■ Interview: „Es wird weitere Fusionen geben“
Günter Dielmann ist „Stratege“ bei der Deutschen Morgan Grenfell, der Investmenttochter der Deutschen Bank.
taz: Werden die Mega-Fusionen der US-Banken auch die deutschen Geldhäuser unter Druck setzen?
Günter Dielmann: Das ist eine Vorgabe – das ist klar. Wir haben in letzter Zeit ja auch in Europa schon einige Fusionen gesehen. Und diese Entwicklung ist bestimmt noch nicht beendet. Deutschland ist mit seinen vielen Filialen overbanked. Es gibt auch einige Institute mit suboptimaler Struktur und Größe. Mit Sicherheit wird es weitere Übernahmen oder Fusionen geben. Aber wir beteiligen uns nicht an Spekulationen über Übernahmekandidaten.
Wer bezahlt die Rechnung?
Nicht der Kunde. Der Wettbewerb ist so hart, daß die Banken bei Gebühren und Zinssätzen stark unter Druck gekommen sind. Auch Computerbanking, Homebanking und neue Medien lassen den Kunden ganz klar gewinnen.
Welche konkreten Vorteile erhoffen sich die Banken?
Die Banken wollen ein größeres Volumen auf die Kosten verteilen. Wenn zum Beispiel eine Bank A 100 Geldeinheiten verwaltet und eine Bank B ebenfalls 100 Geldeinheiten, dann hat dafür jede einen Fondsmanager. Nach einem Zusammenschluß braucht man nicht mehr zwei Fondsmanager, sondern vielleicht 1,1 oder 1,3.
Wieviel Angestellte werden also demnächst rausfliegen?
Das kann ich nicht beurteilen. Aber sicher gibt es im Filialbankbereich noch deutliches Potential. Im günstigen Fall werden solche Mitarbeiter im Vertrieb eingesetzt, wenn sie vorher im Filialbereich gearbeitet haben. Aber tendenziell gebe ich Ihnen recht, daß hier Mitarbeiter abgebaut werden.
Zielen alle Zusammenschlüsse und Übernahmen nur darauf ab?
Die Motivation ist immer, die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen. Aber nicht alle Fusionen verfolgen dafür die gleiche Strategie. Die Fusion, die in der vergangenen Woche in den USA bekanngegeben wurde, zielt auf Ergänzung: Die eine Bank ist stark im Investmentbanking, die andere im Privatkundenbereich. Wenn sich so zwei zusammenschließen, geht es weniger um Rationalisierung als um zusätzliche Produkte. Das gleiche trifft auf den Zusammenschluß von Versicherungen und Banken zu.
Das deutsche Universalbank- System unterscheidet sich stark von der amerikanischen Struktur.
Das stimmt. Aber auch in den USA geht die Tendenz dahin, das Getrenntbank-System in Richtung auf ein Universalbank-System aufzuweichen. In Deutschland werden dagegen Unternehmensbeteiligungen deutlich abgebaut, die in den USA unüblich sind.
Wie sieht das internationale Finanzsystem in zehn Jahren aus?
Das wird eine ähnliche Entwicklung nehmen wie der Automobilbereich, wo es noch fünf bis höchsten acht Unternehmen geben wird, die global tätig sein werden. Andere konzentrieren sich auf Nischen und können da auch bestehen. Auch im Bankenbereich wird es nur wenige Global Players und viele Nischen-Players geben. Mittelgroße Institute werden von der Bildfläche verschwinden.
Wie viele deutsche Banken können Global Players werden?
Ich schätze ein oder zwei, maximal drei. Die anderen müssen sich entweder neu ausrichten und sich auf ihre Stärken fokussieren – oder sie werden übernommen oder fusionieren. Interview: Annette Jensen
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