Interner Konflikt beim „Spiegel“: Duett vor dem Abbruch
Beim Magazin „Spiegel“ könnte am Montag ein Wechsel der Chefredaktion bevorstehen. Das amtierende Führungsduo ist zerstritten.
BERLIN taz | Am Montag Vormittag könnte das Aus für die amtierende Chefredaktion des Spiegel verkündet werden. Eigentlich wollte Gregor Gysi, Fraktionschef der Linken im Bundestag, die Redaktionskonferenz des Magazins für eine Blattkritik besuchen. Doch diese Visite wurde, so sagte es ein Sprecher der Linken am Sonntag Abend, „auf Wunsch des Spiegel verschoben“. Statt dessen soll Spiegel-Geschäftsführer Ove Saffe auf der Konferenz sprechen.
Dass die beiden Chefredakteure des Spiegel vielleicht gehen müssen, meldete das Hamburger Abendblatt bereits in seiner Samstagsausgabe. Die Zeitung beruft sich dabei auf Gesellschafterkreise. Eine Spiegel-Sprecherin bezeichnete den Bericht als "Gerüchte und Spekulationen", die man nicht kommentieren wolle.
Georg Mascolo, zuständig für die gedruckte Ausgabe des Magazins, wird dem Abendblatt zufolge vor allem für den starken Auflagenschwund von über 10 Prozent verantwortlich gemacht. In seinen mehr als fünf Jahren als Spiegel-Chef sank die verkaufte Auflage des Spiegel von über einer Million auf gut 890.000 Exemplare.
Mathias Müller von Blumencron ist derzeit gleichberechtigter Chefredakteur für die Entwicklung der Onlineausgabe. Müller von Blumencron hatte 2008 nach einer quälend langen Nachfolgersuche für den geschassten Stefan Aust gemeinsam mit Georg Mascolo die Chefredaktion des Spiegel übernommen. 2011 wurde Müller von Blumencron zum Verantwortlichen für die digitalen Angebote des Spiegel ernannt, das Magazin leitete nun Mascolo alleine. Viele sahen das damals als Degradierung Müller von Blumencrons.
Streit über Paid Content
Zwischen Mascolo und Müller von Blumencron gibt es seit längerem Streit über die Frage, welche Inhalte bei Spiegel Online kostenpflichtig sein sollen. „Das ging bis hin zur Schreierei“, sagte ein Mitarbeiter des Spiegel gestern. Mascolo habe „so viel wie möglich mit einer Paywall“ versehen wollen, Blumencron wolle, dass die Mehrzahl der Inhalte frei zugänglich bleibe. Der Mann will anonym bleiben, so wie auch andere aus dem Haus, die sich zum Fall äußern.
Ein anderer Mitarbeiter sagte, es gebe zwei parallele Konflikte. Jener um die richtige Onlinestrategie und einen um den „schwindenden Rückhalt“ von Mascolo innerhalb der Redaktion. Zwar habe der Chefredakteur einiges geleistet, zum Beispiel „wie kein anderer die Debatte um Themen in den Konferenzen befeuert“. Aber Mascolos „rüde Art“ habe auch frühere Unterstützer verprellt.
Ob wirklich eine Mehrheit in der Redaktion diese Einschätzung teilt, ist nicht zu sagen. Es gibt auch Stimmen, die einen Abgang Mascolos schade fänden, dieser sei integer und fühle sich dem Journalismus verpflichtet.
Was mögliche Nachfolger angeht, so kursieren unter Spiegel-Mitarbeitern aber auch in Medien wie Focus Online eine Vielzahl von Namen. Zu denen, die im Gespräch mit der taz mehrfach genannt wurden, gehören unter anderem Franziska und Jakob Augstein und – mit sicherlich größeren Chancen auf den Posten – Wolfgang Büchner. Büchner ist derzeit Chef von Deutschlands größter Nachrichtenagentur dpa und wird im Spiegel – soweit zu hören – sehr geschätzt.
Wie das Abendblatt schreibt, wollen sich die Gesellschafter des Spiegel von der Doppelspitze verabschieden und nur noch einen Chef, beziehungsweise eine Chefin. Der Verein „Pro Quote“, der sich für mehr Frauen in Führungspositionen einsetzt, meldete sich am Samstag per Twitter zu Wort und forderte, //twitter.com/quote_pro:auch Frauen für den Posten in Betracht zu ziehen.
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