Interview mit Assaf Gavron: "Fast bin ich zum BVB-Fan geworden"
Der israelische Schriftsteller Assaf Gavron über die Bedeutung des Fußballs in seinem Heimatland und die Rolle deutscher Spione.
Assaf Gavron, 40, lebt als Schriftsteller in Tel Aviv. Sein Roman, "Ein schönes Attentat" (Luchterhand), erzählt die Geschichte eines Israelis, der drei Attentate von palästinensischen Extremisten überlebt und zum (tragischen) Helden wird. Gavron ist Gründer und Spielführer der israelischen Fußball-Autorenn-Nationalmannschaft.
Am Dienstag trifft die israelische Fußball-Autorennationalmannschaft im Stadion von Rishon Lezion auf das deutsche Team. Es ist das Rückspiel, nachdem im Mai in Berlin die deutsche Mannschaft mit 4:2 gewonnen hatte. Das Spiel ist Teil eines Besuchsprogramms des Deutschen Fußballbundes aus Anlass der Gründung des Staates Israel vor 60 Jahren.
taz: Herr Gavron, warum sind Sie so sicher, dass Sie diesmal die deutsche Mannschaft schlagen werden?
Assaf Gavron: Wir haben natürlich nach wie vor großen Respekt vor dem deutschen Team. Aber keine Angst wie noch beim Hinspiel im Mai in Berlin. Das war ja unser erstes Match überhaupt als israelische Autorennationalmannschaft. Und dann ging es gleich gegen die große Fußballnation Deutschland. Dafür aber war die 2:4-Niederlage ein richtig gutes Ergebnis. Seitdem trainieren wir regelmäßig, haben uns verstärkt und jetzt Heimvorteil. Das alles spricht für uns.
Der Spielführer der Deutschen Mannschaft, Moritz Rinke, hat angeblich sogar einen Spion nach Israel geschickt, um Ihr Team beobachten zu lassen.
Ja, das ist kein Witz. Das zeigt, wie ernst wir genommen werden. Wenn der Beobachter da war, haben wir immer besonders fleißig und hart trainiert und sind danach nicht mal ein Bier trinken gegangen. Das hat dem Spion ganz schön imponiert.
Es klingt so, als wäre Ihr Team in Topform.
Es gibt noch einige Probleme. Zum Beispiel im Trainerbereich. Wir haben ja erst ein Spiel absolviert, aber schon den dritten Trainer.
Warum verschleißen Sie so viele Trainer?
In Israel ist alles unheimlich zeitaufwendig, vieles weniger organisiert. Und es gibt auch kein Geld. Ohne Bezahlung ist es unheimlich schwer, einen Trainer zu finden. Wir erhalten ja, anders als die deutschen Autoren, keine finanzielle Unterstützung. Weder vom israelischen Staat noch vom Fußballverband. Israel ist in dieser Hinsicht ein armes Land. Vor allem immer dann, wenn es um Kultur- und Sportförderung geht.
Ist das Match gegen Deutschland für Sie ein besonderes Spiel?
Natürlich. Wenn Deutsche und Israelis aufeinandertreffen, ist das immer etwas Besonderes. Auch im Fußball. Ich bin deshalb froh, dass es Deutschland war, gegen das wir unser Länderspieldebüt gefeiert haben, und das auch noch auf dem Olympiagelände in Berlin, wo die Nazis 1936 ihre Olympischen Spiele inszenierten. Das war für uns ein wirklich schwieriges Auswärtsspiel. Das können Sie mir glauben.
Wie in Berlin wird nach dem Fußball gemeinsam gelesen und diskutiert. Die deutschen Autoren haben angekündigt, auf Fußballliteratur zu verzichten. Sie wollen ernsthafte Texte über Israel präsentieren. Was halten Sie davon?
Ich finde das gut und bin gespannt, auch gerade auf die anschließenden Diskussionen. Wir selber würden jedoch viel lieber Texte über Fußball lesen. Aber das können wir nicht, weil es bei uns diese Gattung nicht gibt.
Ist Israel ein Land ohne Fußballliteratur?
Aktuell leider ja. In Israel dominiert die Politik, der Konflikt mit der arabischen Welt. Das überlagert alles, auch die Literatur. Es müssen sich erst diese Zustände ändern, bevor in unserem Land wieder über Fußball geschrieben werden kann. Unser Team hat aber nun einen kleinen Anfang gemacht und eine schmale Fußballanthologie herausgebracht. Wir brechen damit bewusst mit der Tradition von populären Kinder-Fußballbüchern aus den Siebzigerjahren in Israel. Da funktionierte der Fußball, zumindest literarisch, noch sehr einfach. Das israelische Team feierte nur große Siege. Vor allem gegen die Araber und gegen die kommunistischen Länder.
Haben Sie durch diese Bücher als Kind Ihre Leidenschaft für den Fußball entdeckt?
Eindeutig nein. Daran war vielmehr das jordanische Fernsehen Schuld. Das zeigt jeden Freitagabend alte Borussia-Dortmund-Spiele, und ich habe mit großen Augen davor gesessen. Im israelischen Fernsehen fand damals Fußball nicht statt. So bin ich fast zum BVB-Fan geworden.
Zu wem halten Sie heute?
Das ist unterschiedlich. In Israel schlägt mein Herz für Beitar Jerusalem. Weil ich lange in London studiert und gelebt habe, bin ich dort zum Arsenal-Fan geworden. In Deutschland mag ich seit unserem Berlin-Match Hertha BSC. St. Pauli gefällt mir auch sehr. Vor allem wegen der braunen Trikots. So etwas habe ich noch nirgendwo auf der Welt gesehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil