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Internationalismus-betr.: Leserbrief taz vom 21.9.88, Demo Arbeitsloser

Betr: Leserbrief von Hubert Zehrer, taz vom 21.9.

Nicht bei der taz ist der Grund der mangelnden internationalen Solidarität. Das Problem liegt bei uns. Anscheinend hat Hubert Zehrer sein Wissen über die Demo vom 10.9. in Frankfurt nur aus der bürgerlichen Presse. Wäre er dabei gewesen, wäre ihm die Schamesröte ins Gesicht gestiegen - und er würde heute nicht so die Klappe aufreißen.

Fakt ist: Auf der Demo waren knapp doppelt soviel Leute wie die von der (bürgerlichen Presse!) angegebenen 3.000. Nur ...99, ...% waren ausländische Kollegen & Genossen... „Gewerkschafter gegen Wallmann“, Arbeiterbund, einige Autonome, 3.Welt-Gruppen, die Schalmeiengruppe „Dynamo Frankfurt“, Frankfurter Erwerbsloseninitiativen ... das war's auch schon.

Gewiß, die Demo war bunt und lebendig - die Leut‘ waren gut druff. Doch dafür, daß es eine zentrale Demo war, waren wir zu wenige. Die paar Deutschen konnte man beinahe mit Namen begrüßen. Wir mußten uns ja vor unseren ausländischen Kollegen schämen - bei so einer überwältigenden deutschen Solidarität.

Sollte die taz über unsere Schande & Scham berichten? Es ist eine Schande, wenn sich angesichts über 250.000 festgenommenen und gefolterten Menschen; über 200 Toten durch Folterung; über 1.000 auf der Straße von „Sicherheitskräften“ Erschossenen; über 60 Hingerichteten und über 14.000 ausgebürgerten Menschen seit dem 12.9.80 in der Türkei nur so wenige Deutsche sichtbar solidarisieren.

Gerade wir Deutschen haben allen Grund zur Solidarität, denn 70-80% der gesamten in der Türkei benutzten Produktionsmittelkommen aus der BRD; bei 42 Mrd. US-Dollar Auslandsschulden, leistete die Türkei seit 1980 Zinszahlungen in Höhe von 400 Mio. DM an westdeutsche Banken und die Bundesregierung; MAN z.B. machte in der Türkei, bei einem investierten Grundkapital von nur ca. 4 Mio. DM, in den Jahren 1981 bis 1985 einen Reingewinn. Wie es in Chile aussieht, weiß mensch. (...)

Anstatt rumzuseiern, den Moralapostel zu spielen und Schuldzuweisungen an die taz und andere zu verteilen, sollten Hubert Zehrer und andere lieber solidarisches Verhalten an den Tag legen und gegen die Greuel an den Kurden mobilisieren. Es reicht nicht, ständig „Mach meinen Kumpel nicht an“, „Nie wieder Krieg! - Nie wieder Rassismus!“ auf den Lippen zu haben und ansonsten Evren, Kohl & Co. gute Männer sein zu lassen.

Ein sofortiger Kapital- und Waffenexportstopp muß durchgesetzt werden! Wir müssen viel aktiver werden. Aktive Solidarität kann niemals durch, auch noch so engagierte, Berichterstattung ersetzt werden. (...)

R-E Rückert, Sozialtherapie Frankfurt e.V./Aktion Erwerbslo

ser Frankfur

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