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Interview mit einem Künstler ohne Identität"Ich habe keinen Namen"

Ein dänischer Künstler hat vor neun Jahren seine Identität aufgegeben. Seitdem versucht er, eine alternative Weltgeschichte zu etablieren, indem er etwa einen Demokratiekoffer in den Irak bringt. Auf Kampnagel Hamburg ist derzeit eine Werkschau zu sehen.

Unterwegs im Irak: Der Beckwerk-Geschäftsführer (links) mit einer Fahne, deren Gestalt noch herauszufinden ist. Bild: Kampnagel

taz: Wie darf ich Sie ansprechen?

XXX: Sie können mich Duzen oder Siezen. Sie haben die Wahl.

Und wenn ich Sie mit Namen ansprechen wollte: Welchen Namen sollte ich nehmen?

Ich habe keinen Namen. Ich bin identitätslos.

Wie melden Sie sich am Telefon?

Ich sage: "Hier spricht der Geschäftsführer von "Das Beckwerk". Oder ich sage: "Ich rufe an von "Das Beckwerk".

Sie haben Ihre Identität im Jahr 2001 aufgegeben, indem Sie offiziell den Tod des dänischen Künstlers Claus Beck-Nielsen verkündeten. Was hat es für Vorteile, wenn man keine Identität mehr hat?

Der Mensch entsteht in der Begegnung. Wenn man keine Identität hat, kann man auch nicht mit Vorurteilen über sich selbst einem anderen Menschen begegnen. Dadurch wird jede Situation sehr offen. Alles kann passieren.

Sie werden also jeden Tag neu überrascht von sich?

Genau. Und jeden Tag kriege ich sehr viel Ärger.

Dafür aber auch viel Freiheiten.

Ja, ich muss nicht an meiner eigenen Identität arbeiten, sondern ich kann meine ganze Arbeitskraft in den Dienst des Beckwerks und unserer Utopien stellen.

Was ist das Beckwerk?

Das Beckwerk stellt aktive Verbindungen zwischen dem kleinen, vereinzelten Weltbürger und der Weltgeschichte her. Heutzutage hat jeder Zugang dazu, was alles auf der Welt passiert. Aber die wenigsten können eingreifen. Das zu ändern ist die große Utopie.

Wie versucht das Beckwerk einzugreifen?

Im Irak haben wir versucht, eine alternative Weltgeschichte zu gestalten, parallel zu der, die die Amerikaner versuchen herzustellen. Wir haben zwei Männer in den Irak geschickt, um dort ganz konkret die Demokratie einzuführen. Mit europäischen Mitteln und nicht mit den amerikanischen, die ja militärisch sind.

Beckwerk-Werkschau

Eine Werkschau von und eine Ausstellung über das Künstlerkollektiv Beckwerk ist derzeit auf Kampnagel in Hamburg zu sehen.

The History of the Democracy & The Language of Hope ist eine Art Vortrag, in dem das Beckwerk von den Reisen in den Irak, Iran und die USA berichtet. Als Ouvertüre inszeniert der Schauspieler Jens Harzer Präsident Obamas legendäre "Chicago Victory Speech". Termine: Donnerstag, 25. 2. und Sonntag, 28. 2. jeweils 20 Uhr.

The Post Human ist eine multimediale Techno-Oper mit Live-Video und Techno-Songs, in der das Beckwerk die Frage nach der Zukunft der europäischen Zivilisation stellt. Inszeniert wird ein historisches Symposium, auf dem große Denker aus unterschiedlichen Jahrhunderten wie Sokrates, Paracelsus und Marx mit ihren unterschiedlichen Perspektiven auf die ideale Gesellschaft und den perfekten Menschen auftauchen. Termine: Freitag, 26. 2. und Samstag, 27. 2. jeweils 19.30 Uhr.

Welche Mittel sind die europäischen Mittel?

Der Dialog, die Reflexion, der Zweifel, die Überlegung.

Sie hatten einen Koffer dabei, auf dem stand, dass sich darin die Demokratie befinde. So wollten sie die Demokratie in verschiedene Länder bringen. Wie hat die jeweilige Bevölkerung auf diesen Koffer reagiert?

Wenn wir diesen Koffer in Europa in den öffentlichen Raum brachten, dann überlegten die Leute: Ist das Kunst? In Amerika glaubten alle, dass in dem Koffer eine Bombe ist. In den arabischen Ländern gibt es dagegen eine lyrische Kultur, dort ist die Metapher tief in die Kultur eingebaut. Die haben immer konkret reagiert. Sie haben gefragt: Warum bringt ihr uns die Demokratie? Was wollt ihr von uns?

Und was haben Sie geantwortet?

Wir haben gesagt, dass es sich natürlich um eine Invasion handelt, aber um eine, die parallel zu der amerikanischen stattfindet. Wir kamen in zivil und sind Europäer, wir waren gekleidet in Anzug und Krawatte und hatten keine Waffen und keine Body Guards. Wir wollten darauf bestehen, dass man dem anderen Menschen unbewaffnet entgegen treten kann. Wir haben gesagt: "Wir kommen mit diesem Koffer und haben in Europa eine Idee von Demokratie entwickelt, aber wir wollen das nicht aufoktroyieren. Dieser Koffer ist jetzt leer. Und wir wollen in einem gemeinschaftlichen Dialog eine neue Vision für eine Weltdemokratie entwickeln."

Welche Visionen haben Sie entwickelt?

Ich glaube, dass das wichtigste diese Form des Dialogs ist. Natürlich gab es ganz viele verschiedene Antworten. In diesen Ländern sind die Menschen sehr nationalistisch. Das ist etwas, dem wir in Europa sehr kritisch gegenüberstehen. Das ist ein Problem, wenn man über Weltdemokratie spricht.

Sie haben dann auch versucht, die Demokratie in den USA einzuführen.

Wir hatten eigentlich Geld für den Aufbau eines Demokratie-Hauses in Bagdad von der dänischen Regierung bekommen. Aber dann kamen all die Abu-Ghuraib-Bilder und die Enthauptungen der irakischen Widerstandskämpfer, und daraufhin hat die dänische Regierung das Geld zurückbehalten. Die Bilder aus Abu-Ghuraib haben gezeigt, dass etwas in dem universalen Modell der Demokratie, das die Amerikaner überall verbreiten wollen, noch nicht ganz ideal ist. Deshalb haben wir den Koffer im Irak abgeholt und mit Vorschlägen für ein verbessertes Demokratie-Modell in die USA gebracht. Wir wollten Parlamentssitzungen überall machen, aber es stellte sich heraus, dass die Amerikaner Angst vor dem offenen Dialog hatten. Die waren sehr misstrauisch.

Sie lebten nicht nur im Nahen Osten, sondern auch in Deutschland und Dänemark ohne Identität. Wo war es am angenehmsten?

Im Irak. Weil da ein Ausnahmezustand herrschte und jeder Mensch dem anderen total offen begegnete. In Dänemark war es sehr schwierig. Weil ich ohne eine Personenkennziffer in keinem Obdachlosenheim übernachten konnte. Man bekommt auch kein Bargeld, weil alles über die Bank ausgezahlt wird. Es war nur möglich über die Kirchenorganisationen. Ich war wie ein illegaler Einwanderer, der nicht existiert.

Wo haben Sie in Hannover gelebt?

In einer alten Eisfabrik. Ich war nur ab und zu da und habe dort schwarz gearbeitet.

Was denn?

Reinigung.

Die Eisfabrik ist ein Kulturhaus. Haben die Sie dort als Künstler betrachtet?

Ja, das ist das Komische. Der radikale Teil des Projekts wurde in Dänemark durchgeführt. Ich hatte nur einen dünnen Jogging-Anzug an, als ich im Dezember 2000 in Kopenhagen ankam, und ich kannte niemand. Dann hat sich eine Geschichte entwickelt, die von vielen Dänen als Kritik gegenüber dem sozialen System aufgefasst wurde. Aber es war kein Günter-Wallraff-Projekt. Dieser Mensch ist kein geborener Obdachloser. Das ist seine eigene Wahl gewesen.

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