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Interview Platzbesetzer der Occupy-Bewegung"Wir haben keine richtigen Antworten"

Matt Crosby, Platzbesetzer in Washington, über Ziele, Vorbilder und Struktur der Occupy-Bewegung. Und über das Gefühl, dass plötzlich möglich ist, was vor Kurzem noch undenkbar schien.

Freundliche Bewegung: OWS-Aktivisten im New Yorker Zuccotti-Park. Bild: reuters
Dorothea Hahn
Interview von Dorothea Hahn

taz: Herr Crosby, einige Republikaner nennen Ihre Bewegung sozialistisch oder kommunistisch. Was sagen Sie dazu?

Matt Crosby: Ich grinse freundlich. Ich glaube, dass es Dinge im Kommunismus gibt, die Wert haben. Und Teile aus dem Sozialismus können übernommen werden. Aber ich glaube nicht, dass ein Allheilmittel existiert.

Andere vergleichen Ihre Bewegung mit der Tea Party.

Das klingt griffig. Ist aber falsch. Denn die Tea Party ist sich sicher, die richtige Antwort zu kennen. Wir wissen nur, dass es Dinge gibt, die falsch sind. Außerdem ist die Tea Party xenophob.

Aber was ist Ihr Ziel?

Das ist symptomatisch: Sobald jemand eine Frage stellt, wollen die Leute gleich die Antwort hören. Darum lassen wir Konzerne und Institutionen entscheiden, weil sie effizienter sind.

Bild: D. Hahn
Im Interview: Matt Crosby

25, stammt aus einer Mittelschichtfamilie aus dem Umfeld von Washington, D. C. und arbeitet als freiberuflicher Kameramann. Er gehört zu den Besetzern des McPherson-Platzes in der Nähe des Weißen Hauses und ist Mitglied des Action-Committees, das die täglichen Aktionen und Diskussionen organisiert.

Wenn sich Menschen in Kälte und Regen auf einem Platz niederlassen, müssen sie doch wissen, warum sie das tun.

Wir haben keine Hierarchie. Ich kann nur für mich sprechen.

Gut. Warum sind Sie hier?

Das ändert sich ständig. In diesem Moment sind es: Bildung, Obdachlosigkeit und politisches Bewusstsein. Ich will sagen: Ich bin nicht damit einverstanden, wie die Welt funktioniert. Außerdem muss die repräsentative Demokratie in Amerika neu definiert werden. Die Politik repräsentiert nicht die Bürger.

Was ist die Ursache der Probleme? Das Wirtschaftssystem?

Gier. Das ist die Motivation.

Gibt es ein Mittel dagegen?

Vor zwei Wochen hätte ich geantwortet: Nein. Aber jetzt tue ich meinen Teil dazu, dieses System zu ändern. Dieses ist meine letzte Gelegenheit, das Gute zu finden. Denn ich spüre, dass die Menschheit auf einem negativen Pfad von Gier und Krieg ist. Und ich glaube, dass diese Bewegung die Möglichkeit hat, die Strippenzieher der Welt zu nötigen, weniger gierig zu sein.

Wie kamen Sie zur Bewegung?

Im Juli habe ich im Internet von Occupy Wall Street erfahren. Mich haben die Bewegungen am Tahrirplatz und in Tunesien sehr interessiert. Aber ich dachte, in den USA kann das nicht funktionieren.

Warum nicht?

Sie wollten den Status quo ändern. Das fand ich unrealistisch. Vielleicht hätten manche armen Amerikaner gern einen BMW, den sie sich nicht leisten können. Aber immerhin haben sie einen Lexus. Solange Menschen Unterhaltung bekommen, gehen sie nicht auf die Straße.

Wie kam es, dass Sie Ihre Skepsis gegenüber der Occupy-Bewegung überwunden haben?

Ich kam zuerst mit meiner Kamera. Als Voyeur. Und bin zu der Freedom Plaza gegangen …

dem wenige Blocks entfernten, eher von älteren Aktivisten besetzen Platz in Washington.

Genau. Aber das fand ich langweilig. Am Abend kam eine andere Gruppe von Demonstranten vorbei. Sie waren viel weniger zahlreich und viel jünger. Sie zogen zum Newseum, setzten sich auf die Straße, sangen und tanzten. Ich haben gefilmt. Dann bin ich selber geblieben.

Spüren Sie Unterstützung?

Ja. Oft sagen mir Leute, die zum Platz kommen: "Ich muss zur Arbeit. Aber was kann ich tun?"

Woher kommt die Sympathie?

Die Leute spüren, dass vieles so, wie es ist, falsch ist. Aber sie wissen nicht, was sie tun können. Wenn sie uns sehen oder Occupy Wall Street oder Dallas, dann lieben sie es. Da steht jemand auf und sagt etwas - auch wenn sie es nicht immer verstehen.

Immer mehr Parteien und Organisationen versuchen, Ihre Bewegung zu vereinnahmen. Beunruhigt Sie das?

Solange ich hier bin, wird es ihnen nicht gelingen.

Überschätzen Sie sich da nicht?

Erst heute wollten gewisse Leute den linken Flügel der Demokraten im Kongress zu uns auf den Platz einladen. In der Vollversammlung haben wir Nein gesagt. Bei uns kommt die Macht von unten. Persönlich bleibe ich so lange auf dem Platz, wie wir eine Volksbewegung sind und nicht durch Parteien, Kirchen oder Non-Profit-Organisationen vereinnahmt werden.

Ist das Konsens?

Es kommen jeden Tag neue Leute auf den Platz. Viele sehen das genauso wie ich, viele nicht.

Wann ist die Besetzung für Sie erledigt?

Ich weiß es nicht.

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8 Kommentare

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  • A
    aurorua
  • E
    elchico

    Fassen wir einmal zusammen:

     

    - Motivation für die Teilnahme an den Protesten:

     

    Junge Demonstranten, die sich auf die Straße setzten und tanzten. Bei älteren Demonstranten nur Voyeurismus (sic)

     

    - Veränderungswünsche: Das ändert sich ständig. Einen Konsens unter den Demonstranten gibts schon garnicht.

     

    - Ziele: Die Konzerne sollen weniger gierig sein.

     

    Oder ganz kurz: Mir gefällts nicht wie es ist. Schuld sind die anderen. Ich protestiere weil ich gern singe und tanze. Und was anders werden soll weiß ich nicht und wissen die anderen auch nicht.

     

    Na toll! Das sind ja beste Voraussetzungen für eine politische Bewegung und für eine Veränderung der Gesellschaft.

  • R
    rocker

    Die Überschrift könnte passender nicht sein.

  • R
    rheinelbe

    Grüne Trittbrettfahrer

     

    Solidarität mit den Protesten und viel Erfolg!

     

    Was allerdings ausgerechnet die unsozialen Grünen bei solchen Protesten zu suchen haben, ist und bleibt rätselhaft. Sie wollen wohl überall abstauben, weil ihre Umfragewerte sinken. Der Katastrophenbonus dieser Umwelt-FDP ist bald restlos aufgebraucht. Und davor haben die Grünen Angst ...

    Deshalb ist es ihre immer wiederkehrende Taktik, Bürgerbewegungen für eigene egoistische Zwecke zu instrumentalisieren - also zu missbrauchen.

    Davor ist zu warnen.

  • HD
    Hajdy Do Bajdy

    Die Antwort ist die Suche nach der Antwort. Das Eingeständnis, dass es keine vorformulierte Antwort gibt. Das Verweigern vor dem Unwort „alternativlos“!!!

     

    Nun, warum findet der Westen keine erfolgreiche Antwort gegen den Diktator Yanukovych in der Ukraine? Der Grund liegt in der Erscheinung Putins, der sich das Verhaltensmuster der USA im Kalten Krieg zunutze gemacht hat.

    Im Kalten Krieg hat sich die USA auf jeden geworfen, der unter den Verdacht des Kommunismus stand. Dabei wurden die USA Handlanger für Diktatoren wie Pinochet in Chile.

    Daher, in Moskau hat man dies verstanden und mit der Sowjetunion weitergemacht, nur hat man diesmal vermieden als Kommunist identifiziert zu werden. Man tritt also als Kapitalist auf. So auch der Diktator Yanukovych, mit welchen man einen lateinamerikanischen Hinterhof für Europa schafft. Man lacht in Kyjiv über die Rügen wegen Menschrechtsverletzung, weil man andererseits nicht gegen das Bankensystem auftritt. Dies ist das Gegengewicht, mit dem Diktatoren in der Welt in Saus und Braus leben können.

     

    Daher, die Demonstranten in den USA können gerade der letzte Versuch für die USA sein, um in einer geänderten Welt überhaupt noch existieren zu können. Das Verhaltensmuster der USA vom Kalten Krieg hat zur Verschärfung der gesellschaftlichen Schwächen des US-amerikanischen Systems geführt und zu deren Eiterung. Wenn man da die Wallstreet amputieren muss, damit der Rest des Körpers überlebt, da es anscheinend keine Heilung für die Wallstreet gibt, dann wiederspricht dies nicht unbedingt unserer Vernunft. Es kann sich also durchaus um eine Entscheidung der Vernunft handeln.

  • B
    Bolle

    Boahr, is das übel.

     

    Der is ja noch schlimmer als die angeblich so politisiert-basisdemokratischer-Aufbruch Wutbüger in Stuttgart, und es gehört wahrlich Einiges dazu, die zu unterbieten.

     

    Ungefähr so schlecht wie diese eine Kolumne, die Kübra Gümüsay sich mal geleistet hat "Ich bin einfach mal da und fühl mich irgendwie, mir doch egal, ob jemand dezidierte politische Aussagen von mir hören will, komm mir dabei aber noch unglaublich aufgeklärt vor."

    Aber wenigstens hielt sie sich dabei nicht auch ncoh für eine politische Bewegung. Die Occupy-Wallstreet-Leute tun das aber, dabei ist das in ihrem Fall kein bisschen angebrachter.

     

    Die werden die Welt ganz sicher ändern. Kotz.

  • RD
    Richard Detzer

    Guter Mann. Sagen wir, ein Anfänger. Von Anfängen lernen sollte in der nächsten Zeit angenehm sein. Die Occupy Bewegung gibt es, weil es bereits Antworten gibt. Problem ist, es gibt zu viele falsche Antworten.

     

    By the way - Occupy!

  • K
    Kassandra

    Nicht, daß jetzt im Schatten des Aufbruchs und des Rummels, Griechenland, das bereits seit 2008 rebelliert und einen gewaltigen Anteil an Mutmachung hat, dran glauben muß. Die Gerüchteküche rumort, Blogs berichten von Sichtungen von Eurogendfor-Truppen, die über Igouminitsa in eine freigemachte Kaserne nach Larissa eingeritten sind und die massive Streikbewegung niederschlagen sollen.

    Updates:http://www.occupiedlondon.org/blog/