Interview mit Manuela Schwesig zu Hartz-IV: "Frau von der Leyen blockiert"
Die SPD-Sozialpolitikerin Manuela Schwesig sagt: "Kinder sind von der Leyen wohl nicht wichtig". Sie wolle nur verwalten. Und Hartz-IV-Empfänger erhielten kein Geld, weil die Ministerin blockiere.
taz: Frau Schwesig, die Arbeitsministerin sagt, am Freitag könnte es bei Hartz IV zu einer Einigung kommen. Sie will das Bildungspaket auf Kinder von Wohngeldempfängern ausweiten und über einen Mindestlohn für die Leiharbeit sprechen. Reicht Ihnen das?
Manuela Schwesig: Das reicht uns nicht. Wenn Frau von der Leyen weiterhin die Schulsozialarbeit verhindert und keinen ordentlich berechneten Regelsatz vorlegt, wird es diese Woche keine Einigung geben.
Wäre denn als erster Schritt eine Teillösung möglich?
MANUELA SCHWESIG Die 36-jährige Finanzwirtin ist Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern und seit November 2009 stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD.
Wir brauchen ein Gesamtpaket, denn die Themen Bildung, Regelsatz und Mindestlohn gehören zusammen. Wir wollen auch erreichen, dass das Bildungspaket unbürokratisch umgesetzt wird. Und es soll durchschnittlich an jeder Schule, vom Bund unterstützt, einen Schulsozialarbeiter geben. Die jüngste Bertelsmann-Studie zeigt, dass wir für mehr soziale Gerechtigkeit in die Bildungsinfrastruktur investieren müssen. Es ist ein Armutszeugnis für die Arbeit von Frau von der Leyen, dass Deutschland bei der Kinderarmut hinter Tschechien rangiert.
Bildungsaufgaben sind aber Ländersache, der Bund darf sich nicht einmischen.
Frau von der Leyen macht es sich zu einfach, wenn sie sich nicht zuständig fühlt. Offenbar sind ihr die Kinder nicht so wichtig. Denn es gibt ganz klar den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts, die Bildungsteilhabe der Kinder auch durch den Bund sicherzustellen. Die Förderung der Kinder stellt man durch Menschen sicher, die die Kinder vor Ort, in Kitas und Schulen, unterstützen. Frau von der Leyen will die Kinder zur Arbeitsagentur schicken, sie will sie nur verwalten.
Wie wollen Sie ein Weniger an Bürokratie bei der Umsetzung des Bildungspakets erreichen?
Wir schlagen vor, dass die Kommunen für die Umsetzung des Bildungspakets Geld erhalten und dann alles in eigenständiger Regie gestalten können. So läuft es beispielsweise in Lübeck mit dem Bildungsfonds.
Die Opposition hat in der Arbeitsgruppe etliche Rechenaufträge erteilt. Einige Ergebnisse lägen vor, sagt Frau von der Leyen. Für andere brauche es insgesamt 90 Tage. Warum?
Das ist reine Hinhaltetaktik. Die Höhe der Sozialleistungen wird seit Jahren anhand der 20 Prozent der unteren Einkommen ermittelt. Es ist nicht nachvollziehbar und glaubwürdig, dass Frau von der Leyen diese 20-Prozent-Berechnung noch nicht gemacht hat. Wir gehen davon aus, dass sie die Berechnung schon hat. Die Ministerin taktiert und blockiert, das ist eine Gefahr für die Verhandlungen.
Wie lange halten Sie dem Vorwurf stand, dass Ihre Blockade die Hartz-IV-Empfänger um ihre neuen Leistungen bringt?
Die Hartz-IV-Empfänger erhalten ihr Geld nicht, weil Frau von der Leyen blockiert. Sie hat sich zehn Monate Zeit gelassen für ein schlechtes Gesetz, dem wir nicht zustimmen können. Und jetzt verweigert sie die Auszahlung des Bildungspakets und des höheren Regelsatzes, obwohl das möglich wäre. Sie will Erpressungspotenzial gegenüber den Sozialdemokraten haben. Aber wir lassen uns nicht erpressen.
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