piwik no script img

Interview mit Bildungsexpertin Dagmar Maur"Perfektes Deutsch ist nicht alles"

Die Abschlüsse vieler ausländischer Fachkräfte werden derzeit nicht anerkannt - ein neues Gesetz soll das nun ändern. Ein erster Schritt, sagt Bildungsexpertin Dagmar Maur.

Für viele ausländische Fachkräfte Wirklichkeit: Taxi fahren statt in ihrem Beruf arbeiten zu können. Bild: dpa
Anna Lehmann
Interview von Anna Lehmann

taz: Frau Maur, werden Fachkräfte, die aus dem Ausland zu uns kommen, vergrault?

Dagmar Maur: Viele haben es sehr schwer. Denn verglichen werden in der Regel nicht die Kenntnisse, sondern die Ausbildungen. Und da gibt es nun mal Unterschiede.

Doch selbst wenn etwa die Abschlüsse von Russlanddeutschen anerkannt werden, sind viele arbeitslos. Warum?

Im Interview: 
Dagmar Maur

leitet das Programm Aqua der Otto Benecke Stiftung in Bonn, die akademisch gebildete Zuwanderer in Weiterbildungen vermittelt, damit sie wieder in ihre Berufe einsteigen können. Bundesregierung und EU finanzieren die Maßnahmen.

Oft wird nur ein Teil des Abschlusses anerkannt. Die Auflagen sind das große Problem. Wir treffen nie Menschen, die sagen, ich darf keine Anerkennung beantragen. Alle sagen, ich kann nicht arbeiten, weil es zu schwierig ist, die volle Anerkennung zu bekommen.

Gibt es auch positive Beispiele?

Ingenieure sind mehr oder weniger anerkannt. Aber es glückt nur wenigen, einfach so per Bewerbung im Beruf Fuß zu fassen.

Woran liegt das?

Das liegt zum einen an der Skepsis der Unternehmen gegenüber den erworbenen Kenntnissen, aber auch an mangelnden Sprachkenntnissen. Unternehmen haben immer noch sehr hohe Anforderungen. Ich denke, im Wettstreit um die besten Köpfe müssen wir uns von dem Grundsatz, dass jeder perfekt Deutsch sprechen kann, vorsichtig verabschieden. Das entspricht einfach nicht der Realität.

Wird sich die Situation der Ingenieure, die Taxi fahren, mit dem geplanten Gesetz ändern?

Für die Taxi fahrenden Ingenieure, Lehrer und Ärzte, die schon länger im Land sind, ist es richtig schwierig, noch einmal eine Chance zu bekommen, um in ihrem Beruf Fuß zu fassen.

Warum?

Die Jobcenter haben in der Regel kaum Interesse, dass der Ingenieur wieder aus dem Taxi steigt. Solange er Taxi fährt, taucht er zumindest nicht in der Arbeitslosenstatistik auf. Wir müssen sehr viel Überzeugungskraft aufbringen, damit diese Zuwanderer noch einmal eine Weiterbildung genehmigt bekommen.

Und wie oft gewinnen Sie?

Zu 95 Prozent, aber es ist ein enormer Energieaufwand, der betrieben werden muss.

Was erwarten Sie dann überhaupt von dem Gesetz?

Dieses Gesetz ist ein sehr wichtiger erster Schritt. Ich hoffe, dass sich damit allmählich die Denkkultur ändert. Dass es in einem Anerkennungsschreiben auch mal heißt: "Herzlich willkommen, vielen Dank, dass Sie uns Ihre Qualifikationen anbieten."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • K
    KFR

    ... und auf der CEO-Ebene läuft das dann so :

    "you very good man, you make many many dollars, equal goes it loose"

    ( kein Witz !)