Integrationsgipfel III: "Scharfe Kritik nicht angemessen"
Der Gipfel ist weiterhin sinnvoll, nur die Ergebnisse sind unzureichend, meint der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet.
taz: Die türkischen Organisationen werden den Integrationsgipfel boykottieren. Was bedeutet das?
Armin Laschet: Es wäre kein gutes Signal, wenn die größte Gruppe der Zuwanderer nicht teilnehmen würde. Die Verbände sollten ihre Kritik dort vortragen. Schließlich ist es eine Besonderheit, dass ein Gipfel mit Zuwanderern bei der Bundeskanzlerin stattfindet.
Verliert das Treffen seine Legitimation, wenn die größte Gruppe der Migranten nicht vertreten ist?
Viele andere Zuwanderergruppen nehmen teil, und die türkischen Verbände haben ein Jahr lang mitgearbeitet. Durch ihr Fernbleiben wird der Gipfel nicht grundsätzlich in Frage gestellt, aber es wird schwieriger.
Maria Böhmer, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, hat auf die Boykottdrohung recht ungehalten reagiert. Sinngemäß sagte sie, die Verbände würden ihrer Verantwortung nicht gerecht und repräsentierten nur einen kleinen Teil der türkischen Einwanderer. War das richtig?
Ich will Frau Böhmer keine Ratschläge geben, aber in dieser angespannten Lage ist es meiner Ansicht nach wichtig, dass beide Seiten viel miteinander reden. Boykottdrohungen sind nicht angemessen, aber auch keine scharfe Kritik oder Zweifel an der Legitimation derer, die da kommen. Das sind nämlich die türkischen Gemeinden und die größte Religionsgemeinschaft, die ihre Bedenken artikulieren. Und immerhin hat die Bundeskanzlerin sie ausgewählt.
Heute wird der "Nationale Integrationsplan" vorgestellt. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?
Auf den 265 Seiten steht Wichtiges und Banales, Wünschenswertes und nicht Wünschenswertes einfach nebeneinander. Es wird nicht klar, was jetzt wirklich passiert und was die wirklich wichtigen Selbstverpflichtungen zum Beispiel von Bund, Ländern und Kommunen sind. Wenn die Wirtschaft sagt, sie schafft Ausbildungsplätze für Zuwanderer, und die öffentlich rechtlichen Medien machen konkrete Zusagen über den Einsatz von Migranten, kann doch nicht danebenstehen, dass irgendeine Institution ein Seminar anbietet oder den Poptanz ausdehnt. Außerdem muss sichergestellt werden, wie man diesen Prozess evaluiert.
Wie könnte das gehen?
Dafür müsste ein unabhängiges Expertengremium eingesetzt werden, etwas Ähnliches wie der Zuwanderungsrat
Den der damalige Bundesinnenminister Otto Schily abgeschafft hat.
Das war ein Fehler. Ein solches Gremium müsste Indikatoren entwickeln und den Erfolg der Maßnahmen überprüfen: Wie viele Schüler mit Zuwanderungsgeschichte bleiben ohne Schulabschluss? Wie viele schaffen den Übergang ins Gymnasium? Wie viele Zuwanderer arbeiten in der öffentlichen Verwaltung? Anhand solcher Indikatoren, an denen man die Integration messen kann, muss man den Prozess evaluieren und der Politik immer wieder sagen: Hier müsst ihr weitermachen!
INTERVIEW: SABINE AM ORDE
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