Iran sagt Buchmessen-Teilnahme ab: Mullahs verordnen Kulturboykott
Iranische Verleger werden der Frankfurter Buchmesse fernbleiben. Der britisch-indische Schriftsteller Salman Rushdie tritt als Gastredner auf.
Konkreter Grund der jetzigen Absage der Islamischen Republik Iran an die Frankfurter Buchmesse ist allein die Anwesenheit Salman Rushdies.
Der britisch-indische Schriftsteller Salman Rushdie sei wegen seiner den „Islam beleidigenden Bücher“ in der islamischen Welt verhasst, teilte das Kultusministerium in einer von iranischen Medien am Donnerstag veröffentlichten Presseerklärung mit. Auch sein neuer Roman „Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte“ richte sich gegen islamische Werte und Überzeugungen, so das iranische Kultusministerium.
Offenbar sieht man sich in Teheran auch kulturell keineswegs nur als Regionalmacht, sondern hegt global hegemoniale Ansprüche. Schließlich ist man zur Zeit in Syrien mit eigenen Bodentruppen zur Unterstützung Assads unterwegs und hat dem Westen gerade ein Atomabkommen abgerungen, das den Mullahstaat in einigen Jahren in den Stand einer Atommacht versetzen dürfte.
Rushdie ist als „Keynote-Speaker“ bei der Auftakt-Pressekonferenz der Buchmesse am 13. Oktober angekündigt. Der indisch-britische Autor und Booker-Preisträger war 1989 mit einer „Fatwa“ belegt worden. Militante Islamisten hatten seinen Roman „Die satanischen Verse“ als gotteslästerlich gegeiselt und zur Ermordung des 1947 in Bombay geborenen Autors aufgerufen.
Sieg des magischen Realismus
Irans Revolutionsführer und oberster schiitischer Geistlicher Ayatollah Khomeini hat die weltweit gültige Fatwa 1989 ausgesprochen, die halbstaatliche iranische Stiftung Chordat zunächst ein Kopfgeld von einer Million US-Dollar auf die Ermordung Rushdies ausgesetzt.
In der Phase der reformorientierten Regierung unter dem Theologen Mohammed Chatami wurde die Fatwa rhetorisch abgemildert. Chatami sagte, laut Islam stehe auf Gotteslästerung zwar die Todesstrafe, aber Iran werde sie nicht ausführen. Doch halten die geistlichen Führer des Irans unter Khomeini-Nachfolger Ali Chamenei bis heute an der Fatwa fest. Chameini ist die oberste geistliche Autorität des Schiitenstaates, zugleich auch Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der iranischen Streitkräfte.
„Seine Biographie und sein literarisches Werk verleihen ihm eine gewichtige Stimme in der weltweiten Diskussion über Meinungsfreiheit im Publizieren“, hat Buchmessen-Direktor Juergen Boos die Einladung an Rushdie begründet.
Meinungsfreiheit ist im Jahr des Attentats auf die Redaktion von „Charlie-Hebdo“ eines der Schwerpunktthemen der Buchmesse 2015. Nun hat die Literatur eines einzelnen den Iran samt Länderstand und sieben mehr oder weniger unabhängigen Ausstellern in die Flucht geschlagen. Wenn dies kein Sieg des magischen Realismus ist. (Mit Material von dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Selenskyj bringt Nato-Schutz für Teil der Ukraine ins Gespräch
Parteitag der CDU im Hochsauerlandkreis
Der Merz im Schafspelz