■ Iran: Faradsch Sarkuhi erteilt der „stillen Diplomatie“ eine Absage: Bonn ist weiter in der Pflicht
Es klingt fast so wie in den guten alten Zeiten, als die deutsch-iranischen Beziehungen noch nicht durch die Ermordung von Oppositionellen in Berlin und die Verschleppung von unliebsamen Dichtern in Teheran getrübt waren: Bundesaußenminister Klaus Kinkel und sein iranischer Amtskollege Kamal Charrasi hätten in einem „längeren, offenen und in freundlicher Atmosphäre gehalten Telefongespräch“ den Stand der deutsch-iranischen Beziehungen erörtert, teilte das Auswärtige Amt (AA) am Wochenende mit. Ob während des Gesprächs – immerhin das erste seit langer Zeit, wie das AA vermeldet – auch der Name Faradsch Sarkuhi fiel, ist nicht überliefert. Der Bonner Außenminister setzt in dem Fall – wie fast immer in Sachen Iran – auf „stille Diplomatie“.
Doch genau der hat Sarkuhi mit seinem gestern bekanntgewordenen Brief an den PEN-Club eine deutliche Absage erteilt. Erst die von Medien und Organisationen hergestellte internationale Öffentlichkeit habe zu seiner Freilassung geführt, schreibt Sarkuhi. Das Schreiben bestätigt, was man ahnte: Wäre über Sarkuhi nicht offensiv berichtet worden, der iranische Geheimdienst hätte den Schriftsteller wohl sang- und klanglos um die Ecke gebracht.
Sarkuhis Brief dokumentiert, daß der Fall noch nicht beendet ist. Er ist immer noch Geisel der Teheraner Hardliner. Die konservativen Gegner des vergleichsweise morderaten Präsidenten Mohammad Chatami halten Sarkuhi zwar nicht mehr in einem finsteren Kerker gefangen, behalten sich jedoch die Option offen, in dort jederzeit wieder hinzustecken oder ihm sonst etwas zustoßen zu lassen – einen Autounfall, einen Herzanfall... – der zynischen Phantasie von Sarkuhis Feinden sind keine Grenzen gesetzt. Solange der Regimekritiker in der Islamischen Republik festgehalten wird, besteht für ihn Lebensgefahr. Das sollte auch bei Gesprächen in „freundlicher Atmosphäre“ nicht vergessen werden, wie sie derzeit von einem EU-Vertreter nach dem anderen in Teheran geführt werden. Auch deutsche Vertreter werden dazu bald Gelegenheit haben: Kinkel und Charrasi vereinbarten eine Reise Bonner Beamter nach Teheran. Mit iranischen Kollegen sollen sie „alle gemeinsam interessierenden Fragen“ besprechen. Faradsch Sarkuhi hat einen Anspruch darauf, daß dann offen und deutlich eine Ausreisegenehmigung für ihn gefordert wird. Alles andere nährte den Verdacht, vor lauter Freude über das Ende der deutsch-iranischen Krise habe man im Auswärtigen Amt vergessen, was eigentlichen deren Anlaß war. Thomas Dreger
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