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■ Irak: Kofi Annans Erfolg bringt die US-Kriegspläne durcheinanderDie Logik des Friedens

„Annans Mission kann nur fehlschlagen, denn selbst falls der Irak alle Bedingungen Amerikas akzeptiert, glauben wir nicht wirklich daran, daß der Militärschlag abgeblasen wird.“ Die Stellungnahme der syrischen Zeitung Ath-Thaura zeigt, wie weit der politische Kredit der USA bei den einstigen Verbündeten im Golfkrieg bereits verspielt ist. Außer Bahrein und Kuweit haben alle arabischen Regierungen jede aktive Unterstützung für einen neuerlichen Angriff der „Angelsachsen“ auf den Irak abgelehnt, die Bevölkerung in allen arabischen Ländern ist bereits strikt auf antiamerikanischem Kurs.

Doch nicht nur die arabische Welt ist gegen einen neuen Krieg, nicht nur der größte Teil Europas, Rußland und China sind skeptisch, auch in den USA selbst mehren sich die kritischen Stimmen. Für die Hardliner im Pentagon, im State Department und im Nationalen Sicherheitsrat in Washington ist gestern morgen der diplomatische Super-GAU eingetreten: Kofi Annan hat aus Bagdad eine Vereinbarung mitgebracht, die sie nicht haben wollten.

Trotzdem geht Ath-Thaura bei ihrer pessimistischen Einschätzung der Lage zu sehr von syrischen Verhältnissen aus. So ignorant wie Assad in Syrien kann Clinton sich gegenüber der öffentlichen Meinung nicht verhalten. Die Krisensitzungen im Weißen Haus, parallel zu den Verhandlungen in Bagdad, haben bereits verdeutlicht, wie schwer die US-Regierung sich mit einem UN-Verhandlungserfolg tun würde. Einen Krieg um das „Kleingedruckte“ , wie es ein Berichterstatter in Washington formulierte, kann Clinton dem Kongreß und dem eigenen Volk nur schwer verkaufen. Ganz gleich, was Annan im Detail wirklich aushandeln konnte – der Ball liegt jetzt im amerikanischen Feld.

Seit gestern ist es erheblich schwieriger geworden, einen Angriff zu legitimieren. Damit ist ein Krieg noch nicht ausgeschlossen, aber die Mission in Bagdad war ein Erfolg der Diplomatie im allgemeinen und der UNO im besonderen. Obwohl Annan über „keine eigenen Divisionen“ verfügt, obwohl er vor allem von den USA abhängig ist, hat er die minimalen Spielräume, die blieben, genutzt. Und das ist gut für die UNO und damit für das internationale Konfliktmanagement insgesamt. Anders als nach dem diplomatischen Erfolg der Russen im letzten Herbst, hinter dem ja auch massive russische Eigeninteressen standen, könnte eine Aufwertung der UNO auch im Umgang mit dem Irak helfen.

Zudem bietet die jetzige Vereinbarung Clinton die Möglichkeit, ohne große Blessuren im Rückwärtsgang aus einer Sackgasse wieder herauszufahren, in die ihn schon Bushs Politik hineinmanöveriert hatte. Gäbe Clinton jetzt noch dem Drängen seiner Militärs nach, die am Golf ihre Waffenentwicklungen der letzten sieben Jahre testen wollen, müßte er mit einem verheerenden weltweiten Echo rechnen, das die gesamte US-Außenpolitik beeinträchtigen würde.

Washington hat jetzt die Gelegenheit, die Situation im Nahen Osten noch einmal neu zu bewerten. Immer vorausgesetzt, daß es tatsächlich um die Beseitigung der Massenvernichtungsmittel geht, gibt es zwei Optionen. Die erste lautet: ein Krieg, der die Besetzung Iraks zum Ziel hat und das Land unter ein internationales Regime stellt, das erst nach Beseitigung aller ABC-Potentiale aufgehoben wird. Was aber ist dann mit den Massenvernichtungsmittel anderer Regime in der Region? Marschieren die USA als nächstes nach Iran, Syrien und Libyen?

Die zweite Option ist der von Kofi Annan vorgezeichnete, mühsame, frustrierende, immer nur teilweise erfolgreiche Weg, das irakische Regime durch Druck und gleichzeitigem Angebot einer gestaffelten Aufhebung der Sanktionen zur Kooperation zu bewegen. Das wird aber letztlich nur funktionieren, wenn Abrüstung die ganze Region insgesamt miteinschließt. Und dazu gehört Israel. Nur die Vision von Peres und anderen israelischen Politikern von einem neuen Nahen Osten, in dem Israel als ein Nachbar unter anderen lebt, kann letztlich zu wirtschaftlichem Erfolg, Demokratisierung und Befriedung führen. Jürgen Gottschlich

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