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Internationale BauausstellungEinwanderer außen vor

Mit ihrem Leitbild „Kosmopolis“ will die IBA die kulturelle Vielfalt in Wilhelmsburg pflegen – doch an den Debatten im Stadtteil sind Migranten kaum beteiligt.

Modernisiert und vergrößert, aber auch etwas teurer: die Häuser im Weltquartier Bild: IBA/Martin Kunze

Vor dem Integrationszentrum Wilhelmsburg hat sich eine Menschentraube gebildet – dabei ist an diesem Mittwochmorgen eigentlich keine Sprechstunde vorgesehen. Ali Yüce kennt das schon: Seit 15 Jahren arbeitet der Sozialberater für die Bürgerinitiative ausländischer Arbeitnehmer auf der Elbinsel. „Arbeitslosigkeit und Armut prägen den Stadtteil heute stärker als früher“, behauptet er.

Das Leben habe sich besonders für Bürger aus Einwandererfamilien verschlechtert und Beratungsangebote gebe es wenige, kritisiert Yüce. Mit der Internationalen Bauausstellung (IBA), die in diesem Jahr in Wilhelmsburg präsentiert wird, sollte der Stadtteil das Image des sozialen Brennpunktes ablegen. Davon sollten gerade Migranten profitieren:

„Kosmopolis“ heißt eines der Leitkonzepte der Internationalen Bauausstellung. Im Fokus stehen kulturelle Vielfalt und Integration. „Ein Drittel der Bevölkerung hat einen Migrationshintergrund, daher ist uns die Förderung des interkulturellen Zusammenlebens wichtig“, sagt Uli Hellweg, Geschäftsführer der IBA Hamburg.

Durch Investitionen in Schulen und Kitas im Rahmen einer Bildungsoffensive sei die IBA für Migranten ein „wahrer Glücksfall“. Erfolgsindikatoren sieht der Diplom-Ingenieur in sinkenden Schulabbrecher und steigenden Abiturientenzahlen. Die IBA stehe im Austausch mit vielen Vereinen in Wilhelmsburg. Durch zielgruppenspezifische Beteiligungsformate sei die Bevölkerung zudem direkt angesprochen worden.

Hellweg verweist damit auf eine Aktion im Jahr 2007: Damals haben IBA-Planer gemeinsam mit sechs Dolmetschern Bewohner des Reiherstiegviertels besucht und diese nach ihrem Verständnis von „Heimat“ befragt. In der ehemaligen Arbeitersiedlung leben Menschen mit 34 Nationalitäten. Entstanden ist dort ein Vorzeigeprojekt der IBA: das Weltquartier.

Rund 750 Wohnungen der Saga GWG werden grundsaniert oder abgerissen und neu gebaut, dabei wurden die Wünsche der Bewohner berücksichtigt. Dem Bürgerschaftsabgeordneten Mehmet Yildiz (Die Linke) reicht das nicht. „Diese Hausbesuche waren eine einmalige PR-Aktion, seitdem ist nichts passiert“, behauptet er. „Ein Großteil der Bürger fühlt sich schlecht informiert, es fehlen geeignete Partizipationsstrukturen.“

Yildiz bezweifelt, dass die Ideen der Einwanderer für das Stadtentwicklungsprojekt von Interesse sind. „Zu den Informationsveranstaltungen im IBA Dock-Gebäude wurden bisher nur unkritische Bürgervereine eingeladen, vor allem religiöse Gruppen“, sagt Yildiz. „Politische Initiativen, die der IBA kritisch gegenüberstehen, werden vom Dialog strukturell ausgeschlossen.“

Cemal Innan vom türkischen Elternbund lebt schon seit 30 Jahren in Wilhelmsburg. Zu Beginn habe er sich auf die IBA gefreut, heute machen ihm die steigenden Mieten Sorgen. Doch es protestieren nur wenige: „Viele meiner migrantischen Mitbürger wissen gar nicht, was die IBA ist“, sagt Cemal Innan. Dabei gebe es viele Möglichkeiten, die Zielgruppe besser zu informieren: etwa durch mehrsprachige Flyer oder Infostände auf Wochenmärkten und vor Cafés, die von Migranten stark frequentiert werden.

Sozialberater Yüce wundert es nicht, dass sich Frust und Resignation in der Bevölkerung breit machen. Die Bereitschaft, sich politisch zu engagieren, sei zwar da, doch um in Wilhelmsburg eine lebhafte Stadtteilkultur zu schaffen, müsse zunächst günstiger öffentlicher Raum geschaffen werden. „Statt teure Privatwohnungen in den Stadtteil zu setzen, könnte die Politik Räume für Vereine und Initiativen bereitstellen und so auf niederschwelliger Ebene wirklich etwas für das soziale Miteinander und die kulturelle Vielfalt im Stadtteil tun“, findet Yüce.

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11 Kommentare

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  • EW
    es wird immer schlimmer

    Nein, das wird dir niemand erklären.

    Es ist einfach so dass rassistische stereotype völlig angenommen und reproduziert werden können.

    Ohne auch nur ein Hauch von Ahnung der Verhältnisse zu besitzen, werden hier rassistische Beleidigungen schön vom Sofa aus rausgehauen.

    Ich habe wirklich Angst vor diesen Einfältigen Antimenschen, die sich mit ihrem Hass auf sogenannte "Andere" von ihrer eigenen Einfältigkeit ablenken.

     

    Da bekomme ich HASS und ich schwöre euch...ich werde gegen euch kämpfen!!!!

  • AN
    a non

    "Wenn Sie auf "Abschicken" klicken, wird ihr Kommentar ohne weitere Bestätigung an taz.de verschickt. Er wird veröffentlicht, sobald einRedakteur ihn freigeschaltet hat. taz.de behält sich vor, beleidigende, rassistische oder aus ähnlichen Gründen unangemessene Beiträge nicht zu publizieren."

     

    Unglaublich was für rassistische Forderung wie "Moscheen schließen" oder " 50 Millionen Euro und ne Talibanmoschee" hier in den Kommentaren zugelassen werden.

    Jeder hat das Recht auf freie Meinungsäußerung aber in solchen Fällen in denen rassistische Beleidigungen, die nichts mit der Sache zu tun haben,freigeschaltet werden, wundere ich mich doch über das Verhalten einiger taz Redakteure.

    Kann mir das mal einer Erklären?

  • M
    Moritz

    "Kulturelle Vielfalt" wird da doch nur alibimäßig umgesetzt, es scheint so, als stünde diese integrative "Beteiligung" nur auf dem Programm, um sich vor Kritik zu schützen. Nur leider haben die betroffenen Bürger keine Stimme und Politik und Öffenlichkeit zeigen zu wenig Interesse, um das frühzeitig anzuprangern. Und das Argument "2013 ist ja erst der Anfang, wartet doch mal..." ist doch lachhaft..wenn die Tendenz jetzt schon erkennbar ist, warum nicht kritisieren und andere Information bzw. Beteiligung fordern?

  • E
    Elbinsulaner

    In gewisser Hinsicht kann man die nicht bestehenden Beteiligungsmöglichkeiten auch als konsequent und irgendwie ehrlich sehen. Die Mieten im Viertel durchschlagen derzeit die 10€/m²-Grenze. Vor dem Hintergrund der mit dieser Entwicklung einhergehenden Verdrängung wäre jegliches Partizipationsangebot ohnehin nur ein Feigenblatt.

    IBA ist halt wie Mikrowellenfraß: Auf der Packung sieht´s nach Vielfalt und Inklusion aus, aber drin sind nur Turbo-Kapitalismus und struktureller Rassismus.

  • R
    Realsatire

    Realsatire. Das nächste mal 200 Dolmetscher, 50 Millionen in bar und eine Baugenehmigung für eine Talibanmoschee mitnehmen. Dann klappt es auch mit der kulturellen Vielfalt. Warum muß man eigentlich den 100 000 Polen in Berlin nicht dauernd etwas übersetzen oder sie "beteiligen"? Warum sprechen Asiaten deutsch? Fragen über Fragen, zumindest für die taz. Egal. Jetzt alle zusammen: "Alles ist gleich gut, Multikulti funktioniert, jeder ist eine Bereicherung, Krieg ist Frieden, Unwissenheit ist Stärke, Sklaverei ist Freiheit....liebes Allah-Gott bewahre uns vor freien Volksabstimmungen"

  • N
    Neumi

    "Viele meiner migrantischen Mitbürger wissen gar nicht, was die IBA ist"Willkommen in Deutschland!Vielleicht einfach mal Fernsehen in deutscher Sprache schauen!Und nicht nur heimatsender!Soll auch beim Spracherwerb Wunder wirken!!!Nach mehr als einem Jahr in Deutschland,sollte man die Grundbegriffe der Deutschen Sprache beherrschen.Und Googeln hilft!

  • Z
    Özgür

    Guter Artikel!! So wie ich es sehe, wird hier nicht die IBA als ganzes kritisiert, sondern ein Stimmungsbild in Wilhelmsburg beschrieben, dass ich auch beobachte. Und ja, es wurden sicher mal Flyer verteilt oder ähnliches, aber es geht darum, dass nicht alibimäßig 1-2mal zu machen, sondern in welcher Masse, wie regelmäßig usw. Ist doch komisch, dass trotzdem so viele sich schlecht informiert und vor allem machtlos fühlen! Auch wenn 2013 erst der Anfang ist, ist die Tendenz da und muss angesprochen werden. Und es ist richtig, dass IBA UND Politik da nachbessern müssen!

  • CL
    Christian Lorenz

    "wurden nach ihrem Verständnis von Heimat befragt"...aha! Die "Beteiligung" am IBA-Prozess ist sowieso ne Farce und das hier mit kultureller Vielfalt geworben wird, ist doch ein Witz. Ein paar Kultur- und Integrationsangebote sind ja schön und gut, aber wenn dazu die Mieten steigen und der soziale Kahlschlag weitergeht, für Einrichtungen wie das Amt für Grundsicherung kein Platz mehr ist, lebt hier doch bald sowieso nur noch der gutsituierte deutsche Mittelstand.

  • A
    Annu

    Die Migranten sind nicht so traurig wie manche BerufsbedenkenträgerInnen deutscher Herkunft, dass künftig weniger Hartz4ler in Wilhgelmsburg leben.

    Wer zufrieden ist, wie viele Migranten in Wilhelmsburg, mischt sich weniger ein.

  • W
    Wilhelmsbürger

    Liebe taz, liebe Frau Lasarzik,

     

    es würde manches Mal nicht schaden, sich an Fakten zu halten. Es wurde wirklich jeder eingeladen um mit zu diskutieren. Das ganze fand mehrspachig statt - teilweise in 7 Sprachen. Genauso sind viele Projektflyer mehrsprachig vorhanden.

     

    Ja, sie haben sicherlich Recht, wenn sie feststellen, dass nicht alle erreicht worden sind. Aber anstatt die Schuld der IBA vorzuwerfen und in das übliche, oberflächliche Geschrei einzustimmen bedarf es eher der Frage und einer Analyse des "Warum?". Es gab verschiedene Herangehensweisen - einige mehr, andere weniger erfolgreich. Aber das Ziel der IBA ist es nicht nur einer Bevölkerungsgruppe den Stadtteil "aufzubereiten", sondern allen. Daher gibt es auch verschiedenartige Angebote und teilweise sind diese so angelegt, dass diese sich gegenseitig ergänzen und wiederum Synergien für eigentlich nicht Betroffene erzeugen.

     

    Nur leider fehlt oftmals der Überblick und es wird sich an Einzelmaßnahmen aufgehangen. Oder es fehlt schlicht an Verständnis und Sachkenntniss bzgl. des Instruments IBA und dem, was es erreichen soll und vor allem WANN dieses passieren soll. 2013 ist nicht das Ende dessen, was die IBA bewirken soll. 2013 ist nur eine Etappe am Anfang...

  • A
    awwwwww

    Eine Dose Mitleid bitte. Die Verbände haben dafür gesorgt, dass sich ihre angeblichen Subjekte von Bildung fernhalten konnten -- und fordern jetzt, dass der Staat nachbessert. Sorry, nein, in dritter Generation hier und immer noch kein Deutsch gelernt, macht die Moschee zu und ruft nicht nach mehr staatlichen Hilfen.