: Internet rettet Kino
Hightech und Lowbudget: Die digitale Zeitschrift „nachdemfilm“ ist auf Sendung
Es gibt viele Filmzeitschriften: epd-Film, Filmfaust, Steadycam (dort veröffentlicht Andreas Kilb grade sein so leicht beatnikinspiriertes Tagebuch), Splatting Image und diverse Branchenblätter. Richtig zufrieden ist man nicht mit dem Angebot für die eher kleine Gruppe derer, die sich auch nach dem Filmgucken mit Filmen gedanklich auseinander setzen wollen.
Filme haben für das Nachdenken über die Welt, in der man so lebt, ohnehin ziemlich an Bedeutung verloren. Wer sich für Kunst, Gesellschaft und Theorie interessiert, liest die Beute, Spex oder quält sich durch die Texte zur Kunst. Auf die Idee, wie Ende der Sechzigerjahre, eine linksradikale Guerillagruppe nach einem Film zu nennen, sich von einem Film also zum antikapitalistischen Kampf motivieren zu lassen, käme heute niemand mehr. Der so genannte intellektuelle Diskurs über Literatur, Film usw. ist in Frankreich immer noch verbreiteter als in Deutschland, klingt auf Deutsch aber oft ziemlich akademisch aufgeplustert und alltagsfern.
Wie auch immer: Ende des letzten Jahrtausends stellte sich die Internetfilmzeitschrift nachdemfilm im Arsenal-Kino mit Beiprogramm vor. Ein bisschen post- und nach Mittelbauschnittchen klingt das schon. Einer der Inspiratoren der Zeitschrift ist Roland Barthes. Der hatte mal in den überall verehrten Cahiers du cinéma einen Aufsatz veröffentlicht, der „Nach dem Verlassen des Kinos“ hieß.“ Dort hatte er das Aufstehen nach dem Film, das Verlassen des Kinos, das Auftauchen aus der Welt des Films und das Wiedereintauchen in die echte Welt mit dem Erwachen des Körpers aus der Hypnose verglichen. Die Themen, um die sich nachdemfilm kümmert orientieren sich u. a. auch an den alltagsphänomenologischen Ansätzen von Barthes und anderen aus den Fünfzigerjahren.
In der ersten Nummer geht es unter anderem: um Digitalisierung und das Verschwinden des Celluloids, ums liebe Geschlecht und vor allem um Katastrophenfilme, esp. Erdbeben. Die Arbeitsversion 1.0 eines superlangen Textes mit allen Finessen von Michael Palm und Drehli Robnik über Titanic-Filme ist beeindruckend und soll ergänzt werden. Alles ist auf der Höhe der Zeit, mit Hypertext, interessanten Szenen aus besprochenen Filmen, die man sich anschauen kann, diversen Querverweisen, Leserforum, Archiv usw.
Die Zeitschrift sei ein „Lowbudget-Projekt“, das man zunächst einmal aus eigener Tasche finanziert habe, erzählt Mitinitiatorin Christine Daum. Gestaltet wurde sie von HdK-Studentinnen; nachdemfilm ist auch eine Diplomarbeit. Man gibt sich zugleich subjektiv, kulturtheoretisch und filmwissenschaftlich, denkt zuweilen an die gute, alte Ästhetik & Kommunikation, möchte sich an medientheoretisch interessierte Personen wenden und dies und das mal schreibend ausprobieren.
Es gibt auch Bilder der AutorInnen, die alle aussehen wie Ken oder Barbie. Perspektivisch sucht man nach Partnern und kann sich auch vorstellen, dass da mal „unterstützt von der Deutschen Bank“ draufsteht. Detlef Kuhlbrodt
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