Internet-Ausfall in Ostafrika: Ein Anker stört den Boom
In sieben Ländern Ostafrikas ist die Internetverbindung schwer gestört. Schuld daran ist ein Anker, der auf ein Unterseekabel in Kenias Hafen Mobasa krachte.
KAMPALA taz | Wer dieser Tage in Ostafrika zur Bank geht, um Rechnungen zu bezahlen, muss sich gedulden: „Tut mir leid, unser System funktioniert über das Internet und das ist dieser Tage sehr langsam“, seufzt der Bankangestellte. „Wir entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten“, erklären die zahlreichen Telekommunikationsfirmen Ostafrikas in Emails und Textnachrichten an ihre Kunden. Twitter und Facebook-Nutzer von Burundi bis Südsudan beschweren sich lautstark über die Langsamkeit ihrer Internetverbindungen. You-Tube Videos ansehen ist schier unmöglich.
Der Grund: Eines der Breitbandkabel, das Ostafrika mit der Welt vernetzt, ist kaputt. Vergangenen Samstag ließ ein Schiff Anker außerhalb von Kenias Hafen Mombasa. In vier Kilometer Tiefe krachte der tonnenschwere Haken auf das 2009 verlegte Kabel. Sechs Länder gingen komplett offline. Selbst Telefonanrufe und SMS funktionierten in Ruanda, Uganda, Burundi, Tansania, Äthiopien und Südsudan stundenlang nicht.
Ostafrikas Telekommunikationsfirmen schalteten ihr System notgedrungen wieder auf Satelliten-Verbindung um. Seitdem öffnen sich Webseiten nur noch in Zeitlupe – auf rund 20 Prozent der bisherigen Geschwindigkeit, so wie noch vor drei Jahren, als Ostafrika noch nicht an das Unterseekabel angeschlossen war.
Bis zu drei Wochen werde die Reparatur des Kabels dauern, erklärte Joel Tanui, Manager der Firma East Africa Marine System (TEAMS), die das Kabel betreibt. Sie gehört einem Konsortium aus mehreren weltweit agierenden Telekommunikationsfirmen und Kenias Regierung. TEAMS will nun ferngesteuerte U-Boote zu Wasser lassen, um das Kabel zu heben und es zu reparieren.
Drei Unterseekabel verbinden Afrika
Das beschädigte Kabel ist eines von drei Unterseekabeln, welches Ostafrika mit dem weltweiten Netz verbindet: Es führt vom Hafen Mombasa in Kenia bis nach Fujairah in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Von Mombasa aus wurden in den vergangenen zwei Jahren Breitbandverbindungen ins Innere des Kontinents verlegt: nach Uganda, Ruanda, Burundi und Südsudan – wo nationale Netzbetreiber derzeit dabei sind, Anschlüsse bis in die abgelegenen Dörfer hin auszubauen.
Das streckenweise parallel verlaufende EASSY-Kabel führt von Sudans Hafenstadt Port Sudan die ostafrikanische Küste entlang bis nach Südafrika und verbindet die ost- und südafrikanischen Länder sowie Madagaskar mit dem TEAMS-Kabel. Zehn Tage vor dem Anker-Unfall in Mombasa wurde das EASSY-Kabel im Roten Meer ebenfalls beschädigt.
Das dritte Kabel, SEACOM, streckt sich von Zafarana nach Ägyptens Hauptstadt Kairo bis zum Horn von Afrika. Von dort führt ein Strang bis zu Indiens Hafenstadt Mumbai und der andere entlang der Ostküste nach Südafrika. Das TEAMS-Kabel schließt an die SEACOM-Verbindung an. Die SEACOM-Betreiberfirma verschickte dieser Tage Presseerklärungen, um deutlich zu machen, dass ihre Verbindung nicht lahm gelegt wurde. Zahlreiche Telekommunikationsfirmen bemühen sich derzeit, ihre Verbindung über das SEACOM-Kabel umzuleiten.
Seit die Unterseekabel 2009 online gingen, hat sich in Ostafrika vieles rasant verändert. Der Transfers von großen Datenmengen ist seitdem in kurzer Zeit möglich. Dies hat die Wirtschaft extrem angekurbelt. Seitdem eröffnen in Ostafrika an jeder Straßenecke Internetcafes. Restaurants und Kneipen bieten kostenfrei W-Lan an. In Ruanda kann man sogar landesweit via W-Lan online gehen.
Ostafrikas Regierungen – alle voran Ruanda – entwickelten ehrgeizige IT-Strategien, Minister und Institutionen twittern. Doch der Unfall mit dem Unterseekabel zeigt jetzt, dass sich dieser Boom mittels eines einzigen Ankers innerhalb von Sekunden lahm legen lässt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren