piwik no script img

Irakische Provinzwahlen ungewissKirkuk bleibt umstritten

Im Irak wird unter den Bevölkerungsgruppen heftig über das neue Gesetz für die Provinzwahlen gestritten. Damit sind die noch für dieses Jahr geplanten Wahlen gefährdet.

Kurden demonstrieren im Juli gegen das Gesetz für die Provinzwahlen. Bild: dpa

BAGDAD taz Der sunnitische Abgeordnete Omar Abdul Sattar ist eigentlich ein besonnener Mann. Wenn er jedoch auf den Tag zu sprechen kommt, an dem das irakische Parlament einen Gesetzentwurf über die Abhaltung von Provinzwahlen verabschiedete, verlässt ihn die Gelassenheit. Einen Schicksalstag für den Irak, einen Tag, der über Krieg und Frieden entscheiden wird, nennt Sattar den 22. Juli.

Das Wahlgesetz enthält einen Passus, wonach das künftige Provinzparlament von Kirkuk paritätisch von den drei großen Bevölkerungsgruppen in der Provinz, den Kurden, Arabern und Turkmenen, besetzt werden soll. Artikel 34 sieht vor, dass sie jeweils 32 Prozent der Sitze erhalten, 4 Prozent gingen demnach automatisch an die Minderheiten der Christen und Mandäer. Die Kurden, die seit der letzten Wahl 26 der 41 Sitze im Lokalparlament haben, lehnen diesen Proporz als undemokratisches Instrument ab, das sie um ihre Mehrheit bringen soll. Der irakische Staatspräsident Jalal Talabani, ein Kurde, und sein schiitischer Vize Adil Abdul Medhi legten umgehend ihr Veto ein. Doch seitdem geht ein Riss durch das bisherige schiitisch-kurdische Bündnis, denn in der geheimen Abstimmung hatten auch zahlreiche schiitische Abgeordnete für den Entwurf gestimmt.

In Kirkuk und größeren kurdischen Städten demonstrierten Zehntausende gegen das Gesetz. Bemühungen der USA, Briten und vor allem der UN-Vertretung in Bagdad um einen Kompromiss sind bislang gescheitert.

Ein Vorschlag der UNO sah vor, den umstrittenen Artikel 34 auszuklammern und die Provinzwahl in Kirkuk zu verschieben, damit sie im Rest des Landes noch in diesem Jahr über die Bühne gehen kann. Darauf drängen vor allem die Sunniten, aber auch die Bewegung des radikalen Predigers Muktada al-Sadr. Sie hatten die Wahlen vor fast vier Jahren weitgehend boykottiert und sind in vielen Lokalparlamenten unterrepräsentiert.

Die Provinzwahlen sind eines der zentralen "Benchmarks" der USA, aber nicht nur sie sehen darin einen wichtigen Schritt zur Aussöhnung zwischen den Schiiten, Sunniten und Kurden. Doch die Fronten sind verhärtet. Die Kurden beharren auf der Eingliederung von Kirkuk in ihren Teilstaat. Den Hebel dafür bietet ihnen der Artikel 140 der Verfassung. Dieser garantiert den Kurden, die vom Saddam-Regime vertrieben wurden, die Rückkehr, sieht die Wiederherstellung der vom Regime zu Ungunsten der Kurden veränderten Provinzgrenzen sowie ein Referendum über den Status der ölreichen Region vor. Der Termin für das Referendum ist freilich abgelaufen, seitdem bemüht sich die UNO um die Klärung des Status der umstrittenen Gebiete.

Um die kurdischen Ansprüche zu unterstreichen, reiste der kurdische Regionalpräsident Massud Barsani am Freitag nach Kirkuk. Im Vorfeld drohte er mit einer Spaltung des Irak, sollte Artikel 140 nicht umgesetzt werden. Mit dem Artikel 34 des Wahlgesetzes haben indes nun auch die Araber und Turkmenen ein legales Instrument für ihre ablehnende Haltung gegenüber den kurdischen Gebietsansprüchen. Im Gespräch mit der taz bestanden Mohammed Khalil, Fraktionschef der Araber, und Jamal Shan von der Front der Turkmenen auf der Umsetzung der geplanten paritätischen Sitzverteilung. Dies sei die einzige Garantie, um Manipulationen seitens der Kurden zu verhindern. Sie werfen den Kurden vor, das Rückkehrrecht missbraucht zu haben, indem sie zehntausende Kurden angesiedelt hätten.

Eine Lösung des Knotens ist nicht in Sicht. Kurz nach Beginn der Sitzungsperiode des Parlaments beginnt der Fastenmonat Ramadan, in dem auf politischem Parkett selten viel geschieht. Da die UNO mindestens drei Monate für die Wahlvorbereitung veranschlagt hat, wird die Abhaltung der Wahlen noch in diesem Jahr immer unwahrscheinlicher.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!