Interview Putins Nachfolger: "Die Wahlmaschine ist angelaufen"
Die Politikwissenschaftlerin Margareta Mommsen hält Medwedjew für den besten Mann als Putin-Nachfolger. Er sei einer der liberalsten Politiker.
taz: Frau Mommsen, nach dem Willen der kremlnahen Parteien soll Dmitri Medwedjew als ihr Kandidat bei den Präsidentenwahlen im März 2008 antreten. Hat Sie diese Entscheidung überrascht?
Margareta Mommsen: Nicht unbedingt, denn er ist ja als möglicher Nachfolger von Putin schon länger im Gespräch. Auf jeden Fall ist er, aus westlicher Sicht betrachtet, der beste Mann.
Weshalb?
Abgesehen von Kandidaten der Opposition, die froh sein können, wenn sie überhaupt antreten dürfen, ist Medwedjew einer der liberalsten Politiker. So hat er dem Konzept der souveränen Demokratie, wonach sich das Ausland nicht in russische Belange einmischen darf, eine Absage erteilt und gesagt: Eine Demokratie mit Adjektiven gibt es nicht. Er steht für nicht zu viel Staat in der Wirtschaft und wird vom Verband der russischen Industriellen unterstützt. Das ist ein wichtiger Faktor.
Heißt Russlands nächster Präsident Dmitri Medwedjew?
Ja, die Wahlmaschine ist bereits angelaufen. Allerdings muss man auch sagen, dass Medwedjew seit seiner Ernennung zum Ersten Vize-Ministerpräsidenten 2005 planmäßig aufgebaut worden ist.
Medwedjew ist Vorsitzender des Aufsichtsrates von Gazprom. Könnte seine Nominierung einen Machtzuwachs für den Konzern bedeuten?
Gazprom ist ohnehin schon ein Staat im Staat, aber ich glaube, dass es keine Weiterungen für Gazprom geben wird. Medwedjew wird nach seiner Wahl den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden abgeben. Doch Gazprom ist eine Machtbasis für Medwedjew, sein politisches Kapital, und das wird auch in Zukunft so bleiben.
Durch seine öffentliche Unterstützung für Medwedjew hat Putin das Rätselraten über die weitere Entwicklung zumindest teilweise beendet. Was wird Ihrer Meinung nach aus dem jetzigen Staatschef?
Dass Putin so etwas wie ein nationaler Führer werden will, halte ich für eine Legende. Er will auf der internationalen Szene präsident bleiben, als Chef des Sotschi-Kabninetts, des Gremiums zur Vorbereitung der Olympischen Spiele. Er möchte weiter Einfluss nehmen, aber nicht um jeden Preis an der Macht bleiben.
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