Interview Super-Tuesday: "Rassismus spielt keine Rolle"

Wieder einmal einigen sich die Republikaner recht früh auf einen Kandidaten, während die Demokraten das noch auskämpfen. Einig sind sich alle im Wunsch nach Veränderung, sagt Dr. John Hulsman.

"Das Land ist viel weiter als die Leute so denken" - Barack Obama und seine Frau Michelle in Chicago. Bild: ap

taz: Herr Hulsman, was sagen Ihnen die Ergebnisse des Super Tuesday, soweit sie bisher bekannt sind?

John Hulsman: Wieder einmal haben die Republikaner relativ schnell einen Kandidaten, während die Demokraten das noch ein wenig länger auskämpfen. Vor fünf Wochen sahen die Republikaner noch völlig chaotisch aus - heute hat John McCain die Nominierung gewonnen. Sein entscheidender Vorteil war dabei nicht, dass er selbst einen so tollen Wahlkampf geführt hätte, sondern die Tatsache, dass Huckabee die Konservativen gespalten hat. Mike Huckabee hat im Süden hervorragend abgeschnitten und Mitt Romneys Strategie, die Konservativen gegen McCain zu einen, zunichte gemacht. Für die Republikaner ist das natürlich ein Glücksfall, wenn derjenige gewinnt, der noch am ehesten auch moderate Demokraten anlocken kann, in allen wichtigen Fragen einiges an Erfahrung aufzubieten hat. Selbst wenn man mit ihm - so wie ich - nicht überein stimmt, muss man doch zugeben, dass er am ehesten die Chance haben wird, auch tatsächlich gewählt zu werden.

taz: Und bei den Demokraten?

Hulsman: Hillary liegt in Führung, sie hat Kalifornien gewonnen, obwohl Ted Kennedy für Obama in den Ring gestiegen ist. Aber Obama hat sehr sehr gut abgeschnitten. Er hat Connecticut gewonnen, ein Staat, den Clinton eigentlich sicher glaubte. Er hat insbesondere in den Caucus-Staaten im Westen sehr sehr gut abgeschnitten. Er hat wieder gezeigt, dass er in Red States gewinnen kann, also in traditionell republikanisch wählenden Staaten. In North Dakota hat er kürzlich eine Menschenmenge von 14.000 Leuten mobilisieren können, bei 28 Grad minus. Clinton führt, aber der Wahlkampf geht weiter, und die nächste Runde von Vorwahlen ist günstig für Obama. Das kann noch lange dauern.

taz: Zurück zu den Republikanern: Sie haben gesagt, dass McCain offensichtlich derjenige ist, der am ehesten die Stimmen von Unabhängigen und moderaten Republikanern gewinnen kann. Heißt das, dass die Ultrakonservativen, die ja während der Bush-Regierung die Richtung angegeben haben, keine Rolle mehr spielen werden?

Hulsman: Ich wünschte, das wäre so... In Wirklichkeit aber werden sie weiter eine Rolle spielen, und gerade bei der Außen- und Sicherheitspolitik werden die Neokonservativen um Bill Cristol immer noch da sein. Der Unterschied ist, dass die Tür für Leute wie mich und Bush-I- bzw. Eisenhower-Typen offener sein wird, was die Außenpolitik angeht. Innenpolitisch sind die Republikaner in einer schwierigeren Lage: Da Huckabee die konservativen Stimmen hat spalten können, steht er heute als der natürliche Vizepräsidentschaftskandidat da. McCain muss versuchen, die ultrakonservativen Evangelikalen für sich zu gewinnen und ihnen etwas anzubieten, sonst werden sie ihn einfach nicht wählen. Wenn er Huckabee als Vizepräsidentschaftskandidat aussucht, muss der im Süden den Wahlkampf führen.

taz: So viel ist darüber geschrieben worden, dass die Demokraten in jedem Fall Geschichte schreiben, indem sie entweder die erste Frau oder den ersten Schwarzen nominieren. Wird das in einem Wahlkampf Obama oder Clinton gegen McCain eine große Rolle spielen?

Hulsman: Glorioserweise nein. Das Land ist viel weiter als die Leute so denken, besonders außerhalb der USA. Ich war kürzlich in Virginia, der Wiege der Konföderierten. Die Zahl der gemischten Ehen mit Kindern ist exponentiell in die Höhe geschnellt. Die alten Linien der Segregation kann ich schlicht nicht mehr erkennen, und es scheint sich auch niemand darum zu kümmern, ob jemand nun schwarz oder eine Frau ist. Natürlich gibt es noch einzelne Gebiete im Land, wo Rassismus herrscht - aber die großartige Nachricht dieser Wahl ist, dass das so wenig wie noch nie in unserer Geschichte eine Rolle spielt. Und nach den zweifelhaften Schlagzeilen, die Amerika in den vergangenen acht Jahren produziert hat, ist das eine ziemlich tolle Nachricht.

taz: Aber die Nachwahlumfragen der Demokraten zeigen doch: Frauen unterstützen Hillary, Schwarze unterstützen Obama - es gibt also doch eine Trennlinie entlang Hautfarbe und Geschlecht.

Hulsman: Das kann man noch weiter treiben. Die Leute, die für Hillary arbeiten, sind Arbeiter, Latinos - die tatsächlich ihr Problem mit Schwarzen haben, das ist die eigentliche neue ethnische Trennlinie - und Frauen, vor allem ältere. Für Obama stimmen sehr junge Leute, gebildete Wähler und Schwarze - eine Bobby-Kennedy-Koalition wie 1968. Und Obama hat ihr Stimmenreservoir bei weißen Frauen und noch mehr bei schwarzen Männern ziemlich angegriffen. Aber es stimmt schon: Der Zugriff auf diese Wählergruppen scheint einzufrieren, und je länger es dauert, desto schwieriger wird es, die andere Person mit an Bord zu bringen. Jede Seite kann sich legitime Hoffnungen machen zu gewinnen, so hat niemand einen Anreiz auszusteigen. Und das könnte bewirken, dass die Demokraten, obwohl sie zwei gute, wählbare Kandidaten haben, sich noch eine Weile im Bürgerkrieg verkämpfen, während sich die Republikaner um ihren Kandidaten scharen. Das ist schon ironisch, dass wir in diesem so ungewöhnlichen Jahr zu ganz gewöhnlichen Mustern zurückkehren.

taz: Sieht es nur von außen so aus oder stimmt der Eindruck, dass sich diesmal viel mehr Menschen für die Vorwahlen interessieren und dass es - da es auf beiden Seiten niemanden gibt, der offen für den Status Quo steht, keinen Vizepräsidenten etwa, der kandidiert - eine echte Chance auf eine ganze neue politische Debatte gibt?

Hulsman: Ganz sicher. Trotz aller Trostlosigkeit - und niemand kann düsterer empfinden als ein Amerikaner, der im Ausland lebt - ganz klar ja. John McCain war in der Republikanischen Partei immer ein Einzelgänger und niemand kann ihn so richtig leiden, weil er sich dem Trend widersetzt. Hillary Clinton steht für die Vergangenheit der Clinton-Ära - was immerhin eine Veränderung gegenüber der Bush-Ära bedeutet. Und Barack Obama ist wirklich etwas völlig neues, ist wirklich eine Figur, die für Veränderung steht. Nehmen Sie die drei zusammen, dann haben Sie zwei Drittel des Landes an den Urnen, verzweifelt bestrebt, die Geschicke des Landes herumzureißen. In den letzten acht Jahren haben wir Haushaltsüberschüsse in Defizite verwandelt, das gewachsene Vertrauen der Welt in unsere Außenpolitik verspielt. Die Leute mögen so etwas nicht.

Interview: Bernd Pickert

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