    mir macht die entwicklung im iran angst.

     

    alles spricht dafür, dass eine unmenschliche religiöse, islamofaschistische diktatur des klerus durch eine militärische, islamofaschistische diktatur einer schitischen hardcoresekte ohne den klerus abgelöst wird.

     

    ahmadinejad und seine revulotionsgarden-clique gehören fast alle einer sekte innerhalb des schitentums an. während die schiten die ankunft mehdis erwarten, sind die anhänger dieser sekte der meinung, dass man alles tun muss, um die ankunft mehdis vorranzutreiben und zu beschleunigen.

     

    die brüder glauben wirklich das, was sie von sich geben. wenn ein ahmadinejad z.b. sagt, er hätte bei seine rede vor der UN eine vision samt heiligenschein und aura gehabt, dann lacht man im westen, aber der typ glaubt wirklich, dass es dies erlebt hat.

     

    und solche typen finanzieren provozierend terror gegen einen atommacht (israel) und streben ganz klar nach atomwaffen und trägersysteme mit grosse reichweite.

     

    da kann einem wirklich angst und bange werden.

  • N
    noevil

    Meiner Ansicht nach zeigt sich hier eine Mischung aus Starrsinn und aufdämmerndem Opportunismus, der geboren ist aus der Erkenntnis, in einer politisch brisanten Sackgasse gelandet zu sein.

     

    Ich befürchte, die Revolution beginnt, ihre Kinder zu fressen und die, die dann nach oben gespült werden, müssen damit rechnen, die Nächsten zu sein.

     

    Beten wir, dass das Schicksal auch einmal Vernunft walten lässt und das iranische Volk nicht mehr länger so geschunden wird.

  • AS
    Ali Sagharian

    Wieso Kehrtwende? Er hat doch von Anbeginn den Sturm auf den Campus verurteilt und das Gefängnis Kahrizak veranlasst zu schließen. Schon Wochen zuvor sagte er, dass die Missetäter in den Gefängnissen zur Rechenschaft gezogen werden müssen und von Anbeginn machte er einen Unterschied zwischen den Demonstranten bzw. "die Randalierer" und die Kandidaten. Ich verstehe den westlichen Journalismus wirklich nicht, wie selektiv ist es erlaubt mit Informationen umzugehen?

    PS: Keiner der Angeklagten gab explizit zu mit dem Ausland kollaboriert zu haben, wieso zitiert man hier ausgerechnet die ultrakonservative Interpretation der iranischen Presse? Sogar Abtahi gab das nicht zu, alle sagen nur, man könnte in Anbetracht etlicher Faktoren auf so eine Annahme kommen, jedoch war es nie unsere Absicht noch können wir eine Absicht anderer sehen, es kann nämlich eine Reihe von Zufällen sein, die so ein Bild geben. Vermutlich lebt die westliche Presse nur von Sensationen und nicht von nüchterne Tatsachen.

  • D
    Diether

    Durch die schnell erkennbaren inneren Widerstände in hochstehenden Kreisen gegen die Verfolgung der Protestierenden nach den letzen Wahlen ist schon klar geworden, dass hinter den Kulissen im Iran nicht mehr nur eine Front geschlossen hinter der Staatsführung steht. Was da genau abläuft, kann eventuell in der Richtung gehen, die meine Vorposter geäußert haben. Für mich ist es jedenfalls ein Hoffnungsschimmer, dass es für den Iran eine langsame Liberalisierung bedeutet, die entweder fortschreiten kann oder durch besonders harte Reaktionen der Gegenseite unterdrückt wird. Die Nachrichten der nächsten Wochen und Monate werden darüber Aufschluss geben und zeigen, dass jedes (Gewalt-)Regime vergänglich ist.

  • K
    Karu

    Rechtschreibung: Sechs! Setzen!

  • M
    Me.

    *Amir Taheri,Chefredakteur(1972 bis 1979) der größten iranischen Tageszeitung Kayhan unter Schah Mohammad Reza Pahlavi,Nahost-Korrespondent der Sunday Times,etc.etc.

     

    Kolumnist New York Times, CNN, etc.etc. The Times,Spiegel,Die Welt,Focus, National Review und New York Post...

     

    *hat vor ca. sechs Wochen in der Asharq al-Awsat einen Artikel mit der Headline "the real Loosers in Iran" geschrieben in dem er glaubte folgendes verorten zu können:

     

    "Das Ahmadinedschad vor habe die Ayatollahs nicht nur von der Macht auszuschließen,sondern das Ahmadinejad einen Plan haben könnte um eine große Anzahl Privater Unternehmen und Vermögen von den Mullahs die sich in den Verwirrungun um den Sturz des Schah bereichert haben, in das öffentliche Eigentum zurückzuführen."

    ferner führt Taheri aus:

     

    "Experten in Teheran sagen, dass dies den größten Transfer von Reichtum von einer sozialen Gruppe zu einer anderen in der zeitgenössischen Geschichte des Iran sei. Hunderte von wohlhabenden Mullahs würden plötzlich um die wirtschaftlichen Macht "erleichtert" die sie sich über Jahrzehnte angehäuft haben."

     

    und er sagte: "Für viele Iraner, sind die ultimativen Verlierer in der aktuellen Krise der schiitische Klerus, der offenbar verwirrt, geteilt und in zunehmendem Maße isoliert ist."

    http://www.asharq-e.com/news.asp?section=2&id=17441

     

    Und die AG Friedensforschung der Uni-Kassel zitiert – Bahman Nirumand – in der Schweizer Wochenzeitung WOZ vom 6. August 2009

     

    "Irans Schauprozesse: Ahmadinedschads leise Revolution"

    (…)

     

    “Während der Kampf zwischen diesen beiden Lagern schon seit Jahren geführt wird, schält sich seit Ahmadinedschads Amtsübernahme immer deutlicher eine neue Richtung heraus. Sie strebt einen islamischen Staat ohne den Klerus an, vor allem aber ohne die traditionell orientierten Ayatollahs. Die Idee geht auf den Religionsphilosophen – Ali Schariati – zurück, der in den siebziger Jahren grosse Popularität genoss.”

    (….)

    Jean-Paul Sartre meinte mal: “I have no religion, but if I were to choose one, it would be that of Shariati’s.”

    http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Iran/nirumand7.html

     

    Gründe genug für Chamenei den Kurs zu wechseln, wenn man den Einschätzungen Taheris Glauben schenken darf, dann geht's für Ayatollah Chamene'i nicht nur um seine Stellung sondern auch um einen guten Teil seines Vermögens.

    Wir werden sehen wer noch alles auf den Zug aufspringt.

     

    grüsse

  • KD
    kenner der szene

    " ... und will die die brutalen Basidschi-Milizen bestrafen."

    Die Taqiyya (arabisch ‏تقية‎, DMG taqīya, „Furcht, Vorsicht“) bezeichnet im Islam die Erlaubnis, bei Zwang oder Gefahr für Leib und Besitz rituelle Pflichten zu missachten und den eigenen Glauben zu verheimlichen. Oder einfach lügen, wenn die Existenz von Bedrohungen gefährdet ist.

    "Al-Bukhari und Muslim zitierten von Umm Kulthum: 'Ich habe Allahs Propheten, Muhammad, sagen hören: Ein Lügner ist nicht derjenige, der lügt, um Menschen miteinander zu versöhnen. Er sagt was Gutes und er beabsichtigt etwas Gutes.' Ziada sagte: 'Er (Muhammad) hat das Lügen nur in drei Fällen erlaubt: Im Krieg, zur Versöhnung der Menschen und in der Rede seiner Frau mit ihrem Ehemann oder in der Rede des Ehemannes mit seiner Ehefrau."

     

    Was Khamenei also hier macht, ist nichts anderes als taktisch die Gegenseite Irre führen zu wollen.

     

    "Einige (muslimische) Rechtsgelehrte sind der Meinung, das Lügen sei nur in drei festgelegten Fällen erlaubt: Der Krieg ist eine strategische Handlung, bei der man lügen darf, um sein Ziel zu erreichen. Wer die Menschen miteinander versöhnen möchte, darf dies durch Lügen anstreben. Die Ehefrau oder der Ehemann sagen zueinander: 'Ich liebe dich,' obwohl die Wahrheit anders aussehen kann."

     

    Also auf ein Neues, ja, die IR will nur Freiden auf Erden und natürlich auch die Kernenergie nur dafür, damit weniger Stromausfälle in dörflichen Gebieten des Landes gibt.

    So ich gehe jetzt lieber beten!