piwik no script img

Berliner SzenenIntegrationsspaziergang

Deutsches Brot

Welche Brotsorten isst denn die Mehrheit der „Deutschen“?

In Berlin gibt es jetzt das Format „Stadtspaziergang mit Geflüchteten“. Als ich daran teilnehme, führt uns ein syrisches Ehepaar durch Neukölln. Sie erzählen Geschichten über das Ankommen, über die Isolation in den Sammelunterkünften, über die arabischen Cafés und Restaurants in der Sonnenallee, die ihnen das Ankommen erleichtert haben.

Die TeilnehmerInnen des Stadtspaziergangs sind mehrheitlich JournalistInnen und mit Mikros und Kameras bestückt. Dennoch wirken sie uninteressiert und teilnahmslos, stellen pflichtbewusst medienrelevante Fragen. Zum Beispiel: „Ist es denn einfach, deutsche Leute kennenzulernen?“ – „Ja, wir haben schon Freunde gefunden“, antworten die zwei. Sie scheinen die Frage nicht ganz verstanden zu haben. „Und Deutsche? Habt ihr schon Deutsche kennengelernt?“, hakt die Reporterin nach. Die zwei scheinen nicht zu wissen, worauf die Frage abzielt und was sie antworten sollen. Ist ja auch kompliziert. Geht es nun darum, ob die zwei Freund_innen gefunden haben oder ob sie Deutsche gefunden haben? Und was sind Deutsche? Menschen, die mit einer Kartoffel als Kopf herumlaufen?

Okay, andere Frage: „Habt ihr schon Schwarzbrot gegessen?“ Auch eine Frage, hinter der eine ganze Debatte steckt. Sonnenallee, Parallelgesellschaft, Integration, deutsche Werte, Vollkornbrot, Currywurst. Stopp mal – deutsches Brot – Backfactory oder was? Was isst denn die Mehrheit der „Deutschen“ überhaupt für Brot? Ist das die ominöse „Willkommenskultur“, die ja doch schon längst wieder out ist: 1. Tag: Pflichtbesuch bei Backfactory 2. Tag: Filterkaffee und Currywurst 3. Tag: Kurztrip zum Oktoberfest? Ich habe vollstes Verständnis für alle Integrationsverweigerer und Integrationsverweigerinnen! Ich glaube, ich gehe heute zum Mittagessen in die Sonnenallee.

Uta Chotjewitz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen