■ Mac C(r)ash Flows Orakel: Intensivstation
Drei Wochen nach dem schweren Kollaps liegt der Patient Börse immer noch danieder, zwar bemüht sich das Personal der Intensivstation (Banker, Broker und Minister) Vertrauen in die Rekonvaleszenz des Unfallopfers zu wecken, doch jeder leichten Erholung erfolgt in aller Regel am nächsten Tag ein ernster Rückschlag. Dies hat vor allem mit dem Tropf zu tun, an dem die deutsche Börse hängt: dem Dollar. Und je näher dieser sich seinem historischen Tiefpunkt nähert, desto schwerer wird es für die Oberschwestern, die Hoffnung der Angehörigen nicht vollends schwinden zu lassen. Zumal die führenden Diagnose–Institute in ihrem Herbstgutachten weiteres Wachstum dank steigender Exporteinnahmen prognostizieren. Der Inlandsnachfrage, die beim Ausbleiben der Auslandserträge als einzige die Konjunkturlokomotive unter Dampf halten kann, billigen die Propheten nur ein Plus von 1 bis 1,5 Spielraum nach unten. Die allenthalben verbreitete Bauernregel - „An Aktien verliert nur Geld, wer jetzt verkauft; es sei denn, die Kurse verbleiben für Jahre auf dem Tiefstniveau“ (FAZ) - ist so zutreffend wie banal. Die Kurse sind längst nicht auf „Tiefstniveau“, sondern immer noch ein Vielfaches über dem Stand zu Beginn der Hausse vor fünf Jahren, sie haben also ebenfalls Luft nach unten, sodaß sehr wohl auch Geld verlieren kann, wer jetzt nicht verkauft. Zur Zeit ist an den Börsen alles möglich, sogar was logisch erscheint: daß nämlich mit dem Crash der Beginn der Rezessions–Phase eingeläutet wird, denn auf was, wenn nicht auf die mageren Jahre, soll der Seismograph Börse sonst mit solch einem Kollaps reagieren. An der Börse interessieren nicht Tatsachen, sondern die Erwartung von Tatsachen. Der Abschwung ist also nur eine Frage der Zeit. Das Vertrackte ist nur, daß ein kurzfristiges Aufbäumen vor dem endgültigen Sell Out durchaus im Bereich des Möglichen liegt. Wohl dem, der dann den rechtzeitigen Ausstieg nicht verpaßt.
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