Interview Hilfe für Illegale: "Weil es Menschen sind"

Die Meldepflicht in den Schulen aufzuheben, reicht nicht aus, meint Johannes G. Knickenberg vom Katholischen Forum "Leben in der Illegalität".

Auch bei der Gesundheitsversorgung muss die Meldepflicht dringend eingeschränkt werden, damit irregulären Ausländer ihr Recht auf medizinische Notversorgung auch beanspruchen. Bild: dpa

taz: Herr Knickenberg, wenn die Meldepflicht an Schulen abgeschafft ist, für welche Forderungen legt sich das Katholische Forum dann ins Zeug?

Johannes G. Knickenberg: Im Bereich Gesundheit ist die Situation eigentlich klar: Das Sozialstaatsprinzip in Verbindung mit der Menschenwürde, wie sie im Grundgesetz festgeschrieben sind, fordern eine gesundheitliche Mindestversorgung für alle. Die irregulären Ausländer haben deshalb auch ein gesetzlich verbrieftes Recht auf medizinische Notversorgung. Doch auch Sozialämter und öffentliche Krankenhäuser müssen melden, so dass diese Versorgung aus Angst vor Abschiebung nur ganz selten in Anspruch genommen wird. Private Ärzte aber sind zu teuer. Auch bei der Gesundheitsversorgung muss die Meldepflicht dringend eingeschränkt werden.

Damit wäre das Gröbste getan?

Nein. Wenn etwa die Arbeitgeber den vereinbarten Lohn nicht bezahlen oder Wohnungen in einem miserablen Zustand sind, können sich die irregulären Ausländer juristisch nicht dagegen wehren. Sie können zwar klagen, aber auch Gerichte sind öffentliche Stellen und müssen melden, wenn ihnen der illegale Status bekannt wird. Und auch die Menschen, die helfen, müssen besser geschützt werden.

Wie?

Sozialarbeiter, Seelsorger und Ärzte, die in Ausübung ihres Berufes helfen, sind von einer Regelung des Aufenthaltsgesetzes bedroht: Dort heißt es nämlich, dass Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt strafbar ist. Sie müssen von dieser Regelung ausgenommen werden.

Bisher ist aber noch nie jemand verurteilt worden.

Da haben Sie recht. Aber das Damoklesschwert hängt da und kann irgendwann fallen. Außerdem geht vom Strafrecht eine Signalwirkung aus: Dass diese sozial sinnvolle und gesellschaftliche anerkannte Arbeit eben nicht erlaubt ist. Das Gegenteil müsste klargestellt werden.

Aber warum sollte die Bundesregierung das tun? Sie will keine illegalen Einwanderer.

Ganz einfach: Weil es um Menschen geht - und die Würde des Menschen ist unantastbar. Natürlich hat der Staat das Recht, Fragen des Aufenthalts zu regeln. Aber illegale Einwanderung hat er seit Jahrzehnten nicht verhindern können und wird das wohl auch in Zukunft nicht schaffen, so lange es hier eine Nachfrage nach billigen Arbeitskräften gibt. De facto leben nun mal hunderttausende Menschen in diesem Status hier. Auch sie müssen ihre grundlegenden sozialen Rechte, die ihnen ja längst qua Gesetz zustehen, ohne Furcht vor Aufdeckung und potenzieller Abschiebung geltend machen können.

Aber der Staat steckt da doch in einer Zwickmühle.

Nein, ich glaube, es gibt Lösungen, die beiden Seiten gerecht werden. So wird es anderswo in Europa praktiziert. Diese umfassenden Meldepflichten gibt es nur bei uns, in Italien ist bei der Gesundheitsversorgung das Melden sogar ausdrücklich verboten.

INTERVIEW: SABINE AM ORDE

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.