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Interview mit Religionskritiker"Warum ich kein Christ sein will"

Die Kirche kritisieren viele. Uwe Lehnert reicht das längst nicht mehr. Nach seiner Emeritierung schrieb sich der Pädagoge eine Abrechnung von der Seele.

Kirchenkritiker Uwe Lehnert: "Sehr interessant ist auch eine kircheninterne Umfrage unter den evangelischen Pfarrern und Pfarrerinnen in Berlin und Brandenburg. Etwa 10 Prozent von ihnen glauben nicht mehr an Gott." Bild: dpa, Ingo Wagner
Interview von Claudius Prösser

taz: Herr Lehnert, haben Sie in der Adventszeit auch mal eine Kerze angezündet?

Uwe Lehnert: Natürlich. Die Kerze ist ja kein christliches Symbol. Und wenn es so wäre, hätte ich kein Problem damit. Wir sind in einer christlich geprägten Kultur groß geworden, die können wir nicht abschütteln ohne Verlust an liebgewordenen Traditionen.

Aber Weihnachten ist für Sie kein Thema, oder?

Uwe Lehnert

75, kam von der Informatik zur Erziehungswissenschaft und begründete 1980 als Professor an der FU den Arbeitsbereich "Bildungsinformatik und Bildungsorganisation". Nach seiner Emeritierung 2002 widmete er sich Fragen der Religion. Sein Buch "Warum ich kein Christ sein will - Mein Weg vom christlichen Glauben zu einer naturalistisch-humanistischen Weltanschauung" erschien 2009 in einem kleinen Verlag. Namhafte Verlage hätten sich mit dem Thema schwergetan, so Lehnert.

Das heißt nicht, dass ich Weihnachten nicht feiern würde. Für mich ist es ein Fest des familiären und politischen Friedens, der Besinnung. Ich denke, das gilt inzwischen für die überwiegende Mehrheit unserer Gesellschaft.

Anders formuliert: Sie feiern Weihnachten, aber es hat für Sie keine spirituelle Bedeutung.

Auch das würde ich so nicht stehen lassen. Festtage wie diese verdeutlichen für mich, dass das Leben aus mehr besteht als der rationalen Bewältigung des Alltags. Es gibt ja Fragen, die unser Wissen übersteigen. Ich empfinde an solchen Tagen ein Bedürfnis nach Feierlichkeit, aber sie soll das Gemüt ansprechen, ohne den Verstand zu kränken. Wenn ich mir Predigten in diesen Tagen anhöre, passiert genau das.

Was stört Sie daran?

Dass den Menschen ein anrührendes Märchen ohne geschichtliche Basis aufgetischt wird. Die weltweite Verbreitung dieser "frohen Botschaft" vom erbarmenden Gott hat über die Jahrhunderte Millionen Menschen das Leben gekostet. Und trotz der Losung vom Frieden auf Erden kann ich nicht erkennen, dass der beschworene Gott auch nur eine Hand gerührt hätte, um diese Welt friedlicher zu machen.

Und darum wollen Sie kein Christ sein.

Darum, und weil ich den zentralen Glaubenssatz nicht glauben kann und will, dass Jesus für mich am Kreuz gestorben sein soll. Dieser Opfertod soll mich von meinen Sünden befreien. Das ist steinzeitliches Denken. Damals brachte man den Göttern Opfer, um sie gnädig zu stimmen, in ganz dramatischen Situationen opferte man sogar den Erstgeborenen. Heute noch so zu denken, finde ich geradezu absurd. Fällt einer allmächtigen Gottheit nichts anderes ein als eine grausame Hinrichtung, um sich mit uns zu versöhnen?

Viele Christen nehmen das vielleicht gar nicht so wörtlich.

Richtig, nach meiner Erfahrung sind die meisten Kirchgänger Traditionschristen. Sie machen mit, was sie mal gelernt haben, finden das ganz schön und sehen keinen Grund, daran etwas zu ändern. Ihr Christentum besteht aus einer allgemeinen Gottgläubigkeit und dem Wunsch, als guter Mensch zu gelten.

Religiöse Inhalte spielen gar keine echte Rolle mehr?

Wenn ich Christen nach Erbsünde, Opfertod oder Abendmahl frage, stellt sich meist heraus, dass sie darüber überhaupt noch nicht nachgedacht, geschweige denn diese Fragen zu Ende gedacht haben.

Worüber sollten sie denn einmal nachdenken?

Vor allem über den eklatanten Widerspruch zwischen dem angeblich allmächtigen und unendlich barmherzigen Gott und dem unübersehbaren menschlichen Leid. Gott, wenn er denn existieren sollte, schaut offenbar dem Leiden der Menschen, verursacht durch Naturkatastrophen, Krankheiten oder Völkermorde, tatenlos zu. Das ist die berühmte "Theodizee" - kein Theologe, kein Papst weiß eine Antwort auf diesen unauflösbaren Widerspruch. Auch die zweitausendjährige Geschichte der Kirche mit ihren zig Millionen Blut-Opfern zeigt mir, dass hinter ihrer Lehre kein barmherziger Gott stehen kann.

Schafft Religion mehr Leid als Trost?

Gerade die beiden großen monotheistischen Religionen mit ihrem Alleinvertretungsanspruch, das Christentum und der Islam, haben Millionen Menschen auf dem Gewissen. Der größte Teil aller bisherigen Kriege geht aufs Konto der Religionen. Dabei kann Religion zweifellos auch trösten. Wer glauben kann, ohne durch Gründe der Vernunft irritiert zu werden, kann Halt und Trost erfahren. Stellt man aber Trost und Leid gegenüber, wird deutlich, welch unglaublich hoher Preis dafür zu zahlen ist.

Diese Fundamentalkritik entwickeln Sie ausführlich in Ihrem Buch, das sich offenbar sehr gut verkauft. Ernten Sie dafür eigentlich Unverständnis?

Meine nächsten Angehörigen denken wie ich, einen Bruder, der Organist ist, konnte ich überzeugen, meine liebe Schwester nicht. Ansonsten habe ich zu meinem Erstaunen erfahren, dass viel mehr Kollegen an meiner FU, als ich ahnte, so denken wie ich. Kühle Ablehnung habe ich natürlich auch registrieren müssen. Andererseits habe ich die religionskritischen Kapitel meines Buches mit zwei Pfarrern ausführlich diskutiert. Einer hat mich sogar mehrere Tage in seine Familie eingeladen und geduldig mit mir gesprochen. Trotzdem sind wir nach wie vor gute Freunde.

Ist Berlin eine gottlose Stadt?

Um ein paar Zahlen zu nennen: Rund 70 Prozent der Berliner sind in keiner großen Kirche organisiert, im Osten sogar 80 Prozent. Sehr interessant ist auch eine kircheninterne Umfrage unter den evangelischen Pfarrern und Pfarrerinnen in Berlin und Brandenburg. Etwa 10 Prozent von ihnen glauben nicht mehr an Gott. Noch mehr zweifeln an der Wiederauferstehung, die wenigsten glauben an die Hölle. Davon abgesehen verstehen sich diese gottlos gewordenen Pfarrer im besten Sinne des Wortes als Seelsorger, und ich denke, dass sie da viel Gutes tun. Von dieser internen Fluchtbewegung spricht der sonst so redselige Altbischof Huber nicht.

Trotzdem sind selbst in Berlin Kirchenvertreter viel präsenter als Konfessionslose.

Weil wir ein Kirchenstaat sind!

Das müssen Sie erklären.

Der Staat hat den Kirchen in den letzten Jahrzehnten in beispielloser Weise Rechte und Mittel zugeschanzt - trotz gegenteiliger Auflagen der Verfassung. Deshalb können sie sich auch mit den Sozialleistungen von Caritas, Diakonie, konfessionellen Krankenhäusern, Kitas und Schulen schmücken. Das Geld dafür kommt aber tatsächlich zu 90 bis 98 Prozent vom Staat und den Sozialkassen. Hinzu kommt eine lange Liste von Vorrechten.

Zum Beispiel?

Die Kirchen haben ein eigenes Arbeitsrecht, das Arbeitnehmer in allen wesentlichen Fragen schlechter stellt als solche im öffentlichen Dienst oder im Privatsektor. Oder nehmen Sie die Rundfunk- und Fernsehräte. Da haben die christlichen Kirchen und die jüdische Gemeinde das Recht, sich in Weltanschauungsfragen zu äußern und über Programme zu befinden. Andere Weltanschauungen sind nicht zugelassen. Solche Privilegien tragen dazu bei, dass die Kirchen im öffentlichen Bewusstsein allgegenwärtig sind, ohne ein politisches oder irgendwie moralisch begründetes Mandat.

Der Katholizismus ist 2010 arg gebeutelt worden. Freut Sie das?

Angesichts des Leids, das zu dieser Kritik geführt hat, kann keine Freude aufkommen. Aber eines stelle ich mit Genugtuung fest: Immer mehr Menschen begreifen, dass die Rolle der Kirche als Hort und Verkünder der Moral bloße Anmaßung ist.

Ist Ihnen der Protestantismus eigentlich näher?

In den wesentlichen Punkten erkenne ich keinen Unterschied: Jesus als menschliches Opfer zur Sündentilgung, Wiederauferstehung der Toten, Ewiges Leben, Taufe, Abendmahl, Hölle für die Ungläubigen, all das ist für beide Kirchen verbindlich. Beide Lehren sind gedankliche Konstrukte, die als Wunschvorstellungen aus Not und Verzweiflung entstanden sind. Was den Protestantismus betrifft, muss man immer wieder auf die zwiespältige Rolle Luthers hinweisen. Er war ein eindrucksvoller Denker und hat der deutschen Sprache mit seiner Bibelübersetzung einen großen Dienst erwiesen. Er war aber auch ein ganz entschiedener Antisemit, der in seinem Buch "Von den Juden und ihren Lügen" das nationalsozialistische Verfolgungsprogramm bis in Einzelheiten vorwegnahm.

Das passt nicht recht ins heutige Luther-Bild.

Die evangelische Kirche sollte die Ehrlichkeit aufbringen, Luther auch mit seinen höchst fragwürdigen Seiten zu zeigen. Aber sie wird das nicht tun, es würde dem Protestantismus seinen vermeintlichen Glanz nehmen.

Kritische Christen arbeiten sich seit langem an Fragen der Ökumene und Modernisierung ab. Mit welchen Gedanken betrachten Sie diese Konflikte?

Eigentlich interessieren sie mich nicht. Ich betrachte sie allenfalls mit Schmunzeln, weil es sich um selbst erzeugte Konflikte handelt, die die Kirchen aufgrund ihrer unterschiedlichen Bibelinterpretationen haben. Sie beruhen letztlich auf bloßen Behauptungen und reiben sich daher ständig an der Wirklichkeit.

Fragen wie die nach der Gleichstellung von Frauen in der Kirche lassen sie kalt?

Diese Konflikte beweisen doch, wieweit insbesondere die katholische Kirche hinter der gesellschaftlichen Entwicklung zurückgeblieben ist. Aber das ist auch kein Wunder: Die für alle Christen verbindliche Bibel erachtet die Frau in jeder Hinsicht als weniger wert. Das drückt sich schon im 10. Gebot aus, viele Stellen des Alten Testaments zeichnen die Frau als Verführerin und Wesen mit bösartigem Charakter. Das Neue Testament ist in dieser Hinsicht nicht besser. Die wenigen Stellen, die die Rolle der Frau thematisieren, sprechen von ihrer Unterordnung.

Katrin Göring-Eckardt, Präsidentin des Evangelischen Kirchentags, sagt in der Zeit, das Abendgebet sei eine "warme Hülle", ohne das "unser Ein- und Weiterschlafen unruhig" wäre. Missgönnen Sie frommen Menschen den ruhigen Schlaf?

Also ich schlafe trotz meines Alters noch sehr gut ein - und zwar ganz ohne Abendgebet. Aber im Ernst: Warum sollte ich das tun? Frau Göring-Eckardt mag sich gern ihr sympathisch-kindliches Gemüt bewahren. Ich habe nie versucht, Menschen ihren Glauben auszureden.

Viele Menschen denken in den dunklen Tagen am Jahresende über ihr eigenes Ende nach. Und Sie? Brauchen Sie keinen Trost, dass es "danach weitergeht"?

Natürlich könnte man Menschen beneiden, die fest an ein Leben im Jenseits glauben. Aber so etwas zu erhoffen, gelingt jemandem nicht, der überzeugt ist, dass hier eine Illusion vorliegt. Ich persönlich habe mich längst mit dem Gedanken vertraut gemacht, dass mein Leben irgendwann ein Ende finden wird. Der Tod als das Ende aller meiner Tage ängstigt mich daher heute kaum noch.

Sie genießen das Leben hier und jetzt?

Ich habe die Hoffnung, dass es ein langes und möglichst erfülltes Leben sein wird. Wenn dieses Leben auch noch Spuren hinterlässt, fürchte ich den Tod nicht. Angst habe ich vor einem zu frühen Tod oder quälend langem Sterben. Aber gerade für letzteren Fall haben ja humanistische Kreise den Weg zu einem menschenwürdigen Lebensende freimachen können - gegen erbitterten Widerstand der Kirchen.

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20 Kommentare

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  • WB
    Wolfgang Banse

    Glaube JA,Kirche NEIN

    Mensche glaube an ein höheres Wesen,Glauben an Gott.Die Kirche die sich beruft in der Nachfolge JESU zu stehen ist eine Kirche die oft nicht im Einklang zu bringen ist worauf sie sich beruft.Nächstenliebe ist ein Witschaftsfaktor geworden,der die Kirche nicht unerhebliche Einnahmen bescherrt.Mit Not,menschlicher Not werden Geschäfte gemacht,was die Notunterkünfte in der kalten Jahreszeit betrifft.Glauben an Gott ist auch möglich ohne sich an die Kirche zu binden.Kirche als ein säkulares Gebäude an zu nehmen,wo man zur Andacht und zum Gebet gehen kann damit können sich Gläubige ein Stück identifizieren,sich wieder finden.

    Kirche als Institution und als eines der Anbieter der zahlreichen Glaubensrichtungen damit können sich Menschen immer weniger anfreunden.Hierarchie und starre doktrinäre Denkstrukturen sind nicht Zeitgemäß.

    Den Glauben an ein höheres Wesen,an Gott, mit dem sich ein Mensch um/einhüllt verleiht den Menscxhen inneren und äußeren Frieden,was von der Instituellen,hierarchischen ,verbeamteten Amzskirche so nicht gesagt werden kann.

  • GH
    Guido Hartmann

    Hallo,

     

    na, zum Glück bin ich Lutheraner und kann den Papst einen guten Mann sein lassen (oder eben einen weniger guten).

    Ich hab das Interview bis zu dem Punkt gelesen, dass Jesus ein Menschenopfer gewesen sei. Na gut. Das ist die Vulgär-Version von Christentum - und ja, wenn das so wäre, wär ich wohl auch kein Christ.

    Jeder mag das glauben, was er für richtig hält, aber wenn sich die Taz schon religionskritisch gibt, warum nicht mal mit Tiefgang? Sie latscht auf den selben ausgetretenen Pfaden, mit denen sich schon der Idealismus auseinandergesetzt hat. Und schon der hatte bessere Argumente.

  • G
    greatB

    @zünglein ("im übrigen ist es doch lustig, dass grade sog. atheisten, die stets vehement behaupten, sich um gott und den glauben einen dreck zu scheren, sich doch überdurchschnittlich stark damit beschäftigen.."):

    1. warum ist das "lustig"? eher schwächst du mit deiner vermeintlichen argumentationslinie dich und deine glaubensbrüder selbst.

    2. wenn die großkirchen jedes jahr an die 40 milliarden von allen menschen bekommen, die hier leben, dann beschäftigt mich dies nicht nur, sondern macht mich auch extrem wütend und wenn diese dann noch dazu ihren eigenen glauben kleine kinder indoktrinieren können, bestimmte bereiche nach eigenen regeln gestalten können, wo sonst jeder arbeitsverbot und dergleichen erhalten würde, kommt mir nicht nur mein essen hoch....

  • C
    christian

    "Dass den Menschen ein anrührendes Märchen ohne geschichtliche Basis aufgetischt wird."

     

    Ich hörte, dass es ein seehr altes Sammelband names Bibel gibt.. Videos und Fotos gabs damals halt noch nicht.

     

     

    "Und trotz der Losung vom Frieden auf Erden kann ich nicht erkennen, dass der beschworene Gott auch nur eine Hand gerührt hätte, um diese Welt friedlicher zu machen. "

     

    Die Nächstenliebe geht ja auch nicht von Gott aus, dass müssen die Menschen schon selber machen. Die Menschen können sich natürlich bekriegen, was soll Gott da groß machen? Alle Waffen in Luft aufgehen lassen? Haha?

     

     

    "Fällt einer allmächtigen Gottheit nichts anderes ein als eine grausame Hinrichtung, um sich mit uns zu versöhnen?"

     

    Nicht Gott hat hingerichtet, sondern die Römer. Gott hat Jesus auferstehen lassen, nicht sterben lassen.

     

     

    "Wenn ich Christen nach Erbsünde, Opfertod oder Abendmahl frage, stellt sich meist heraus, dass sie darüber überhaupt noch nicht nachgedacht, geschweige denn diese Fragen zu Ende gedacht haben."

     

    Fazit: Wenn etwas nicht perfekt ist, muss ich es ablehnen.

    Ich wette dieser "Religionskritiker" hat noch nie über den Kapitaliismus nachgedacht, der ihn immer umgibt, obwohl er da mit der gleichen Kritik ansetzen könnte: "Wenn ich Menschen nach Hungerlohn, Globalisierung und Klassenunterschieden frage, stellt sich meist heraus, dass sie darüber überhaupt noch nicht nachgedacht, geschweige denn diese fragen zu Ende gedacht haben."...

     

     

     

    Wenigstens verurteilt er nicht pauschal alle Gläubigen.

  • E
    Erdling

    Sehr gutes Interview. Mein Dank an Herrn Lehnert und die taz!

     

    @ zünglein: "...schwer erträgliche Überheblichkeit..." kenne ich nur vom Papst, den Bischöfen und anderen Verkündern der 'einzigen Wahrheit'

  • O
    ole

    @zünglein

    Na aber, besonders interessant ist doch die Tatsache, daß sich ausgerechnet die Gläubigen über dererlei "Standartphrasen" so dermaßen an's Bein gepinkelt fühlen, daß ihnen das selbst am 24.12. um 1.17 Uhr keine Ruhe lässt. Das ist doch das beste Beispiel für die Offenbarung der eigenen Beschränktheit, vorgetragen in einer für mich aber locker erträglichen Überheblichkeit. Fundiert und durchdacht ist hier lediglich die Unstete des eigenen Glaubens, nicht mehr und nicht weniger.

    In diesem Sinne - bleiben Sie sich treu.

  • Z
    zünglein

    @renken:

    wer schreibt von theologen? es sind die standardphrasen, die in diesem interview als was neues und revolutionäres dargestellt werden, dabei wirft jeder mittelprächtige atheist damit seit jeder um sich, obwohl sie weder besonders fundiert noch besonders durchdacht sind. sie sind lediglich wasser auf die mühlen einer bestimmten klientel, die sich ihr weltbild eh schon gezimmert hat.

     

    daher kann man eberhard nur uneingeschränkt zustimmen!

     

    im übrigen ist es doch lustig, dass grade sog. atheisten, die stets vehement behaupten, sich um gott und den glauben einen dreck zu scheren, sich doch überdurchschnittlich stark damit beschäftigen...

     

    und wie stets macht auch hier der ton die musik. es ist nicht abzustreiten, dass lehnert hier genau jene selbstgefällige überheblichkeit aufweist, die unter - ich sag mal - solch missionarischen atheisten äußerst üblich ist. nervt!

  • W
    Wolfgang

    Atheisten geht es im Grunde nach auch nicht viel besser oder schlechter als den Christen.

    Ich bin lieber Atheist, denn einen lieben gott gibt es nicht. Außerdem habe ich im Laufe meines Lebens festgestellt, das sich die Christen ihren Glauben so zurechtbiegen, wie er ihnen am besten in den Kram passt. Und diese Scheinheiligkeit mag ich nicht.

    Gell, Herr Professor Lehnert?

  • W
    womue

    Das ist eine bemerkenswerte coole und unverkrampfte Zusammenfassung der modernen Kirchenkritik, die in vielen Punkten meine Überzeugungen trifft. Es spielt da keine Rolle, [@Ächz] ob Argumente wirklich neu sind. Man merkt eben auch als Kirchenkritiker oder Atheist (was nicht unbedingt dasselbe ist) beim Nachdenken, daß man manchmal im Kreise geht.

     

    Fragwürdig bleibt die Verlagerung der Verantwortung für das Böse auf Gott, die sich so leicht aus der vermeintlichen Allmacht herleiten läßt. Theologisch betrachtet ist für das Böse der Teufel verantwortlich, weltlich rational gesehen der Mensch. Und zwar jener Mensch, der sich von seinem Gott oder seinen Göttern entfernt hat.

     

    Das ist ja der eklatante Unterschied zwischen den alten Religionen und den modernen. Das alte Testament und auch der Koran gehören zu den ersteren, da werden Krieg und Gewalt aus religiösem Antrieb noch gerechtfertigt. Im neuen Testament wird vom Menschen verlangt, daß er sich notfalls selbst aufgibt, wenn das Böse dadurch keine Entfaltung findet. Das ist etwas qualitativ Neues. Die Römer hatten das sofort erkannt. Man sieht darin nicht nur, daß die christliche Religion in dieser Hinsicht zwischen allen Werten steht, man sieht auch daß es einen fundamentalen Unterschied zwischen Evangelen und Katholiken gibt. Dem Lutherschen Judenhaß zum Trotz!

     

    Das hat die evangelischen Deutschen zwar zu keiner Zeit davon abgehalten, die Herrschaft von Diktatoren zu bestärken oder sogar zu fördern. Aber sie haben gelernt, sich in einer bewundernswert intellektuellen Weise selbstkritisch zu reflektieren und sich an den Gegebenheiten der Moderne mitsamt ihrer Religion zu entwickeln. Die Richtung ist etwa: Religion ist das, wovon wir glauben wollen, daß es uns am Guten hält! Das wird sich Stück für Stück von der Bibel lösen und auch die Katholiken werden dem Reiz, ihre Religion und ihre Moral selber zu gestalten, nicht auf Dauer widerstehen können. Und wüßte das der Papst nicht ganz genau, würde er nicht dauernd so beschämt drein schauen.

  • C
    carlo

    Über solche professoralen Weisheiten kann ich nur noch Bauklötzer staunen. Ein Gutes mag es ja haben, wenn sich Herr Lehnert in Zukunft von dieser legalen Droge fernhält.

     

    "Der Kampf gegen die Religion ist also mittelbar der Kampf gegen jene Welt, deren geistiges Aroma die Religion ist.

    Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend.

    Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volkes."

    (come on charlie!....)

  • LR
    Lutz Renken

    @ächz (und zünglein):

    So, die Theologen beschäftigen sich schon seit der Aufklärung mit solchen Standardphrasen? Ich wäre sehr an überzeugenden Gegenargumenten interessiert, die auch Sie uns wieder einmal vorenthalten. Ist das nicht gerade überheblich?

  • C
    Ächz

    Kalter Kaffe.

    Kein einziger neuer kritischer Gedanke.

    Ist die Religionskritik schon so auf den Hund gekommen?

     

    Seit der Zeit der Aufklärung geht Theologie mit diesen Problemen um!

  • SP
    Siegfried Piotrowski

    Danke, Herr Lehnert, danke, taz für den Mut,ein solches Interview, wenn auch wahrscheinlich stark gekürzt, um Weihnachten zu bringen. Weihnachten, Zeit des Konsums, des Märchens der Geburt des Sohnes Gottes.

    Es muss für die Anhänger der Sekte der Nazarener wundervoll sein, sich in die heidnischen Rituale herein zu stürzen und trunken vor Freude zu werden.

     

    Allen denen, die das brauchen, ein frohes Fest.

  • ZL
    Zoon logon echon

    Meine Kurzfassung:

     

    Einem Gott als "Schöpfer", sollte er denn existieren, anzuhängen, er habe den Menschen "nach seinem Bilde" geschaffen, wäre angesichts entsetzlich vieler frömmlicher Volltrottel, die ungestraft großen Schaden anrichten durften (exemplarisch: Dabbeljuh Bush), per se schon eine ungeheuerliche Blasphemie.

     

    Der Gott der monotheistischen Religionen entspricht auffällig dem Bild, das mickrige Möchtegern-Tyrannen wohl vor Augen haben, wenn sie sich zum allmächtigen, allwissenden und allgegenwärtigen Über-Potentaten träumen: Ehrenkäsig bis zur Lächerlichkeit (erwartet, auf Knien oder gar auf dem Bauch rutschend angebetet zu werden), sadistisch (z.B. Abraham/Isaak-Episode), willkürlich/ungerecht (was schert ihn das Elend des Fußvolks). Mit anderen Worten: Es spricht vieles dafür, dass (charakterlich eher zweifelhafte) Menschen Gott nach ihrem Bilde erschaffen haben.

     

    Wenn Sie es weniger radikal formulieren, Herr Lehnert - auch recht. Ich kann Ihnen trotzdem uneingeschränkt zustimmen.

  • SM
    Sospetto Monte

    Herr Lehnert spricht mir aus der Seele, wie man so sagt. Meine Ansicht deckt sich in all den Punkten zu 100%.

     

    Seit ich meinen latenten Glauben vor 10 Jahren auf Anraten eines sehr christlichen Kollegens anfing auf die Probe zu stellen, stellte ich sehr schnell fest, dass ich 30 Jahre zu lange den Verletzungen im Gehirn verhaftet war, die mir von Eltern, Schule und Klerus im Kindesalter durch Indoktrination zugefügt wurden.

     

    Meine Eltern waren leider auch nur Opfer, die in ihrer Zeit weit weniger Möglichkeiten zur Flucht aus dieser Indoktrinationsschleife hatten.

     

    Übrig bleibt nur eine unmäßige Wut über den Klerus, der dieses dreckige Spiel seit Jahrhundeten erfolgreich spielt um seine Macht zu vergrößern.

     

    Ich halte mich heute an eine Aussage von Nikos Kazantzakis:

    Ich erhoffe nichts.

    Ich fürchte nichts.

    Ich bin frei.

    Ich bin glücklich. (Meine eigene Erweiterung)

  • E
    eberhard

    Es ist meiner Meinung nach "nicht Gottes Job,

    die Menschen oder die Welt besser zu machen".

     

    Eher meine ich:

    Es ist der Job der Menschen, sich selber besser zu machen und dadurch vielleicht oder auch nicht zu erkennen, dass Gott gut ist. Das Böse ist alleine der Fehler / die Schwäche des Menschen.

     

    Dabei können diejenigen Menschen, die 'schon etwas mehr erkannt haben oder erkennen können' (Licht gesehen haben .... see the light) Anderen, die noch etwas mehr herumirren, eine Hilfe sein. Und ides völlig unabhängig von jedweder Richtung, die man vertritt oder meint zu vertreten. Schreibe ich mal so.

     

    Alles andere erscheint mir ein grosses Missverständnis aller Religionen.

     

    So.

  • JB
    Jürgen Beetz

    Hervorragendes Interview! Gratulation! Fragen auf den Punkt und Antworten souverän und klar - sowie Polemik-frei, was man nicht von allen Religionskritikern sagen kann! Endlich mal geistige Kost für aufgeklärte Humanisten. Also bitte öfter mal wieder...

  • DR
    Dr. rer. Nat. Harald Wenk

    Eines von Nietzsches Kritikargumenten war, dass die Chhristen gar keinen "erlösten" oder frohe Enindruck machten.

    Leider haben sie allzu erfolgreich alles getan, damit gerade die Kritiker so unglücklich wie möglich innerhalb ihrer Machtmöglichkeiten sind, Blockierung und Verbiegung der Wissenschaften, insbesondere aller die mit der Seele und dem Gehirn zu tun haben, voran.

     

    Da der Kritiker schon politisch und wirtschaftlich extrem klein gehalten wird durch die christlich ausgewiesenen oder in ihrem Fahrwasser schwinden Konversativen, bis weit ins GRÜNE und Arbeiterbewegungsmilieu hinein, und eine extrem kleinschrittiger Hürdenlauf um wirklich jedes Stück

    Freiheit, Vernunft, materiellen Wohlstand, Selbestimmung, Vernunft, Wahrheit die zunächst und zumeist Alltagsstrukturierung der christlichen Prägung der Unkultur stattfindet.

     

    Das Schwergewicht des Lebene gibt es dann konsequenterweise schlicht und ergreifend gar nicht mehr, weder im leben noch in irgendwie gearteten halbwegs realistischen Nachtodszenarien, wie die in der Philosophie weltweit anerkannten Metempsychose.

     

    Im Gegenteil.: Vor so einem Schwergewicht wird am aller- allermeisten gewarnt.

     

    Unbehagen in der Kultur? Gehen sie zum Arzt!

  • RB
    Rainer Buchheim

    Wunderbare Worte - Danke, Herr Professor Lehnert!

  • Z
    zünglein

    mal wieder ein nettes beispiel, wie grade jene menschen, sich selbst für intellektuell und aufgeklärt halten, mit dem blick aus ihrer selbstgefilterten brille - Lehnert erklärt hier keinerlei neue thesen, sondern drischt die standardphrasen - ihre eigene beschränkung in form einer nur schwer erträglichen überheblichkeit offenbaren... und es augenscheinlich nicht mal merken.