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Iran-Politik JerusalemsIsrael hofft auf Sanktionen

Für Luftangriffe gegen den Iran gibt es in Israel zwar Mehrheiten. Doch Militärexperten zweifeln an ihrem Erfolg - und warnen vor einem "jahrelangen Krieg".

Iranisches Atomkraftwerk Buschehr. Bild: dpa

Auch wenn es ungewöhnlich still unter Israels Politikern bleibt, so verfolgt die Regierung in Jerusalem die iranischen Meldungen über Fortschritte bei der Urananreicherung doch mit großer Aufmerksamkeit und Sorge. Dass sich Benjamin Netanjahus Koalition mit öffentlichen Drohungen gegen Teheran weit stärker zurückhält als ihre Vorgängerin, bedeutet nicht, dass eine militärische Operation grundsätzlich vom Tisch ist. Die Regierungskoalition und die Oppositionspartei Kadima sind sich einig, dass eine Atommacht Iran verhindert werden muss. "Sanktionen sind nicht Israels einziges Mittel", erinnerte Zachi Hanegbi (Kadima), Vorsitzender des Außen- und Verteidigungsausschusses der Knesset, jüngst bei einem Besuch im Weißen Haus.

In den Medien und in der Bevölkerung spielt das Thema Iran heute überraschenderweise weniger eine Rolle als noch vor eineinhalb Jahren - als wolle man das Übel nicht herbeireden, denn in den vergangenen Monaten blieb es an allen Fronten so ruhig wie seit Jahren nicht mehr. Keine Bombenanschläge in Tel Aviv, keine Katjuschas im Norden und fast keine Raketenangriffe aus dem Gazastreifen. Sollte Israel die iranischen Atomanlagen angreifen, bliebe es auch in Tel Aviv nicht länger friedlich.

Mosche Vered vom Begin-Sadat-Zentrum für strategische Studien in Tel Aviv zeichnet düstere Perspektiven für einen israelisch-iranischen Krieg. Der direkte Kampf werde "auf eine kurze Phase der Boden-zu-Boden-Raketen" beschränkt bleiben. Anschließend sei "mit einem jahrelangen Krieg" zu rechnen, den Teheran mit Hilfe seiner palästinensischen und libanesischen Verbündeten, der Hamas und der Hisbollah, gegen Israel lancieren werde, und zwar in Form von Terroranschlägen auf israelische und jüdische Einrichtungen weltweit.

Unschlüssig sind sich die Experten, ob der Zug zum Handeln nicht längst abgefahren ist. Auch über die technischen Möglichkeiten der israelischen Armee, das Atomforschungsprogramm wenn schon nicht komplett zu stoppen, dann doch wenigstens deutlich zu verzögern, bestehen unterschiedliche Vorstellungen in den Reihen sowohl der Luftwaffe als auch des Abwehrdienstes. Problematisch für Premierminister Netanjahu ist zudem die internationale Haltung zu einem Präventivschlag. Israels Ansehen in der Weltöffentlichkeit nähert sich nach dem Gazakrieg vor einem Jahr ohnehin schon dramatisch dem Nullpunkt.

Professor Eytan Gilboa, ebenfalls vom Begin-Sadat-Zentrum, geht davon aus, dass man in Jerusalem "zunächst die Sanktionen abwarten" wird. Im Moment "kann Israel noch nicht angreifen". Ein stillschweigendes Einverständnis der USA sei Minimalbedingung für einen militärischen Schlag. Netanjahu hoffe auf "lähmende Maßnahmen" gegen die Regierung in Teheran und gegen die Revolutionsgarden. An neuen Mechanismen für solch gezielten Sanktionen wird im US-Außenministerium derzeit gearbeitet.

Sobald klar ist, dass sich Teheran auch von den bevorstehenden Sanktionen nicht beeindrucken lässt und das Atomprogramm ein gefährliches Stadium erreicht hat, wird die israelische und letztendlich auch die internationale Öffentlichkeit militärische Maßnahmen weniger kritisch beurteilen. Die Frage, wann das Atomforschungsprogramm den "point of no return" erreicht, ist jedoch unter Experten umstritten. "Wir reden von Monaten, nicht von Jahren", warnt Gilboa, wobei es nicht allein ausreiche, im Besitz von angereichertem Uran zu sein, um zu einer atomaren Bedrohung für andere Staaten zu werden.

Einer von Gilboa bereits vor einigen Monaten in Auftrag gegebenen Umfrage zufolge treten zwei Drittel der israelischen Bevölkerung für ein militärisches Handeln ein, sollten die diplomatischen Anstrengungen weiter fruchtlos bleiben. Der Experte für internationale Beziehungen geht davon aus, dass "es heute eher mehr sind, denn die Situation ist inzwischen akuter geworden". Auf größere Bereitschaft zum Militärschlag gegen Teheran deuteten auch aktuelle Umfragen in den USA. Gilboa räumt indes ein, dass die Armee nicht nur die Option der Luftangriffe hat. "Denkbar wäre zunächst eine Seeblockade, ähnlich wie es sie 1962 in Kuba gab."

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8 Kommentare

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  • T
    TOM

    An Israel Beobachter: Nette Aufzählung und netter Schlussteil mit dem sogenannten Aufschrei wenn Israel reagieren würde. Nur mal als Info, paar Tage vorher, sprich im Januar starben durch Israel 5 Palästinenser. Sie scheinen schon vorher reagiert zu haben, blöd nur das es ein Paradoxon darstellt. Jetzt können sie weiter aufzählen, aber bitte nicht die Massenhaften Opfer der palästinenser einfach weglassen. Das ist unredlich

  • SA
    Suad aus Haifa

    An Israel Beobachter :

     

    Und was macht Israel ??

  • EB
    Ein beobachtender Kritiker

    @Israel Beobachter

     

    Wenn, sie denn schon ein derartig guter Beobachter sind, würde ich sie im Namen aller Leser und LeserInnen und auch sicherlich der Redaktion bitten ihre Quellen zu nennen, statt einfach Zahlen aufzuzählen, die so in der Form nicht wirklich nachzurescherschieren sind.

     

    Das erwähnte Schicksal des israelisch-drusische Soldaten Ihab Chattib (1) lässt unter Umständen den Schluss zu, dass sie diese und die weiteren Informationen von der Jerusalemer Nachrichtenagentur NAI Israel (2) haben.

     

    Ist das die Quelle ihrer vielen Informationen? Haben sie diese Informationen gesichert, sprich noch zusätzlich mindestens eine Quelle hinzugezogen, bevor sie uns diese Informationen an den Kopf geworfen haben?

     

    Mir persönlich kommt Propaganda in den Sinn, natürlich ist die Lage in Israel eine furchtbare und zu Gewalt kommt es dort, jedoch neigen viele es über- und unterzubewerten, wenn Sie wissen was ich meine.

     

    URLs:

    (1): Ermordeter Soldat war Druse, 11.02.10, http://www.nai-israel.com/default.aspx?tabid=179&nid=20554'>http://www.nai-israel.com/default.aspx?tabid=179&nid=20554

    (2): NAI Israel, http://www.nai-israel.com/ bzw. http://www.israeltoday.co.il/

  • W
    wolfgm
  • IB
    Israel Beobachter

    Verhältnissmässig ruhig schreibt Frau Knaul, wenn es in Deutschland so "ruhig" wäre, gäbe es hier Chaos. Vorgestern ist ein israelisch-drusischer Soldat ermordet worden. Anfang des Monats wurden an den Stränden bei Aschkelon wurden Sprengsätze von Gaza angespült. In Samaria wurde am 02.02. ein Brandsatz auf ein israelisches Fahrzeug geworfen und eine aus dem Gazastreifen abgeschossene Rakete landete in Israel. Am 03.02. schlug eine aus dem Gazastreifen verschossene Qassam-Rakete in offenes Gelände bei Sderot ein. (Das war seit Jahresbeginn die 20. aus dem Gazastreifen auf Israel abgeschossene Rakete.) - Bei Karme Zur beschädigten Brandbomben werfende Araber ein israelisches Fahrzeug am 03.02. - In der Nähe eines Konvois des Roten Kreuzes im Gazastreifen explodierte ein Sprengsatz, die Leute beschuldigen Israel. Am 05.02.2010 bei Bil’in warfen etwa 70 „Demonstranten“ Steine auf Sicherheitskräfte.

    ebenfalls am 05.02. Nordwestlich von Ramallah warfen etwa 100 „Demonstranten“Steine auf Sicherheitskräfte.

    Am gleichen Tag bei Ni’lin warfen etwa 70 „Demonstranten“ Steine auf Sicherheitskräfte.

     

    Alles ruhig alles klar, nur weil es den Medien keine Meldung wert ist, heisst das nicht, daß es ruhig ist, Geschrei gibt es erst wieder, wenn Israel reagiert.

  • B
    Beobachter

    P.S.: Und hören Sie bitte auf immer Jerusalem als Hauptstadt zu nennen, Sie wissen genau, dass das Tel Aviv (nur diese Hauptstadt ist international anerkannt!).

     

    Sie nehmen damit unzulässigerweise Partei für die völkerrechtswidrige Annexion Jerusalems!

    Solange der Status dieser Staat nicht durch einen völkerrechtskonformen Friedensvertrag geregelt ist, haben Sie hier nicht diese Staat als Hauptstadt zu bezeichnen, wollen Sie hier nicht schlicht Pseudoinformation betreiben, aber in Wirklich PR meinen!

  • V
    vantast

    Die Israelis wären besser beraten, in die USA auszuwandern, denn der Iran wird die Bombe bekommen, in Kürze oder später.Es ist eine Frage der Ehre, Israel hat sie schon und jeder Staat, der etwas auf sich hält, braucht sie. Israel hat kein Recht, andere Länder anzugreifen- wer lacht hier?

  • N
    Nogo

    Sanktionen würden die Wirtschaft schwächen und Arbeitsplätze kosten. Deutschland ist einer der größten Handelspartner des Iran.