Intelligenz am IE-Browser: Wer ist hier dümmer?
Wer den Internet Explorer benutzt, ist dümmer als andere User. So die Botschaft einer Studie, die weltweit die Runde machte. Doch die Botschaft war zu schön, um wahr zu sein.
Berlin taz | Wer den Internet Explorer benutzt, gilt gemeinhin als jemand, der sich von Microsoft alles vorsetzen lässt. Der aufgeklärte, politisch korrekte User benutzt Firefox oder wenigstens Google Chrome. Wie schön passte da eine angebliche Studie hinein vom kanadischen Forschungsunternehemen AptiQuant. Die hatte behauptet, dass der verwendete Browser einen Rückschluss auf den User zulasse: Benuter vom Explorer sein im Schnitt dümmer als die anderen.
Weltweit sprangen die Medien auf die Story auf. Die Leser von CNN.com, der Daily Mail, Forbes und Co. haben je nach dem überrascht, amüsiert oder beleidigt reagiert. Viele haben die Nachricht per Twitter oder Facebook weitergeleitet. Einige waren aber vor allem skeptisch.
Leser dieser letzten Kategorie haben Kommentare auf der Webseite von BBC News hinterlassen, die wiederum die Redaktion argwöhnisch machte. Die forschte nach und stellte fest, dass die Studie bloß ein Scherz war – wenn auch ein sehr gut ausgearbeiteter Scherz.
Die BBC-Leser hatten darauf hingewiesen, dass die Internetseite von AptiQuant erst zwei Wochen zuvor aufgebaut worden war. Die Bilder vom Team der Firma waren dieselben wie die auf der Seite eines französischen Unternehmens namens "Central Test". BBC News sprach daraufhin mit den Pariser Forschern. Die bestätigten, dass die Fotos von ihrer Website kopiert worden waren. Sie hatten außerdem noch nie vom AptiQuant gehört.
Programmierer aus Vancouver
Hinter dem Hoax steckt ein Programmierer aus Vancouver. Der hat seinen Scherz inzwischen öffentlich gemacht: "Es gibt keine Firma namens AptiQuant, und eine solche Studie hat es nie gegeben", verkündete Tarandeep Gill am Mittwoch auf der gefakten Website aptiquant.com. Mit der Aktion habe er vorgehabt, IE-Benutzer dazuzubringen, den Webbrowser nicht mehr einzusetzen.
"Sicherlich hat jeder Webentwickler zumindest einmal in seinem Leben das Gefühl gehabt, dass die Welt eine bessere wäre, wenn es IE nicht gäbe", sagte der Informatiker. Ihn habe vor allem geärgert, dass die Software in mehreren ihrer Versionen nicht mit Internet-Standards kompatibel ist.
Der genervte Programmierer habe also eine Firma erfunden und eine Webseite dafür gebaut. Nach einer sorgfältigen Recherche habe er dann einen möglichst plausibel klingenden sechsseitigen Bericht verfasst, und diesen gemeinsam mit einer Pressemitteilung verschickt.
Über die angebliche altruistische Begründung hinaus gilt gewiss auch eine egoistischere: Mit der gelungenen Verfälschung hat sich Start-Up-Gründer Gill weltweit einen Namen gemacht. Und es fällt auf, dass er den Namen seiner Shopping-Webseite mehrmals in seinen Eingeständnissen erwähnt.
In seiner Erklärung entschuldigt sich Gill bei dem französischen Forschungsunternehmen und bei denjenigen unter den IE-Benutzern, die sich beleidigt gefühlt haben. Auf die Frage, warum es fast eine Woche gedauert hat, bis der Fake enttarnt wurde, antwortet Gill mit einer weiteren Provokation: "Ich gehe davon aus, dass ich genau das gesagt habe, was die Leute hören wollen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben