Iraks Fußballelf: Fatale Freudenschüsse
Der Erfolg des Iraks beim Asien Cup eint das Land vorübergehend. Nach dem Finalsieg gegen Saudi-Arabien fordert Kapitän Mahmoud, die Amerikaner mögen das Land verlassen.
Das Knattern der Kalaschnikoffs ist ein vertrauter Sound in Bagdad. Auch am Sonntag zerrissen sie wieder die Ruhe in Iraks Hauptstadt. Dabei war den Salven nicht anzuhören, dass sie erklangen, um eine der größten Sensationen in der Geschichte des internationalen Fußballs zu feiern. Doch auch die spontanen Jubelpartys im ganzen Land, die ausbrachen nach dem 1:0-Erfolg der irakischen Nationalmannschaft im Finale des Asien Cups gegen Saudi-Arabien, waren überschattet: Sieben Menschen fielen den Siegesfeiern zum Opfer, getötet von Querschlägern aus den Gewehrläufen begeisterter Iraker. Vergeblich hatten die Lautsprecher der Moscheen dazu aufgefordert, das Schießen einzustellen. Auch ein Verbot hatte die Freudenschüsse nicht verhindern können.
Immerhin aber kam es nicht zu Bombenanschlägen wie nach dem Halbfinale. Die Menschen, die sich nach dem Sieg im Elfmeterschießen gegen Südkorea auf den Straßen versammelt hatten, boten ein willkommenes Ziel für Attentäter. Mehr als 50 Menschen waren nach dem Spiel am Mittwoch ums Leben gekommen. Doch nach dem Endspiel im indonesischen Jakarta, das die Iraker in schwarzen Armbinden bestritten, detonierten keine Bomben. Die Regierung hatte ein Fahrverbot verfügt, um Autobomben zu verhindern, und dazu aufgerufen, auf Ansammlungen zu verzichten. Die Sicherheitskräfte erschossen allerdings nach eigenen Angaben einen Attentäter in seinem Fahrzeug, der sich auf dem Weg in die Stadt befand, und entschärften den Sprengsatz.
Im Laufe ihres völlig unerwarteten Siegeszuges wurde die irakische Mannschaft zum Hoffnungsträger für ein zerrüttetes Land. Symbolisch dafür darf das einzige und entscheidende Tor vom Sonntag stehen: In der 71. Minute des Finales gegen das hoch favorisierte Saudi-Arabien flankte ein Kurde aus Mossul auf einen Sunniten aus Kirkuk, der den Ball ins Tor köpfte. Torschütze Younes Mahmoud, Kapitän des neuen Asienmeisters, wurde anschließend zum besten Spieler des Turniers gewählt.
Der Sieg der Iraker kam mindestens so überraschend wie der Europameisterschaftserfolg der völlig ohne Vorbereitung angereisten Dänen 1992 und war sportlich ähnlich unerwartet wie der EM-Titel der von Otto Rehhagel trainierten Griechen 2004. Während die saudischen Turnierfavoriten, denen ein mehr als doppelt so großes Budget für die Asienmeisterschaft zur Verfügung stand wie dem irakischen Verband, mit dem eigenen Privatjet zu den Spielorten reisten, plagten sich die Iraker mit den organisatorischen Strapazen eines Turniers, das in vier Ländern ausgetragen wurde. So mussten sich die erschöpften Spieler in Sitzplätze der Holzklasse von Linienflügen zwängen. Allein die Anreise zum Auftaktspiel des Turniers dauerte 36 Stunden. Mehrfach wurden Flüge verschoben, und in der Folge mussten Trainingspläne umgeschmissen werden. Vor dem Halbfinale in Kuala Lumpur mussten die Spieler Stunden in der Lobby ihres Hotels warten, weil ihre Zimmer noch besetzt waren von der längst ausgeschiedenen iranischen Mannschaft.
Der Krieg in ihrem Heimatland belastete die Mannschaft zusätzlich. Der brasilianische Trainer der Iraker, Jorvan Vieira, erhielt Drohbriefe. Jeder Spieler der Mannschaft, in der Sunniten, Schiiten und Kurden miteinander spielen, hat Familienangehörige sterben sehen. Torhüter Noor Sabri, der Held des Elfmeterschießens im Halbfinale, verlor nur vier Tage vor dem Turnierauftakt seinen Schwager bei einem Bombenanschlag. "Wir alle leiden, aber wir überleben auch", sagte Kapitän Mahmoud vor dem Endspiel, "wir konzentrieren uns auf unsere Spiele, weil das die einzige Möglichkeit ist, dem irakischen Volk Glück zu bringen."
Nach dem sensationellen Erfolg will sich der krisengeschüttelte Irak nicht lumpen lassen. 10.000 US-Dollar Prämie soll jeder Spieler bekommen. Die neuen Nationalhelden aber gaben nach dem Erfolg die politische Zurückhaltung auf, die sie während des Turniers gepflegt hatten. "Ich hoffe, dieser Sieg hilft, mein Land zu einen", sagte Stürmer Nashat Akram. Und Finaltorschütze Mahmoud stellte klar, wie er sich die Zukunft vorstellt: "Ich will, dass die Amerikaner den Irak verlassen."
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