Iran kämpft mit Inflation und Arbeitslosigkeit: Ahmadinedschad verliert Rückhalt
Der iranische Präsident bringt mit seiner Politik selbst konservative Anhänger gegen sich auf. Das Volk leidet unter der steigenden Inflation und Arbeitslosigkeit.
BERLIN taz Trotz rapide steigender Einnahmen auf dem Ölmarkt geht es den Menschen im Iran wirtschaftlich zunehmend schlechter. Denn die Regierung von Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat seit ihrer Amtsübernahme 2005 viel Unheil angerichtet. Entgegen dem Versprechen, sich in den Dienst der verarmten Massen zu stellen und die hohen Einnahmen endlich dem Volk zugutekommen zu lassen, haben Ahmadinedschad und seine islamistischen Weggefährten die iranische Wirtschaft in eine tiefe Krise geführt. Die Preise für Lebensmittel und Konsumgüter steigen ständig, die Inflationsrate hat inzwischen die 20-Prozent-Marke überschritten, die Arbeitslosigkeit, insbesondere unter Jugendlichen, hat kontinuierlich zugenommen.
Iran, der viertgrößte Öl- und zweitgrößte Gasproduzent der Welt, muss wegen Mangel an Investitionen rund 40 Prozent seines Benzinbedarfs aus den Golfstaaten importieren. Seit fast einem Jahr ist das Benzin im Iran rationiert. Die sprunghaft gestiegenen Öleinnahmen kommen weiterhin nahezu ausschließlich einer korrupten Minderheit zugute.
Auch die politische Repression hat im Vergleich zu der Ära des Reformers Mohammad Chatami stark zugenommen. Die häufigen Hinrichtungen, die Wiederaufnahme von Steinigungen, die Verfolgung von Andersdenkenden, insbesondere von Frauen, die um Gleichberechtigung kämpfen, und nicht zuletzt die Verschärfung der Zensur haben viel Unmut selbst bei jenen ausgelöst, die einst den Präsidenten gewählt hatten. Zahlreiche Studenten, Gewerkschafter und Journalisten sitzen im Gefängnis.
Auffallend ist auch die zunehmende Militarisierung des Staatsapparats. Nach seiner Amtsübernahme hat Ahmadinedschad sämtliche Schlüsselpositionen mit Mitgliedern der Revolutionsgarden und Geheimdienste besetzt und zahlreiche gut ausgebildete Technokraten in den Ruhestand geschickt. Das Ergebnis sind ein auffälliger Dilettantismus und die Unfähigkeit der Regierung, die akuten wirtschaftlichen und sozialen Probleme des Landes zu lösen.
Ein weiterer Grund für die um sich greifende Unzufriedenheit ist die Außenpolitik. Für viele Iraner ist nicht einsichtig, warum Teheran zum Beispiel an Nicaragua Entwicklungshilfe leistet, die Hisbollah und die Hamas finanziell und militärisch unterstützt oder, wie vor kurzem, eine Milliarde Dollar Kredit für den Aufbau im Irak zur Verfügung stellt, sich aber so wenig um Hilfsbedürftige im eigenen Land kümmert. Auch die radikale Position in der Atompolitik und die Attacken gegen Israel lassen die Kritik, selbst unter den Konservativen, immer lauter werden. Der ehemalige Verhandlungsführer im Atomkonflikt, Hassan Rohani, warf Ahmadinedschad vor, das Land unnötig Gefahren ausgesetzt zu haben. "Besteht Außenpolitik darin, Grobheiten herauszuposaunen?", fragte er. "Sicher, wir wollen, dass die Welt uns versteht, aber das erreichen wir nicht dadurch, dass wir herumschreien und herumpoltern", sagte Rohani und forderte den Präsidenten auf, gemäßigter aufzutreten und sich auf Kompromisse einzulassen. Politische Beobachter gehen davon aus, dass sich der Unmut über Ahmadinedschad bei den morgigen Wahlen trotz Manipulationen bemerkbar machen wird.
BAHMAN NIRUMAND
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken