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Irans Regierung wackeltAhmadinedschad ist seinen Vize los

Die konservativen Kleriker haben den Staatschef gezwungen, die Ernennung von Rahim Maschaie zu widerrufen. Der war ihnen zu "israelfreundlich". Deutsche Politiker fordern schärfere EU-Sanktionen.

Irans Präsident Ahmadinedschad mit seinem Stellvertreter Esfandiar Rahim Maschaie, der dem Klerus ncht anti-israelisch und anti-amerikanisch genug war. Bild: ap

TEHERAN/BERLIN afp | Im Machtkampf im Iran hat der konservative Staatschef Mahmud Ahmadinedschad nach heftiger Kritik aus den eigenen Reihen eine Niederlage erlitten. Der erst zwei Tage zuvor von Ahmadinedschad als erster Vize-Präsident ernannte Esfandiar Rahim Maschaie erklärte am Sonntag seinen Rücktritt. Nach den erneuten Massenprotesten im Iran forderten deutsche Politiker schärfere EU-Sanktionen gegen Teheran.

Wie der englischsprachige staatliche Fernsehsender Press-TV unter Berufung auf die vom Erziehungsministerium finanzierte Nachrichtenagentur Pana berichtete, trat Maschaie von seinem Posten als erster Vize-Präsident zurück. Weitere Angaben zu dem Vorgang machte der Sender nicht. Maschaies Berufung am Freitag hatte heftige Kritik unter konservativen Hardlinern ausgelöst.

Aus Respekt vor dem Volk müsse Ahmadinedschad die Ernennung rückgängig machen, forderte etwa der vom oberstem geistlichen Führer Ajatollah Ali Chamenei ernannte Herausgeber der Zeitung Kaihan, Hossein Schariatmadari. Die Tageszeitung Etemad Melli zitierte den konservativen Geistlichen Ahmed Chatami mit den Worten, die Ernennung Maschaies sei eine "Missachtung" der Mitglieder des Parlaments und der Expertenversammlung.

Maschaie hatte vor einem Jahr erklärt, der Iran sei "ein Freund des israelischen Volkes" und in den USA lebe "eines der besten Völker der Welt". Maschaie gilt als enger Vertrauter Ahmadinedschads, seine Tochter ist mit dem Sohn des Präsidenten verheiratet. Seine Ernennung ging der Neubildung der iranischen Regierung voraus, die für den kommenden Monat erwartet wird.

Aus dem konservativen Lager im Iran kam zudem heftige Kritik an der Predigt von Ex-Präsident Ali Haschemi Rafsandschani. Bei dem Freitagsgebet hatte Rafsandschani die iranische Führung kritisiert und die Freilassung hunderter politischer Gefangener gefordert. Nach dem Gebet waren die Massenproteste der Opposition wieder aufgeflammt.

Ein Mitglied des einflussreichen Wächterrats, Ayatollah Mohammed Jasdi, sagte laut Nachrichtenagentur Isna, die Regierung sei von Gott, nicht vom Volk legitimiert. Rafsandschani habe "diesen wichtigen islamischen Punkt ignoriert". Der frühere Staatschef habe "unlogische und unbegründete Anschuldigungen" zum Wahlablauf geäußert, hieß es in einem "Kaihan"-Artikel von Samstag. Wenn das Volk Zweifel hege, "dann bezüglich des Ursprungs der Krawallmacher und (denen) hinter den Unruhen".

Die iranische Anwältin Schirin Ebadi sagte dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel, die erneuten Proteste in Teheran seien "nicht nur für Iran, sondern für die ganze islamische Welt" ein "historisches Ereignis". Die Friedensnobelpreisträgerin begrüßte die Predigt Rafsandschanis.

Nach den erneuten Protesten im Iran forderten deutsche Politiker schärfere EU-Sanktionen gegen Teheran. Verantwortliche für Gewalt gegen Demonstranten sollten keine Visa mehr erhalten, sagte der CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz dem Tagesspiegel am Sonntag. Auch der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich sprach sich in der Zeitung für gezielte EU-Sanktionen gegen Schlüsselfiguren des iranischen Sicherheitsapparats aus.

Der neue Chef des iranische Atomprogramms, Ali Akbar Salehi, forderte unterdessen den Westen auf, das umstrittene Atomdossier zu den Akten zu legen. Die "rechtlichen und technischen Diskussionen" über Irans Atomprogramm seien "beendet".

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2 Kommentare

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  • MB
    mehrdad beiramzadeh

    im iran lebten vor der islamischen machtergreifung 150.000 juden.

     

    heute sind es kaum 20.000, darunter sehr viele ältere leute.

     

    bin gespannt, was den modernen antisemiten, die sich "israelkritiker" nennen zu verteidigung der mullah-diktatur noch alles einfällt, wenn die jüdische gemeinde irans langsam aber sicher wegstirbt.

  • S
    schnipp-schnapp

    Aus "Maschaie hatte vor einem Jahr erklärt, der Iran sei 'ein Freund des israelischen Volkes' ..." wird in der taz: "Rahim Maschaie ... war ihnen zu 'israelfreundlich'".

     

    Dazu ist festzustellen, dass der Iran nach meinem wissen die grösste jüdische Gemeinde in der muslimischen Welt beherbergt.

     

    Gleichzeitig ist es der sich als 'jüdisch' bezeichnende Staat Israel, der das in seiner Macht stehende unternimmt, um den Westen - insbesondere seine Schutzmacht - zu einem Überfall auf den Iran zu bewegen, bzw. die Rückendeckung dafür zu bekommen.

     

    Beide Sachverhalte lassen es als äusserst unwahrscheinlich erscheinen, dass Maschaie mit dem "israelischen Volk" den israelischen Staat meint. Und daher ist ebenso wenig wahrscheinlich, dass er wegen seiner 'Israelfreundlichkeit' geschasst wurde.

     

    Mir scheint vielmehr, dass die taz mit dieser Konstruktion wieder einmal den Opfer-Mythos des israelischen Staats zu bestätigen sucht, die Voraussetzung für die seit über 40 Jahren andauernde Geisterfahrt dieses Staates in Menschenrechts-, Völkerrechts- und verwandten Rechtsfragen.