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Interview über chinesische Küche"Peking-Ente ist eine Eintrittskarte"

Chinas Köche nehmen immer häufiger Elemente aus der westlichen Küche auf, sagt Bian Jiang, Vizesekretär des chinesischen Küchenverbands.

"Sauber, sicher und relativ günstig": McDonald's in Peking Bild: dpa

taz: Herr Bian, China ist groß und vielseitig. Kann man da überhaupt von "der chinesischen Küche" sprechen?

Bian Jiang: Es gibt ja in der Tat acht unterschiedliche Regionalküchen in China. Aber man kann den Begriff "chinesische Küche" in die Kategorien chinesische Essenskultur, chinesische Essenszubereitung und chinesischen Geschmack zerlegen. Da gibt es markante Unterschiede zur sogenannten westlichen Küche. Auch das ist ja ein großer Begriff. Die Zubereitungsarten in der chinesischen Küche sind vielfältiger. Es gibt über 100 verschiedene Arten des Bratens, Schmorens und Dünstens. In punkto Geschmack versucht die chinesische Küche meist den Eigengeschmack der Zutaten zu verändern oder auch zu verdecken, nicht unbedingt zu verstärken. Zur chinesischen Esskultur zählt, dass wir zum Beispiel viel mehr Sachen als essbar betrachten, rund 5.000 Tiere und Pflanzen.

Wie hat sich die chinesische Küche in den letzten Jahren verändert?

Sie ist feiner geworden. Es geht nicht mehr nur ums Sattwerden, sondern um die Ästhetik und den Genuss. Gewürze werden sparsamer verwendet, besonders Salz und Öl. Außerdem isst man jetzt häufiger außerhalb, und manchmal muss es auch sehr schnell gehen. Viele Chinesen, auch ich, gehen gerne zu McDonalds, weil es sauber, sicher und relativ günstig ist. Auch die Struktur des Essens hat sich geändert. Früher standen sättigende Weizengerichte im Vordergrund, das heißt Dampfbrötchen oder Nudeln. Wer es sich leisten konnte, aß sehr viel Fleisch. Aber jetzt achtet man eher auf eine ausgewogene Ernährung, mehr Gemüse, weniger Fette und Eiweiß.

Gibt es Dinge, die Chinesen früher nicht gegessen haben, die jetzt neu hinzugekommen sind?

Die Regierung fördert das Milchtrinken in der Bevölkerung. Das Sortiment an Milchprodukten hat sich in den letzten Jahren deshalb enorm ausgeweitet. Auch Käse wird mehr gegessen. Ich vertrage selbst zum Beispiel keine Milch, aber Käse esse ich sehr gerne.

Im Westen heißt es oft, dass die Chinesen wegen ihres erhöhten Milchverbrauchs die Preise in die Höhe treiben.

China produziert selbst Milchprodukte. Im September fahren Mitglieder der Kommission für westliche Küche innerhalb unseres Verbands extra nach Australien, um dort an einer Fortbildung für Käseproduktion teilzunehmen. Wir wollen das Erlernte dann auch an chinesische Firmen weitergeben. Insgesamt ist der Anteil der Milchtrinker an der Bevölkerung immer noch sehr niedrig.

In China ist die sogenannte Fusionküche immer beliebter geworden. Wie hat der Westen die chinesische Küche in den letzten Jahren beeinflusst?

Chinas Köche haben verschiedene Elemente der westlichen Küche aufgenommen. Zum einen die Art, Gerichte auf Tellern zu arrangieren. Früher achtete man stark auf Symmetrie, meist wurde das Gericht rund oder klar quadratisch angeordnet. Nun lassen sich viele von der westliche Küche inspirieren, legen Dinge schief, als Kreuz oder schaffen ganze Gemälde mit einem Gericht. Zum anderen experimentieren die chinesischen Köche mit westlichen Zubereitungsarten, zum Beispiel dem Schmoren von Fleisch oder dem Braten im Ofen. Auch bei Gewürzen benutzt man westliche Elemente, sehr beliebt sind Tomatensauce, Käse, Pfeffer oder auch Rosmarin. Man wendet diese bei chinesischen Gerichten an und kreiert so einen neuen Geschmack, der viele neugierig macht.

Kreiert man denn auch neue Gerichte?

Ja, zum Beispiel gibt es einen Koch, der Tofu mit verschiedenen westlichen Produkten kombiniert. Zum Beispiel hat er Tofu mit Käse oder auch eine Art Tofu-Tiramisu im Programm. Ein anderes Vorspeisegericht der Fusionküche sind Kaki-Früchte mit Mayonnaise.

Gibt es Gewürze oder Geschmäcker in der westlichen Küche, mit denen sich Chinesen sehr schwertun?

Wenn Gewürze einen zu ausgeprägten Eigengeschmack haben, dann mögen viele Leute das nicht. Rosmarin ist beliebt, aber andere Gewürze, wie Kümmel, sind vielen zu stark. Auch mit manchen Käsesorten haben Chinesen ihre Probleme.

Was essen Sie am liebsten in der westlichen Küche?

Ich mag die italienische Küche, sie ist sehr vielseitig und kräftiger gewürzt als zum Beispiel die französische.

Und in der chinesischen Küche?

Ich esse gerne Fisch. Generell mag ich die Suzhou-Küche sehr gern, sie ist sehr leicht und frisch.

Kochen Sie auch selbst?

Ja, sehr gerne. Ich koche auch viel Fisch nach Art der Suzhou-Küche, aber auch andere Gerichte kriege ich in der Regel gut hin. Mit der westlichen Küche tue ich mich schwer.

Wenn jemand nur Zeit für eine Mahlzeit in China hat, was würden Sie ihm oder ihr empfehlen?

Das ist sehr schwer. Hier in Peking würde ich einen Besuch im Quanjude-Restaurant empfehlen. Dort ist die Pekingente berühmt, aber es gibt auch viele andere traditionelle chinesische Gerichte. Man sollte nicht nur Pekingente essen, sondern in einem guten Restaurant mehrere Gericht bestellen.

Kann denn die Pekingente gegenüber Ausländern als Symbol für die chinesische Küche dienen?

Sie ist so eine Art Eintrittskarte. Sie hat einige Gemeinsamkeiten mit der westlichen Küche und kann deshalb als eine Brücke zu weiteren Gerichten dienen. Sie wird gebraten, das kommt dem westlichen Geschmack entgegen. Das Einwickeln des Entenfleischs in diese kleinen Weizenfladen erinnert vielleicht manche Ausländer an Hamburger oder an Kebab. Zudem kann man sich seinen Fladen selbst zusammenstellen, mehr Fleisch, mehr Zwiebeln, weniger Sauce, etwas Salz.

Wie schmeckt Ihnen das chinesische Essen im Ausland?

Nicht besonders gut. Vielleicht liegt es daran, dass es an den jeweiligen Landesgeschmack angepasst worden ist.

Viele Deutsche mögen das Essen in China aber auch lieber als in den China-Restaurants in Deutschland.

Ist das so? Dann muss es ganz sicher an den Köchen liegen. Die besten sind natürlich noch bei uns in China.

INTERVIEW: KRISTIN KUPFER

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