Interview: "Wir wollen Hartz IV weiterentwickeln"
Die Tempelhofer Grünen-Stadträtin Sibyll Klotz befürchtet, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen die Gesellschaft weiter spaltet. Sie will Menschen nicht "Geld in die Hand drücken und sie damit ruhigstellen".
taz: Frau Klotz, was spricht gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen?
Sibyll Klotz: Die BefürworterInnen eines Grundeinkommens wollen allen, ob sie Bedarf haben oder nicht, ein Einkommen garantieren. Dafür muss möglicherweise auf zielgerichtete Hilfen verzichtet werden. Ich habe die Befürchtung, dass dies dazu führt, dass sich die Gesellschaft eines Personenkreises entledigt, indem man den Menschen Geld in die Hand drückt und sie damit ruhigstellt. Das möchte ich nicht.
Sondern?
Die Verfechterinnen der Grundsicherung, zu denen ich mich zähle, sagen: Wir wollen den Regelsatz des Arbeitslosengeldes II erhöhen, wir wollen zielgerichtete Hilfen für diejenigen, die Hilfe wirklich nötig haben, für Kinder etwa. Wir wollen die Anrechnung des Partnereinkommens verändern und nicht an Bedarfsgemeinschaften koppeln, und wir wollen Menschen mehr Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen, indem wir in Strukturen investieren.
Das wollen die Verfechter des Grundeinkommens aber auch.
Ich glaube nicht, dass beides zusammen realisierbar ist. Ich glaube, wenn wir das Geld für ein bedingungsloses Grundeinkommen ausgeben, werden wir nicht mehr die finanzielle Kraft haben für Dinge, die ich für wichtiger halte. Ein Beispiel: Die viel größere Herausforderung ist es, Arbeit, die wir überall sehen, zu finanzieren und neue Arbeitsfelder zu erschließen, etwa in der gesundheitlichen Prävention.
Wie viel Geld wollen Sie denn in soziale Bereiche - Bildung, Gesundheit, Arbeit - stecken?
Darum geht es erst mal nicht. Auf der Landesdelegiertenkonferenz geht es zunächst um die Frage, in welche Richtung die soziale Absicherung reformiert werden soll.
Deshalb fordern Sie Hartz IV plus?
Nein, wir wollen Hartz IV zu einer echten sozialen Grundsicherung weiterentwickeln.
Und das Arbeitslosengeld II halten Sie nach wie vor für richtig?
Ja, die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe war richtig, weil damit die SozialhilfeempfängerInnen, für die sich früher niemand interessierte, endlich sichtbar wurden.
Halten Sie auch die bürokratischen Bedarfsprüfungen für richtig?
Man kann bürokratischen Aufwand reduzieren, aber im Grunde finde ich es richtig, dass nicht an jeden gezahlt wird, sondern nur an die, die wirklich bedürftig sind. Jemand, der richtig viel privates Vermögen hat, braucht kein Arbeitslosengeld II.
Wie tief sind die Gräben zwischen denen, die ein bedingungsloses Grundeinkommen fordern, und denen, die dagegen sind?
Ich denke, die Gräben sind nicht sehr tief, die Gemeinsamkeiten sind größer. Auch ich bin etwa dafür, dass ein Mindestmaß an Lebensunterhalt - zum Essen, Schlafen und Wohnen - sanktionsfrei sein muss. Es ist menschenunwürdig, in das Existenzminimum hineinzusanktionieren. Damit hilft man den Menschen nicht.
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