piwik no script img

Internationale Überwachungsmission startetUN-Beobachter in Syrien eingetroffen

In Damaskus ist ein Vorauskommando der UN-Blauhelme eingetroffen. Weitere Beobachter werden bald folgen. Sie sollen den Truppenabzug und die fragile Waffenruhe überwachen.

Die UN-Beobachtermission in Syrien wird etwa 250 Mitglieder umfassen. Im Land selbst bleibt die Lage weiter kritisch. Bild: dpa

KAIRO/NEW YORK/GENF dapd/dpa | Die ersten sechs UN-Beobachter sind in der syrischen Hauptstadt Damaskus eingetroffen. Sie sollen den fragilen Waffenstillstand zwischen der Regierung und den Aufständischen überwachen. Das Vorausteam werde von dem marokkanischen Oberst Ahmed Himmiche geleitet, sagte der Sprecher des UN-Sondergesandten Kofi Annan, Ahmad Fawzi am Montag. Weitere 25 Beobachter würden in den kommenden Tagen in Syrien erwartet.

Das Team „wird ein Hauptquartier aufbauen und Kontakte zur syrischen Regierung und den Oppositionskräften knüpfen“, kündigte Fawzi an. Am Wochenende hatten die Regierungstruppen nach Angaben von Aktivisten die Waffenruhe immer wieder verletzt und die Stadt Homs unter Beschuss genommen.

Eine Vertraute von Präsident Baschar al-Assad erklärte vor dem Eintreffen der UN-Angehörigen, die Regierung behalte sich vor, Blauhelme abzulehnen, die aus Katar, Saudi-Arabien, der Türkei und Frankreich kämen. Diese Länder hätten stark Partei für die Rebellen ergriffen, die die Assad-Regierung stürzen wollen.

Die Aufgabe der Blauhelme wird es sein, den Truppenabzug aus den Städten und die bisher noch sehr brüchige Waffenruhe zu überwachen. Waffenruhe und Truppenabzug gehören zum Sechs-Punkte-Plan Annans, der von Damaskus und der Opposition akzeptiert wurde.

Erste UN-Resolution seit 13 Monaten

Der UN-Sicherheitsrat hatte am Samstag in New York beschlossen, umgehend ein Team nach Damaskus zu schicken. Es war die erste UN-Resolution zu Syrien seit Beginn der Proteste gegen das Assad-Regime vor 13 Monaten. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erklärte, die Beobachtermission werde später insgesamt etwa 250 Mitglieder haben.

Nach Angaben der Gegner des Assad-Regimes wurden am Wochenende 24 Menschen von den Regierungstruppen getötet. Aktivisten veröffentlichten Video-Aufnahmen, die zeigen sollen, wie Granaten in der Stadt Homs einschlagen. Vor Beginn der Waffenruhe am Donnerstag waren täglich zwischen 60 und 120 Tote gezählt worden. Die Nachrichtenagentur Sana berichtete am Samstag, ein Offizier sei in der Provinz Hama von „bewaffneten Terroristen“ verschleppt worden.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) forderte die volle Umsetzung des Annan-Plans. „Die Waffen müssen schweigen - ja. Aber es muss auch endlich humanitäre Hilfe möglich werden“, sagte er am Sonntag in Berlin. Insbesondere das Assad-Regime müsse den Waffenstillstand vollständig und umfassend einhalten. „Alle Seiten stehen in der Verantwortung, jetzt einen Waffenstillstand und auch eine politische Lösung zu ermöglichen“, sagte Westerwelle.

„Ich will aber nicht verhehlen, die Lage ist außerordentlich fragil.“ Der oppositionelle Syrische Nationalrat nannte die Entscheidung des Sicherheitsrats lange überfällig. Auf seiner Internetseite schrieb der Nationalrat, dies sei ein erster wichtiger Schritt der Weltgemeinschaft, um ihre Verantwortung für den Schutz des syrischen Volkes wahrzunehmen.

Experten des Erkundungsteams

Das Regime habe immer noch nicht seine schweren Waffen und Panzer aus bewohnten Gebieten abgezogen. Man dürfe nicht auf Täuschungen des Regimes hereinfallen. Am Sonntag berichteten Aktivisten, die Armee habe in der Provinz Hama damit begonnen, Gräben auszuheben, um ein Dorf mit vielen Regimegegnern zu isolieren.

Der Sicherheitsrat rief Syrien auf, die Sicherheit des Einsatzes „ohne Beeinträchtigung der Bewegungs- und Zugangsfreiheit zu garantieren“. Die unbewaffneten Experten des Erkundungsteams sollen mit den syrischen Konfliktparteien Kontakt aufnehmen und über die Umsetzung einer vollständigen Einstellung des Waffeneinsatzes berichten. Sie wurden schon vor Tagen ausgesucht und vorbereitet.

Die Bundesregierung prüft nach eigenen Angaben Berichte, wonach ein deutsches Schiff mit Waffen in Richtung Syrien unterwegs gewesen sein soll. Die Waffen stammten laut Aktivisten vermutlich aus dem Iran. Sie sollten von Dschibuti aus zum syrischen Hafen Tartus gebracht werden.

Waffenlieferung aus Dschibuti

Die Aktivisten machten die Waffenlieferung in der Nacht zum Freitag publik; wenig später drehte das Schiff im Mittelmeer ab. Die „Atlantic Cruiser“ wurde am Sonntagnachmittag im Seegebiet zwischen Zypern und Syrien geortet. Ob die Ladung noch an Bord war, ließ sich zunächst nicht feststellen.

Laut "Spiegel" soll der Eigner, die Emdener Reederei Bockstiegel, durch einen syrischen Überläufer gewarnt worden sein. „Wir haben das Schiff gestoppt, nachdem wir Hinweise auf die Waffenlieferung erhielten“, zitierte das Nachrichtenmagazin einen Schiffsmakler von der C.E.G. Bulk Chartering, die für die Befrachtung der „Atlantic Cruiser“ verantwortlich sei.

Das Schiff sei an die ukrainische Firma White Wale Shipping weitervermietet worden, die als Ladung „Pumpen und ähnliche Dinge“ deklariert habe. Der Frachter hatte nach Angaben der syrischen Oppositionellen 7200 Tonnen Waffen sowie Munition an Bord. Er habe aus Dschibuti kommend am Freitag Kurs auf Tartus genommen, wo er am Samstagmittag hätte eintreffen sollen. Es war jedoch zwischenzeitlich verschwunden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • HS
    Hari Seldon

    @anti-ipod:

     

    Nun, Ihr Schreiben ist sehr eindeutig: Sie wollen die Interesse der EU auf Syrien aufdrücken. Woher wissen Sie, dass die Syrer so tanzen wollen, wie die EU und US pfeiffen? Bitte, überlassen wir die Entscheidung allein der Bevölkerung in Syrien. Falls die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung Assad nicht haben will, dann wäre auch die überwiegende Mehrheit der Armee gegen Assad. Es ist offensichtlich nicht der Fall. Ausserdem hat der Assad-Plan fast 8 Millionen Stimmen (fast 60%) erhalten.

     

    Ihre Beiträge zeigen, dass Sie der festen Überzeugung sind, dass Sie (die EU, US, usw.) im Besitz der einzigen und absoluten Wahrheit sind. Vielleicht wissen Sie, in welchen Anstalten welche Abteilungen für solche Menschen ("Ich bin Napoleon, Herrgot, Jesus, usw.") zur Verfügung stehen. Nur zu Ihrer Info: Es gibt keine einzige und absolute Wahrheit, und die EU, US, usw. haben keinen Anspruch in die Einmischung der inneren Angelegenheiten von souveränen Staaten (siehe die UNO-Charta). Insbesondere nicht, wenn die sogenannten "Freihetsakämpfer" fremdfinanzierte Söldner sind. Noch einmal: Die Rebellen sind sogar in Homs nur eine Minderheit, und es ist kein Zufall, dass die Opposition keine Wahlen haben will.

  • A
    Ant-iPod

    @Hari Seldon

     

    Jeder Staat hat das Recht bestimmen, mit wem er auf welche Art und Weise Handel betreiben möchte.

    Somit haben die EU-Staaten das Recht den Handel mit Staaten einzustellen, deren Regierungen das eigene Volk beschießt - wenn dies dem politischen Interesse der EU-Staaten entspricht.

    Warum sollten wir auch gezwungen sein, mit jedem Handel zu treiben, welche Rechtsgrundlage gäbe es denn dafür?

    Darüberhinaus können wir auch den Handel mit jedem einstellen, der mit einem Anderen Handel betreibt, dessen Politik der unsrigen zuwiderläuft. Im Falle des Iran betreiben wir dies schon so - ist also alles nichts Neues, oder?

     

    Wenn Sie einmal studieren möchten, wie präzise die EU diese Möglichkeiten exzerziert, können Sie sich ja einmal die Verträge der EU mit Marrokko ansehen, wo es um die Regelung der Fischerreirechte, der Erdbeeren- und Tomatenlieferungen geht, etc. etc.

    Wir machen so etwas jeden Tag.

     

    Wenn es unsere Interesse ist, dass Assad mit dem Beschuss syrischer Städte aufhört, könnte man so ökonomischen Druck aufbauen, was ich allemal besser fände, als selbst zu bombardieren, oder eine Opposition militärisch auszustaffieren...

     

    Sie behaupten, die Gegner Assads seien in der Minderheit in einem Land, in welchem wir das gar nicht feststellen können, weil es keine freien, gleichen und geheimen Wahlen gibt.

    Ich denke nicht so wie Sie - aber da niemand den Willen des syrischen Volkes interpretieren sollte, sondern die Syrer selbst über ihre Geschicke bestimmen sollten, trete ich für eine freiheitlich-demokratische Ordnung in Syrien ein.

    Diese ist leider mit Herrn Assad nicht zu erreichen, wie das vergangene Jahr gezeigt hat.

     

    Was auch immer Sie von der TAZ halten möchten, obliegt Ihnen.

    Was aber faschistisch daran ist, dass ich mir für die Syrer Freiheit und Demokratie wünsche und dies erreichen will, möglichst ohne einen westlichen Militäreinsatz oder die Bewaffnung der Opposition durch SA und/oder Katar, dass ist mir schleierhaft.

     

    Vielleicht wirkt es verletzend und/oder unverschämt, wenn ich die Interessen der Europäer hier klar benenne - was aber ist daran falsch?

    Gibt es irgendeinen Staat ohne Interessen?

     

    Wenn unser Interesse darin besteht, dass die Syrer sich in freier Selbstbestimmung in ihrem eigenen Land organisieren dürfen, dann unterstütze ich ein solches Interesse.

     

    Unter Assad können die Syrer dies jedoch nicht. Sie können nicht ohne Angst demonstrieren gehen, weil die Armee und/oder die Schabiha auf sie schießen. Sie können keinen Präsidenten frei wählen und sie können keine Parteien wählen, welche eine pluralistische, parlamentarische Demokratie anstreben, da die so genannte "neue Verfassung" dies nicht zulässt.

     

    Insofern können Sie vielleicht verstehen, dass ich Assad's Politik viel faschistescher empfinde, als mich selbst.

  • HS
    Hari Seldon

    @anti ipod:

     

    Seit wann hat die EU einen Mandat bezüglich der inneren Angelegeinheiten eines souveränen Staates /dazu liegt dieser Staat überhaupt nicht in Europe)?

     

    Was Sie schreiben, ist reinrassige faschistische Ideologie, genau richtig für die TAZ.

     

    Nur zu Ihrer Info: Die Rebellen sind sogar in den Rebellenhochburgen in Minderheit...

  • A
    Ant-iPod

    Brauchen wir wirklich eine UN-Mission um festzustellen, dass mit Assad kein politischer Wandel im Lande möglich ist?

    Wir wissen dies längst - es gibt nur drei Optionen:

     

    1. Assad geht und überlässt es jemand anderem, Gespräche mit der Opposition über einen politischen Wandel einzuleiten, der allen Syrern gerecht wird.

     

    2. Wenn Assad nicht gehen will, dann wird er militärisch dazu gezwungen - die syrische Armee hält gegen eine konzertierte Aktion der NATO keine zwei Monate durch - allerdings bedeutet dies sehr viele Tote.

     

    3. Am wahrscheinlichsten ist: Alle Seiten können sich nicht über die Farbe von Schei... einigen und folglich werden die reichen Ölmonarchien aus ihren ganz eigenen Gründen die syrische Opposition Zug um Zug mit mehr und mehr Waffen ausrüsten. Ein langer Bürgerkrieg ist die Folge mit der vermutlich größten Opferzahl aller drei Szenarien. Eine solche Auseinandersetzung wird die Volksgruppen in Syrien so tief entzweien, dass Syrien als Staat auf Jahre hinaus gelähmt sein wird - damit bsw. als Sponsor der Hisbollah wegfällt, was den Einfluss des Irans mindert und - so glauben einige - die Sicherheit Israels erhöht.

    Ich glaube dies nicht - denn der Iran kann die Hisbollah notfalls auch direkt versorgen und ein solches Ziel rechtfertigt es in keiner Weise ein 21-Millionenvolk in einen Bürgerkrieg zu manövrieren.

     

    Wir Europäer haben das ökonomische Gewicht, hier eine andere Entwicklung einzuleiten - unsere Untätigkeit entlarvt aber unsere Interesse an dem Vorgehen Saudi-Arabiens und Qatars.

    Die Dummheit eines solchen Vorgehens und die Missachtung unserer ureigenen strategischen Interessen in der Region ist unfassbar.

    Anstatt mit allen Mitteln unseren Lebensstil dort durchsetzen zu helfen (den die Mehrheit der Menschen dort einfordert) und langfristig die Beziehungen zur arabischen Welt zu verbessern - nicht zuletzt ein Konsumentenmarkt von 400 Millionen Menschen mit wesentlichen Rohstoffreserven - fördern wir die regionale Machtpolitik anachronistischer Monarchien mit fragwürdigem Ausgang. Der Rüstungswettlauf am Persischen Golf kann nicht unser Interesse an günstigem Öl/Gas fördern!

     

    Was hier von europäischer Seite geschieht, ist schlichtweg sehr schlechte, unserem langfristigem Interesse widersprechende und zum Nachteil der Syrer gereichende Politik.

    Daran ändert die Alibi-Politik mit so genannten Beobachtern in Damaskus nichts.

    Wir wissen längst, was da heraus kommt und das Ergebnis abzuwarten heißt nur, Zeit zu erkaufen - aber wofür?