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Intendant bleibt in Hannover„Das macht derzeit großen Spaß“

Lars-Ole Walburg bleibt bis 2019 Intendant in Hannover – und will etwas von der im Theater abgeladenen Verantwortung zurückgeben an die Gesellschaft.

Beilbt dem Schauspielhaus in Hannover für zwei weitere Jahre erhalten: Intendant Lars-Ole Walburg. Foto: dpa
Interview von Alexander Kohlmann

taz: Herr Walburg, in Hannover sorgt die „Freischütz“-Inszenierung an der Staatsoper für heftige Diskussionen. Aus Sicht eines CDU-Lokalpolitikers droht gar „unsäglicher Kulturverlust“. Im Verlauf Ihrer Intendanz, vor allem zu Beginn, sind Sie selbst mit Teilen der CDU und des sogenannten Bildungsbürgertums aneinandergeraten. Sie bekamen 2013 erst nach langem Hin und Her eine – kleine – Vertragsverlängerung. Jetzt bleiben Sie doch länger, insgesamt werden es dann zehn Jahre sein, und das mit allen Ehren. Ist das auch eine Art späte Genugtuung?

Lars-Ole Walburg: Für mich ist die Verlängerung erst einmal eine persönliche Entscheidung, die ganz viel mit den Kollegen hier im Haus zu tun hat, mit den Arbeitsbedingungen, der Zuschauerresonanz und mit der grundsätzlichen Frage, ob ich mich an diesem Ort gemeint und wohl fühle. Nur wenn das stimmt, macht die Arbeit einen Sinn. Mich hat es gefreut, dass es von Seiten der neuen Ministerin da überhaupt keine Frage gab.

Sie meinen die Grüne Gabriele Heinen-Kljajić, seit Februar 2013 Wissenschafts- und Kulturministerin von Niedersachsen

Das ist erst mal positiv und ein Zeichen von Vertrauen. Und natürlich bin ich persönlich froh, dass die jetzigen Gespräche so eine klare Position von beiden Seiten erbracht haben. Wobei die aktuelle Situation sich auch deutlich von der damaligen unterscheidet. Wir hatten in den ersten Jahren in Hannover neben vielen Erfolgen auch große Anlaufschwierigkeiten. Und man braucht dann erst mal eine Menge Zeit, um die Leute von dem, was man macht, zu überzeugen.

Vertritt die CDU, was den „Freischütz“ angeht, ein spezielles Publikum hier in Hannover?

Ich hoffe sehr, dass dieser Politiker nicht für das hannoversche Publikum spricht. Also ich habe hier ein anderes Publikum kennengelernt. Aber sicher vertritt er mit seinen Ansichten nicht nur eine rein persönliche Kunstanschauung. Auch wir mussten in den ersten Jahren konstatieren, dass wir durch neue Inhalte, vor allem aber durch eine klar gesellschaftspolitische Positionierung auch Besucher verloren haben. Für das Staatstheater Hannover als Ganzes ist das meist gar nicht so gravierend, weil die Leute ja nicht aufhören, ins Theater zu gehen, sondern sich dann eben eher dem Ballett oder der Oper zuwenden. In diesem Fall ist das dann vielleicht mal andersrum.

Gibt es eigentlich das klassische Abonnenten-Publikum im Schauspiel überhaupt noch?

Zum Ärger des kaufmännischen Direktors ist Publikumsbindung in unserer pluralistischen Zeit immer schwerer herzustellen. Und Abonnements sind natürlich bei den vielen Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung nicht gerade zeitgemäß. Dennoch bin ich froh, dass es dieses System noch gibt, denn Abonnenten sind ja die Treuesten der Treuen. Die gehen sechs- bis achtmal im Jahr ins Theater – das muss man erst mal durch normale Eintritte an der Kasse ausgleichen, wenn man da nur einen verliert. Aber grundsätzlich ist der Altersdurchschnitt der Besucher in den sechs Jahren, die ich inzwischen in Hannover bin, deutlich gesunken. Ich finde das sehr befreiend und letztlich auch notwendig, wenn Theater eine gesellschaftliche Funktion behalten will.

Im Interview: 

Das Spielzeitthema in dieser Saison lautet „Auftrag Kunst“. Wie lautet der denn für Sie?

Ich glaube, es gibt nicht nur einen. Für mich ist ein ganz wesentlicher Punkt, dass an einem Haus wie unserem künstlerische Produktionen entstehen, die es in der anderen, nicht oder wenig subventionierten Kulturlandschaft nicht geben kann. Sonst machen die in die Kunst investierten Steuergelder in meinen Augen keinen Sinn. Da die Latte immer tieferzulegen, scheint mir auch eine gefährliche Entwicklung nach sich zu ziehen. Das Niveau gleicht sich den Erwartungen an. Das kann nicht der Anspruch eines Stadt- oder Staatstheaters sein. Aber es wird tatsächlich immer schwieriger, seinen Spielplan wirklich unabhängig aufzustellen. Es gibt inzwischen sehr viele Versuche von Seiten der Politik, der Schulen bis hin zu Interessenverbänden, Einfluss zu nehmen und uns bestimmte Aufträge vorzuschreiben. Ich spüre da bei mir ein zunehmendes Unbehagen und die Notwendigkeit, solche Gängelei zurückzuweisen.

Sie wollen sich nicht vereinnahmen lassen?

Ein Dramaturg von uns hat einen Text zum Spielzeitthema geschrieben mit dem Titel „Return to Sender“. Er setzt sich darin einmal wirklich mit den Ansprüchen auseinander, die von außen an das Theater herangetragen werden und kommt zu dem Schluss: Nein, wir geben diese Aufträge, all diese falsch verstandenen Aufgaben des Theaters, jetzt mal zurück an Politik und Gesellschaft. Integration, Migration, Partizipation – das sind drei dieser Aufträge, die seit ein paar Jahren oft als Worthülsen dafür benutzt werden. Und natürlich betreffen sie wichtige gesellschaftliche Veränderungen in unserem Land, aber sie können eben auch nur gesamtgesellschaftlich gelöst werden. Und dann ist das vielleicht auch Aufgabe des Theaters.

Ihr seid gar nicht das Jugend-Multi-Kulti-Zentrum, das die Probleme löst, die es so gibt in der Stadt – fehlende Jugendzentren zum Beispiel – weil einfach alle zu euch kommen und im „Ballhof“ feiern?

Nee, man muss da irgendwie ja auch glaubwürdig bleiben. Wenn man selber keine Lust hat zu feiern, dann wird man auch keine Leute zu einer Fete einladen. Das muss aus dem eigenen Bauchgefühl heraus stimmen und jeder, der dann zu der Fete eingeladen würde, auch ganz schnell merken, ob das eine Pro-forma-Veranstaltung ist oder ob sie wirklich so gemeint ist.

Amerikanische Präsidenten arbeiten für die Geschichtsbücher – und setzen um, was ihnen wirklich am Herzen liegt. Welches sind Ihre Pläne für die zweite Amtszeit?

Ich hatte, ehrlich gesagt, nie das Gefühl, dass ich nicht machen kann, was ich will. Das wäre auch ein Ausschlussgrund gewesen für eine Verlängerung. Dieser ganze Vorgang hat natürlich nicht nur mit mir zu tun, sondern mit einer Mannschaft. Hier gibt es im Augenblick, eigentlich seit dem letzten Jahr, eine unglaubliche Energie im Haus. Zum anderen fangen wir gerade an, die Früchte unserer Arbeit der ersten sechs Jahre zu ernten.

Inwiefern?

Es gibt Koproduktionen mit anderen Häusern und mit Festivals wie den Wiener Festwochen und den Ruhrfestspielen. Das macht derzeit großen Spaß und deswegen wäre mir eine Nicht-Verlängerung in dieser Phase völlig unorganisch vorgekommen. Wie genau wir die kommenden dreieinhalb Jahre füllen werden, weiß ich heute noch nicht . Aber die letzte Spielzeit, in der man es richtig krachen lässt, ist ja nun noch eine Weile hin. Ohne Verlängerung hätten wir jetzt darüber zu sprechen begonnen, wie wir 2017 Hannover ins Wanken bringen. Jetzt haben wir noch ein bisschen Zeit.

Und damit Hannover nicht ins Wanken kommt, bekommen Sie dann einfach noch eine Verlängerung?

Nein, dann ist wirklich Schluss. Dann war ich zehn Jahre hier, dann muss etwas Neues passieren, sowohl für Hannover als auch für mich.

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