■ Iraner dürfen private Banken eröffnen: Wenn das Chomeini wüßte ...
Der Satan hält Einzug in die „Islamische Republik“ – mit praller Brieftasche: Im Iran dürfen private Banken gegründet werden. Der verstorbene Ajatollah Chomeini hätte das zu verhindern gewußt. Die Neuerung steht in einer Reihe wirtschaftlicher Liberalisierungsmaßnahmen. Seit der Hodschatolislam an der Macht ist, gehen ausländischen Investoren ihre Profite nicht mehr durch Phantasiewechselkurse flöten, Joint-ventures müssen nicht mehr zu über 50 Prozent in iranischer Hand sein und sogar ein US-Unternehmen darf seine braune Brause in mehreren iranischen Städten abfüllen.
Die wirtschaftliche Öffnung erfolgt aus purer Not. Acht Jahre Krieg gegen Irak und Experimente mit einer „Islamischen Wirtschaft“ haben den Iran ruiniert. Dennoch wird der jüngste Schritt unter Chomeini- treuen Klerikern zum Aufschrei führen, denn er rüttelt an den Grundfesten der iranischen Theokratie. Die Frage, ob Muslime zu Bankern werden dürfen, ist umstritten, der Koran verbietet die Zinswirtschaft.
Die privaten Banken sollen ausländische Investoren locken. Die besten Kontakte nach Teheran unterhalten US-amerikanische und deutsche Geschäftsleute. Die Bundesrepublik ist Irans zweitgrößter Wirtschaftspartner, unter den Gläubigern ist sie Nummer eins. 4,2 Milliarden D-Mark iranische Außenstände verzeichnet man in Bonn.
Diese Umstände hatte Salman Rushdie im Kopf, als er im Dezember in Bonn erklärte, der Schlüssel zur Beendigung des iranischen Terrors gegen ihn liege „in Deutschland“. Die Bundesregierung verfüge zur „Lösung des Problems über mehr Macht als jedes andere Land der Welt“. Daß sie diese Macht auch einzusetzen verstehen, zeigten Kohl und Co. dieser Tage. Nachdem Irans Außenminister Welajati mit dem Kanzler, dem Wirtschafts- und dem Außenminister verhandelt hatte, amnestierte die iranische Führung den zum Tode verurteilten Deutschen Helmut Szimkus. Der Gnadenakt hätte einen geeigneten Anlaß geboten, als Bedingung für wirtschaftliche Kulanz die Rücknahme des Mordaufrufs gegen Rushdie zu fordern. Doch in den Bonner Stellungnahmen tauchte Rushdies Name nicht auf. Statt dessen setzen Bonner Diplomaten auf einen „kritischen Dialog“. Die Fatwa gegen Rushdie sei vom Gründer der „Islamischen Republik“ persönlich ausgesprochen worden, daher nur schwer ad acta zu legen, heißt es verständnisvoll. Doch die Zulassung privater Banken zeigt, daß die iranische Führung bereit ist, auch die Fundamente des eigenen Staates in Frage zu stellen, wenn der Druck nur groß genug ist. Mag sich Chomeini auch dabei im Grab umdrehen. Thomas Dreger
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